The Possession of Hannah Grace (2018) Kritik

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The Possession of Hannah Grace, USA 2018 • 86 Min • Regie: Diederik Van Rooijen • Mit: Shay Mitchell, Kirby Johnson, Grey Damon, Stana Katic, Louis Herthum • FSK: ab 16 Jahren • Kinostart: 31.01.2019 • Deutsche Website

Handlung

Nach einem tragischen Zwischenfall auf der Arbeit, der sie in den Substanzmissbrauch getrieben und ihre Beziehung ruiniert hat, möchte die ehemalige Bostoner Polizistin Megan (Shay Mitchell) die Scherben ihres Lebens aufsammeln und es langsam wieder aufbauen. Dabei hilft ihr ihre Freundin und Sponsorin Lisa (Stana Katic), die ihr einen Job in der Nachtschicht am städtischen Leichenschauhaus verschafft. Dort soll sie Leichen entgegennehmen, ihre Merkmale katalogisieren und abfertigen. Ob das der beste Ort für einen Neuanfang nach einem tragischen Lebenseinschnitt und Depressionen ist? Megan ist jedenfalls fest entschlossen, die Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen zu erledigen. Als jemand, der nicht an ein Leben nach dem Tod glaubt, scheint sie auch bestens geeignet zu sein, um sich von der morbiden Umgebung nicht einschüchtern zu lassen. Die Einlieferung der grausam zugerichteten Leiche einer jungen Frau (Kirby Johnson) macht es ihr aber nicht leicht. Technik streikt in ihrer Nähe, Wunden verschwinden plötzlich, und obwohl der Todeszeitpunkt bereits drei Monate zurückliegt, zeigt die Leiche keine Verwesungsmerkmale auf. Mit Hilfe ihres Ex-Freunds und Polizisten Andrew (Grey Damon) stellt Megan Nachforschungen an, und was sie herausfindet, stellt ihre rationale Weltsicht und ihre Überzeugungen auf den Prüfstand.

Kritik

The Possession of Hannah Grace beginnt dort, wo die meisten Filme aus dem Genre aufhören – mit einem Exorzismus. Es ist eine fiese Angelegenheit, die alle Merkmale einer filmischen Teufelsaustreibung pflichtbewusst durchgeht. Eine junge Frau liegt ans Bett gefesselt in einem in Dämmerlicht getauchten Schuppen. Sie ist schweißüberströmt, ihre Gelenke unnatürlich verdreht, ihr Gesicht zur Fratze verformt, ihre Zähne gelb und verfault. Eine dämonische Stimme spricht aus ihr und verhöhnt die beiden Priester, die um ihre Seele kämpfen. Sie scheinen den Kampf zu verlieren und einer der Priester bezahlt dafür einen blutigen Preis, der uns auch schnell klarmacht, dass wir hier keinen PG-13-Film sehen. Der verzweifelte Vater des Mädchens, gespielt von Louis Herthum aus "Westworld", sieht letztlich keinen anderen Ausweg, als seiner Tochter den Gnadentod zu gewähren, um sie aus ihrem Leid zu erlösen.

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In den 45 Jahren seit Der Exorzist hat sich der Exorzismusfilm zu einem bewährten Horror-Subgenre mit etablierten Regeln und Verlaufsmustern entwickelt, das sich liebend gerne des "basierend auf einer wahren Geschichte"-Zusatzes bedient. Es ist fast immer eine junge Frau, die zunächst von schrecklichen Visionen geplagt wird, bis sie schließlich gänzlich einer übernatürlichen Macht verfällt und von einem oder mehreren mutigen Priestern, die ihr eigenes Leben riskieren (und manchmal opfern) mit Kruzifixen, Weihwasser und Bibel gerettet wird. Beim Versuch, im Besessenheitshorror neue Impulse zu setzen, verzichtet The Possession of Hannah Grace auf diesen Aufbau und beginnt mit dem altbewährten Ritual. Von einer überraschend derben Einlage abgesehen, ist die Szene nichts, was Genrefans nicht bereits in unzähligen Filmen gesehen haben, und dennoch erfüllt sie ihren Zweck. Der Auftakt ist intensiv, er rüttelt die Zuschauer wach und zieht sie in die Handlung hinein. Der Film macht schnell deutlich, wie gefährlich der Dämon ist, der Hannah Grace innewohnt.

The Possession of Hannah Grace (2018) Filmbild 1Ein altbekannter Spruch besagt, dass man aufhören soll, wenn es am schönsten ist. Wendet man ihn auf diesen Film an, dann sollte der Filmprojektor nach dieser Szene ausfallen, sodass man sich um einen potenziell ordentlichen Grusler betrogen fühlt. Denn leider erreicht der Streifen in seinen ersten fünf Minuten seinen Intensitäts- und Spannungshöhepunkt. Danach erwarten die Zuschauer jedoch weitere 75 Minuten von weitgehend uninspiriertem Horror von der Stange, der lange braucht, um wieder in Fahrt zu kommen.

Es ist ein wenig ironisch, dass das wirkungsvollste Element eines Films, der dem Genre einen neuen Twist verpassen möchte, ausgerechnet die klassische Exorzismusszene ist. Das liegt nicht daran, dass die spätere Ausgangssituation kein Potenzial hat. Dass Leichenhallen nachts ein sehr unheimliches Setting sind, haben ja schon Ole Borendals Nightwatch – Nachtwache und dessen Remake Freeze – Alptraum Nachtwache gezeigt. Mit seinen weitläufigen Korridoren, unzuverlässiger automatischer Beleuchtung, die in unpassendsten Momenten aus- und wieder angeht (in Kruzifixform, wie subtil!) und einem steril-kühlen Ambiente bietet der Krankenhaus-Koloss einen angemessen Schauplatz für einen Horrorfilm, der diesen jedoch nicht gut zu nutzen weiß. Ganz neu ist die Filmidee auch nicht. The Autopsy of Jane Doe hat erst vor zwei Jahren Brian Cox und Emile Hirsch als Vater-Sohn-Rechtsmediziner-Duo mit einer mysteriösen und gefährlichen Leiche zusammengebracht. Das Kammerspiel war all das, was The Possession of Hannah Grace nicht ist: spannend, atmosphärisch, toll gespielt und zuweilen richtig gruselig.

The Possession of Hannah Grace (2018) Filmbild 2Nach dem flotten Prolog nimmt sich der Film reichlich (und ich meine, reichlich) Zeit, um wieder zur Sache zu kommen. Wir lernen Shay Mitchells Protagonistin kennen, folgen ihrem monotonen Alltag in der Leichenhalle, erfahren stückweise ihre Vergangenheit. Charaktere in Horrorfilmen ausgiebig kennenzulernen, damit man später mit ihnen mitfiebert, ist durchaus eine Tugend. "Pretty Little Liars"-Star Mitchell ist eine passable Darstellerin in der Rolle, doch jegliche ernsthafte Charakterentwicklung bleibt auf der Strecke. Allein die Information, dass ihr früherer Fehler ihrem Partner das Leben gekostet hat und sie danach drogensüchtig geworden ist, macht noch keine interessante Figur aus. Eine ehemalige Polizistin kauft man ihr darüber hinaus auch nicht ab. Keine anderen Figuren sind der Rede wert. Weshalb überhaupt die durchaus bekannte "Castle"-Darstellerin Stana Katic in einer so undankbaren Rolle wie hier besetzt wurde, bleibt wohl ein größeres Geheimnis als das Mysterium um Hannah Grace.

The Possession of Hannah Grace (2018) Filmbild 3Hoffnung auf Besserung kommt auf, als die besagte Hannah beginnt, ihr Unwesen zu treiben. In der letzten halben Stunde kann der Film dann einen letzten Trumpf ausspielen – sein fieses Sound-Design. Für alle Zuschauer, die es als unangenehm empfinden, wenn jemand in ihrer Nähe mit den Fingern knackt, wird dieser der reine Horror sein. Trotz der expliziten Anfangssequenz hält sich der Film im späteren Verlauf nämlich zurück und lässt die Zuschauer das Knacken und Knirschen von Hannahs Gliedmaßen sowie ihrer unglückseligen Opfer aus dem Off hören. Die ersten Male ist das sehr effektiv und geht unter die Haut, verliert jedoch schnell an Wirkung, sobald es klar wird, dass es auch der einzige gute Trick ist, den der Film draufhat. Den Rest machen wenige müde Jump Scares und eine ständig aufgehende Tür des Leichenkühlschranks aus.

The Possession of Hannah Grace (2018) Filmbild 4Dass alles, was in dem Film geschieht, vorhersehbar ist, ist nicht sein größter Makel. Nicht jeder Horrorfilm muss das Rad neu erfinden. Es kommt auf die Umsetzung an und diese ist in Diederik Van Rooijens Hollywooddebüt dürftig. Dabei schießt er sich häufig selbst ins Knie. Weshalb man eine begabte Tänzerin und Verrenkungskünstlerin wie Kirby Johnson als monströse Hannah engagiert, dann aber die meisten ihrer Szenen in völlige Dunkelheit taucht, sodass ihre Talente gar nicht erst zur Geltung kommen können, ist mir ein Rätsel. Der Ansatz, dass das, was man nicht sieht, häufig furchterregender ist, als das, was man sieht, wurde hier grundsätzlich missverstanden. Wenn man immer wieder kaum erkennen kann, was auf der Leinwand überhaupt geschieht, ist das nicht gruselig, sondern einfach nur frustrierend. So wie dieser gesamte Film.

Fazit

The Possession of Hannah Grace versucht dem ausgelutschten Besessenheitshorror einen frischen Anstrich zu verpassen, doch er macht letztlich wenig Neues und das selten gut.

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