Quelle: Insidekino
Gleich fünf Filme starteten vergangenes Wochenende in mehr als 100 Kinos in Deutschland, dennoch gab es wenig Bewegung in den deutschen Kinocharts. Die ersten vier Plätze blieben gegenüber der Vorwoche unverändert, mit Deadpool als klarem Spitzenreiter, und nur zwei dieser fünf Neustarts haben überhaupt einen Platz in der Top 10 ergattert. Aus diesem Grund gab die Top 10 vermutlich auch um 27% gegenüber der Vorwoche nach und lockte diesmal 1,49 Mio Zuschauer in die Kinos. Verglichen mit dem gleichen Wochenende im Vorjahr bedeutete das außerdem einen Rückgang von 36%. Doch wo es an vielen großen Überfliegern mangelte, beeindruckten die Charts in der Breite, denn um unter die Top 20 der Charts zu kommen, benötigte ein Film knapp 25,000 Besucher. Das sieht man auch nicht jedes Wochenende.
Deadpool belegte mit fantastischen 512,000 Zuschauern wieder Platz 1 der Charts und von Frontlastigkeit war bei der FSK16-Marvel-Verfilmung keine Spur zu sehen. Der Film verlor nur 28% seiner Zuschauer vom Startwochenende und auch das zweite Wochenende hätte bereits locker ausgereicht, um das bislang beste Startwochenende des Jahres vorzuweisen. Geholfen haben neben den tollen Reaktionen der Kinogänger auch die 105 zusätzlichen Kinos, die Deadpool nach seinem Überraschungsstart in der Vorwoche für sein zweites Wochenende erhalten hat. Nach 11 Tagen steht die Spaßgranate bei großartigen 1,5 Mio gelösten Tickets in Deutschland und hat damit bereits die Gesamtergebnisse von X-Men – Zukunft ist Vergangenheit, Thor – The Dark Kingdom und The Amazing Spider-Man 2 überholt. Mit etwas Glück könnte er bereits kommendes Wochenende die 2-Mio-Besuchermarke erreichen, was bislang nur sieben weiteren Filmen aus dem Hause Marvel gelungen war. Die sehr positive Mundpropaganda des Films macht sich auf jeden Fall bemerkbar und Deadpool hat jetzt schon mehr erreicht, als ihm viele vor dem Start als Gesamtergebnis zugetraut hätten. Es ist schon erstaunlich, dass die ersten zwei Filme von 2016, die in Deutschland mehr als 2 Mio Besucher erreichen werden, ab 16 Jahren freigegeben sind (The Revenant ist der zweite). Insgesamt steuert Deadpool auf mindestens 2,5 Mio Besucher in Deutschland zu, was mehr wäre, als die beiden Avengers-Filme hierzulande erreichen konnten. Falls der Film kommendes Wochenende jedoch wieder einen so großartigen Drop hinlegen kann, würde ich sogar in Richtung von 3 Mio Besuchern insgesamt tendieren. Unter Marvel-Filmen gelang das zuletzt Spider-Man 3 vor neun Jahren. Auf jeden Fall ist es sehr wahrscheinlich, dass Deadpool sich am Jahresende in Deutschland unter den zehn erfolgreichsten Filmen von 2016 wiederfinden wird.
Nicht minder beeindruckend war jedoch der Rückgang der Brachialkomödie Dirty Grandpa. Als der Film vergangenes Wochenende deutlich über den Erwartungen anlief, glaubten viele an den Valentinstag-Effekt, doch dieser erklärt nicht, wie der Film lediglich 22% an seinem zweiten Wochenende abgebaut hat. Den furchtbaren Kritiken zum Trotz scheint der Streifen bei den hiesigen Kinogängern gut anzukommen. Vielleicht ist aber Zac Efron auch weiterhin ein Kassenmagnet unter den mittlerweile erwachsenen High-School-Musical-Fans. Von Donnerstag bis Sonntag lockte der Film weitere 221,000 Besucher in die deutschen Kinos und brachte seine vorläufige Gesamtbesucherzahl auf 596,000 nach 11 Tagen. Eine Million Besucher sind mittlerweile keine Möglichkeit mehr, sondern absolut sicher. Kommendes Wochenende wird ihm sicherlich die Konkurrenz von Der geilste Tag mit Matthias Schweighöfer und Florian David Fitz etwas zusetzen, doch ansonsten gibt es nicht viele Komödien am Horizont, die dem Film sein Publikum streitig machen werden. Mit etwas Glück sind also bis zu 1,2 Mio Zuschauern drin, was ebenfalls deutlich über dem erwarteten Rahmen liegen würde.
Platz 3 ging wieder an den vermutlich größten Überraschungserfolg des Jahres bislang. Bibi & Tina – Mädchen gegen Jungs verlor 29% gegenüber der Vorwoche und steht bei knapp 1,57 Mio Zuschauern nach fünf Wochen. Die Endergebnisse seiner beiden Vorgänger hat die Fortsetzung längst übertroffen und sollte insgesamt mindestens 2 Mio Kinotickets in Deutschland verkaufen. Der letzte deutsche Familienfilm, der diese Marke erreichen konnte, war Wickie und die starken Männer 2009. Hut ab an den Detlev Buck, der hier einen der größten Hits seiner Karriere ablieferte.
Unverändert belegte Die Wilden Kerle – Die Legende lebt Rang 4 mit 113,000 Zuschauern (-31%) und hat bis dato 322,000 Zuschauer begeistert. Damit liegt er 18% vor dem ersten Wilde-Kerle-Film von 2003 im gleichen Zeitraum, aber weit hinter allen dessen Fortsetzungen. Ob das Sequel/Reboot der Reihe auch das Endergebnis des Originals (knapp 960,000 Zuschauer) erreichen kann, ist momentan noch fraglich, denn mit Zoomania und Kung Fu Panda 3 wird er viel Konkurrenz ums Familienpublikum kommenden Monat haben. Wahrscheinlicher ist ein Endergebnis von etwa 800,000 gelösten Kinotickets. Es ist kein schlechtes Ergebnis für das Revival einer Reihe, die acht Jahre lang ruhte, aber ob das für einen weiteren Film ausreicht?
Auf Seite 2 verraten wir, wie die Coens-Komödie Hail, Caesar! zum Start abgeschnitten hat, welchen Meilenstein Quentin Tarantinos The Hateful 8 erreichte und geben auch ein Update zu den Besucherzahlen von Star Wars: Das Erwachen der Macht und Til Schweigers Tschiller: Off Duty.



Mit "Take Shelter" (2011) und "Mud" (2012) hat Jeff Nichols zwei der feinsten Independent-Dramen der letzten Jahre abgeliefert. Das Science-Fiction-Abenteuer "Midnight Special" ist nun die erste von einem Major-Studio betreute Arbeit des Drehbuchautoren und Regisseurs. Selbst wenn ein Budget von rund 18 Millionen Dollar für heutige Verhältnisse eher Peanuts sind – für Nichols stellt dieses einen Quantensprung im Vergleich zu den vorherigen Produktionen dar. Doch bedingt mehr Geld auch eine größere Geschichte? "Midnight Special" präsentiert sich zunächst als offensichtliche Hommage an frühe Steven Spielberg-Klassiker wie "Unheimliche Begegnung der dritten Art" (1977) oder "E.T." (1982), jedoch mit dem Unterschied, dass Nichols seine Story gewohnt zurückhaltend ausrollt. Hier mag sich mancher Genrekenner an den Erzählstil eines John Carpenter erinnert fühlen, und in der Tat ist auch dessen gefühlvoller "Starman" (1984) ein angebrachtes Referenzwerk.
Zwei Männer und ein Kind in einem verbarrikadierten Motelzimmer: Der Fernseher läuft und in den Nachrichten wird die verzweifelte Suche nach dem achtjährigen Alton (Jaeden Lieberher) geschildert. Seine als Entführer bezichtigten Begleiter sind in Wahrheit seine Beschützer – sein Vater Roy (Michael Shannon) und dessen Gefährte Lucas (Joel Edgerton). Auf der Flucht aus den Fängen einer fanatischen Sekte wird das Trio auch vom gesamten FBI und dem NSA-Mann Sevier (Adam Driver) erbarmungslos verfolgt. Ihr Ziel ist Roys Ex-Frau Sarah (Kirsten Dunst) und ein geheimer Ort, den das mit übersinnlichen Kräften ausgestattete Kind in Form von Koordinaten vermittelt hat. Doch was genau steckt hinter der Mission? Stellt Alton womöglich einen Erlöser oder vielleicht gar eine große Gefahr für die Menschheit dar?
Der besondere Trick von "Midnight Special" ist der Punkt, an dem Jeff Nichols in seine Geschichte einsteigt. Für eine ausführliche Exposition bleibt keine Zeit, und so erfahren wir langsam mehr über die Protagonisten und ihre Hintergründe, während die Verfolgungsjagd bereits auf vollen Touren läuft. Ohne sich jedoch in aufbrausenden Actionspitzen zu verlieren, setzt das Werk auf sich gemächlich steigernde Spannung und zwischenmenschliches Drama. Auch wenn die filmischen Referenzen nahezu identisch sind, wählt Nichols einen ganz anderen Ansatz als beispielsweise J.J. Abrams' blockbustertaugliche Spielberg-Kollaboration
Ohne nun zu viel vorwegnehmen zu wollen: Der Vorgang des Sehens ist ein wichtiges Motiv im Film. Da ist etwas mit Altons Augen, aus denen gelegentlich blaue Lichtstrahlen schießen und die andere Protagonisten in ihren Bann ziehen. Alton nimmt außerdem sein Umfeld anders wahr. Die Möglichkeit, dass der Junge – wie die ominöse Sekte glaubt – die Kraft in sich trägt, die Menschen in eine bessere Welt zu führen, scheint nach diversen Vorfällen nicht ganz abwegig. Ich bin mir nur leider nicht sicher, ob Jeff Nichols' mit Spezialeffekten beladenes Finale nun einfach einen naiven Zauber oder vielleicht gar eine fragwürdige Ideologie transportieren soll. Zumal auch der konsequente Pragmatismus (ein Polizist wird kurzerhand niedergeschossen, weil er die Lokalisation des Wunderkindes preisgeben könnte), den die Gruppe zum Erreichen ihres Ziels anwendet, letztlich in keinem Maßstab mehr zu stehen scheint. Irgendwie verpufft die vorherige Erzählenergie während des audiovisuell durchaus beeindruckenden Endes, und man gewinnt den Eindruck, dass das ansonsten sympathische Vater-Sohn-Drama entweder hastig-pompös aufgelöst werden musste oder die Macher den Zuschauern hier doch unterschwellig etwas verkaufen wollten. Ersteres wäre ärgerlich, letzteres eine Schande.


Wenn man heilige Kühe antastet, erntet man in der Regel keine Lobeshymnen. Vielleicht bestenfalls lauwarme Kritiken, wenn es sich um Remakes anerkannter Filmklassiker handelt. Auch die 1983 veröffentlichte US-Neuumsetzung von Jean-Luc Godards "Außer Atem" (1960) ist zunächst eher moderat aufgenommen worden. Rein inhaltlich variiert Jim McBrides "Atemlos" seine Urquelle dann auch nur marginal, verlegt das Pariser Setting nach Kalifornien, macht aus dem französischen Ganoven einen Amerikaner und aus der amerikanischen Studentin eine Französin. So weit, so vis-à-vis. Es sind jedoch die Feinheiten, die dieser Adaption einen individuellen und frischen Touch verleihen. Die knurrige Coolness von Hauptdarsteller Jean-Paul Belmondo aus Godards Debütwerk wird in McBrides Version von einem feurigen Richard Gere ersetzt, der den stylischen Film selbstbewusst auf seinen Schultern hin und her schwingt.
Jerry Lee Lewis, Marvels Silver Surfer und vor allem die schöne französische Austauschstudentin Monica (Valérie Kaprisky) bestimmen das romantische Weltbild des Kleinganoven Jesse Lujack (Gere). Mit einem gestohlenen Porsche will er seine Angebetete in Los Angeles überraschen, doch die Fahrt von Las Vegas verläuft alles andere als glücklich und entwickelt sich zur Flucht: Nach einer wilden Verfolgungsjagd erschießt er versehentlich einen Polizisten mit einer gefundenen Waffe, und schon bald ziert sein Gesicht die Titelseiten der Zeitungen. Nun gilt es, Monica flink von seiner wahrhaften Zuneigung und einem Exil in Mexiko zu überzeugen. Die Zeit läuft und das Gesetz rückt Jesse immer dichter auf die Fersen, doch seine Geliebte zögert zunächst …
Auch wenn der Grundaufbau und teilweise sogar ganze Dialogpassagen direkt aus François Truffauts OrIginaldrehbuch zu "Außer Atem" entliehen worden sind, versprüht die Adaption im direkten Vergleich ein gänzlich anderes Feeling. Das zeigt besonders die Gestaltung der Endsequenz, die bei "Atemlos" vorzeitig abbremst und einfriert – eine bewusste Entscheidung, die Regisseur und Co-Autor McBride zugunsten des insgesamt optimistischen Tons trifft. Auch Jesse wählt – wie schon sein französischer Vorgänger – gemäß seinem Credo "Alles oder Nichts" das Nichts über das Leiden. Sein großes Idol ist die hier immer wieder auftauchende Comicfigur Silver Surfer, die die Erde so sehr liebt, dass sie trotz unendlicher Möglichkeiten an ihr festhält. In Jesses Fall bildet Monica seine Welt, und wenn er flieht, dann nur mit ihr zusammen. Diese popkulturelle Einbettung ist freilich etwas naiv und albern, aber gerade diese Herangehensweise verleiht dem Film seinen sympathisch-spleenigen Charme. So zählt auch Oscarpreisträger und Kultregisseur Quentin Tarantino "Atemlos" zu seinen Favoriten – und wer beispielsweise den auf seinem Drehbuch basierenden und von Tony Scott inszenierten "True Romance" (1993) sieht, kann einen gewissen Einfluss nicht leugnen.
Schwächeln tut "Atemlos" ein wenig in seiner zweiten Hälfte, wenn das obligatorische Polizeiaufgebot anrückt und Actionstandards bemüht werden. McBride ist – wie dann auch bei seinem fantastischen "The Big Easy" (1986) – in seinem Element, wenn er den Fokus auf seine Figuren legt und die Geschichte entspannt rocken und rollen lässt. Die verkrampft angezogene Spannungsschraube ist nicht wirklich seins. So ist man dann natürlich auch mehr daran interessiert, ob Monica sich letztlich für Geld und Karriere oder für ein Leben mit dem kriminellen Amor entscheidet, als an blauen Bohnen und der Flucht durch dunkle Gassen. Stichwort Monica: Zur Zeit des Erscheinens von "Atemlos" ist die schauspielerische Leistung der Newcomerin Valérie Kaprisky oft ein Punkt der Kritik gewesen. Zugegeben, die Französin liefert hier keine so versierte Leistung ab, wie Jean Seberg im Original. Doch Kapriskys sinnliche körperliche Präsenz wirkt nicht nur auf Richard Geres Charakter wie ein Aphrodisiakum. Überhaupt ist "Atemlos" ein elektrisierend-erotisches Abenteuer, wie es "Außer Atem“ seinerzeit gar nicht hätte sein dürfen. Es stellt sich also die Frage, was man von dieser verdrehten Liebesgeschichte erwartet: Einen weiteren Filmmeilenstein vermag McBride aus der Godard/Truffaut-Kollaboration nicht zu zaubern. Dafür aber eine massiv unterhaltsame, ästhetisch ansprechende Einbettung des Themas in den Zeitgeist der Achtziger.

Würde man in Hollywood die ideale Besetzung für ein Schwesternpaar suchen, wären Tina Fey und Amy Poehler weit vorn mit dabei. Okay, rein optisch sind die beiden sehr gut voneinander zu unterscheiden, und eine mögliche Blutsverwandtschaft sieht man ihnen auch nicht an. Aber auf mentaler Ebene funktionieren sie nahezu identisch, also trifft es Schwestern im Geiste wohl ziemlich gut. Grund dafür dürfte ihre intensive Freundschaft sein, die bereits mehr als 20 Jahre währt. Sie macht es den Hauptdarstellerinnen besonders leicht, vorzugeben, sie verbände neben dem freundschaftlichen auch ein familiäres Band. Und dass den beiden das Ganze auch noch enorm viel Spaß macht, merkt man ihnen in jeder gemeinsamen Szene an. Schade nur, dass das allein nicht reicht.
Auch die Handlung an sich hat ihre Macken. Der Anfang ist etwas zu schleppend geraten, der Schluss etwas zu moralisch. Mittendrin findet sich dann aber doch noch das gelungene Herzstück, in dem auch die Hauptdarstellerinnen konsequenter in ihren Rollen sind: die Party. Auch wenn einige Nebencharaktere hier und da stark an den Nerven zehren – allen voran Bobby Moynihan alias Alex -, macht die Party Spaß. Spätestens hier spürt man den derben Humor in seiner vollen Entfaltung. Wer das Comedyduo Fey und Poehler kennt, weiß ganz genau, was auf ihn zukommt. Dabei ist Sisters fast schon so klamaukig wie Stiefbrüder (2008) mit Will Ferrell und John C. Reilly. Der wirkt zwar ein ganzes Stück realitätsferner, doch das Niveau der Sprüche und Gags hält sich die Waage.
Das wird zu Filmbeginn nach mehreren Sekunden schon ersichtlich, wenn wir einen sich in Zeitlupe überschlagenden Geländewagen sehen, samt seiner malträtierten Insassen – mittendrin unser Antiheld Deadpool – während im Hintergrund Juice Newton fröhlich "Angel of the Morning" trällert und dazu der mit Abstand coolste Vorspann läuft, den man seit Jahren im Kino gesehen hat. Jetzt noch mehr zu verraten, wäre ein Verbrechen, doch es ist eine Szene, die innerhalb kürzester Zeit perfekt den Ton für den Rest des Films setzt und jeden Fan so breit grinsen lässt, bis die Backen schmerzen. Deadpool ist angekommen und er lässt sich nicht mehr so misshandeln, wie bei seinem ersten Leinwandauftritt in X-Men Origins: Wolverine. An jenen Film wird hier natürlich erinnert, ebenso wie an einige andere Fehlschläge von Ryan Reynolds, denn in bester Deadpool-Manier ist der Meta-Humor stets präsent und die Hauptfigur adressiert immer wieder die Zuschauer. Nicht falsch verstehen, man kann Deadpool auch ohne Vorwissen als bissigen, herrlich blutigen, actionreichen Spaß genießen. Doch wer die Comics kennt, mit Popkultur und Ryan Reynolds' Karriere vertraut ist, wird das Meiste aus diesem Film herausholen, der bei all seiner Respektlosigkeit den Fans den größten Respekt entgegenbringt. Die Fülle an Verweisen, Insider-Gags und augenzwinkernden Momenten ist so groß, dass Deadpool gerade für sie sehr hohen Wiederanschauungswert haben sollte. Manchmal wirken die Gags im Maschinengewehr-Tempo fast zu bemüht um die Gunst der Fans, doch dieses Gefühl hält zum Glück nie lange an und gehört zu den wenigen Mankos des Films.
Natürlich werden von vielen zwangsläufig Parallelen zwischen Deadpool und Kick-Ass gezogen werden. Beide sind sehr blutige, anarchisch veranlagte Comicgeschichten, die den Superhelden-Mythos augenzwinkernd auf den Kopf stellen. Doch auch wenn beide Filme oberflächlich gesehen den gleichen Humor bedienen (und auch gleichermaßen viel Spaß machen), sind sie dennoch sehr unterschiedlich. Kick-Ass machte sich in breiten Pinselstrichen über das Superheldengenre und Comichelden lustig, während der Humor von Deadpool in vielen kleinen Details liegt, die man auch schnell verpasst, wenn man einen Augenblick lang wegschaut. Ein weiterer entscheidender Unterschied liegt in der Veranlagung der Protagonisten. Die Helden von Kick-Ass haben keine Superkräfte, wollen aber Gutes tun. Deadpool ist hingegen praktisch unsterblich, hat aber kein Interesse daran, ein Held zu sein und die Welt zu retten. Er will nur Rache an dem Arschloch, das ihm Leid zugefügt hat und mit etwas Glück sein Mädchen zurückgewinnen.
Der letzte Punkt ist auch ein weiterer Grund, weshalb Deadpool so gut funktioniert, denn in seinem Kern ist es auch die unkonventionellste und zugleich schönste Liebesgeschichte seit langem, die in einem Superheldenfilm erzählt wurde. In der Tat, unter all den Sprüchen, Gags und überaus brachialer Gewalt (lasst Euch durch die FSK16-Freigabe nicht täuschen!) schlägt auch das Herz eines Romantikers. Das ist Reynolds genau so wie Morena Baccarin zu verdanken. Als Vanessa ist sie zugleich schlagfertig, liebenswert und verdammt sexy. Ab der ersten Szene zwischen Reynolds und Baccarin sprühen die Funken und ihre (ebenfalls sehr unkonventionelle) Beziehungs-Montage gehört zu den Highlights des Films. Der Kinostart zum Valentinstag könnte also kaum passender sein.
Während Baccarin und Reynolds sich fabelhaft in ihren Rollen machen, hinterlässt Ed Skrein einen blassen Eindruck als generischer britischer Fiesling, der hauptsächlich dazu da ist, um die Geschichte voranzutreiben. Skrein hat den hämischen Gesichtsausdruck gut drauf, doch sein Charakter stellt nie einen ernstzunehmenden Gegner für Deadpool dar. Gina Carano hat als Handlangerin schauspielerisch zwar auch nicht mehr zu bieten, doch dafür bekommt sie eine tolle Actionszene im großen Showdown des Films. Deutlich besser kommen die beiden X-Men weg, die es in den Film geschafft haben. Colossus, eine gänzliche CGI-Kreation mit starkem russischem Akzent in der Originalfassung, ist als stoisch-naiver Saubermann der perfekte Kontrast zu Deadpool, den er dazu zu überreden versucht, sich seiner „Boy Band“ anzuschließen. Doch es ist Newcomerin Brianna Hildebrand, dessen Negasonic Teenage Warhead als mürrische Teenagerin ein richtiger Szenendieb ist, den wir künftig hoffentlich wiedersehen werden. Wie Fox allerdings vorhat, Deadpool in das bestehende X-Men-Universum früher oder später zu integrieren, liegt nach dieser kleinen, außergewöhnlichen Granate von einem Film außerhalb meiner Vorstellungskraft.
Was man bei Deadpool nicht erwarten sollte, neben einer traditionellen Heldengeschichte natürlich, sind allzu spektakuläre Actionszenen und viel Bombast. Die Geschichte bleibt recht schlank. Viel Zeit wird mit der großen Highway-Actionsequenz verbracht, die immer wieder von Flashbacks durchbrochen wird, und kaum ist sie vorbei, landet man schon beim großen Finale, bei dem dann doch noch etwas mehr in die Luft fliehen darf, jedoch vermutlich mit weniger Budget als Robert Downey Jr.s Gehalt für die kommenden Avengers-Filme. Man wünscht sich am Ende, noch mehr Zeit mit Deadpool verbringen zu können, doch die straffe, geradlinige Erzählweise, die der konkreten und simplen Zielsetzung unserer Hauptfigur entspricht, unterscheidet den Film auch erfrischend von den Riesenspektakeln wie Captain America: Civil War oder Batman v. Superman, die uns dieses Jahr erwarten. Wie anfangs gesagt – Deadpool ist nicht so ein Film. Eine klare Gemeinsamkeit gibt es aber: man sollte das Ende des Abspanns abwarten.









