The Tall Man, USA/CDN/F 2012 • 106 Min • Regie & Drehbuch: Pascal Laugier • Mit: Jessica Biel, Jodelle Ferland, Stephen McHattie, William B. Davis, Samantha Ferris • Kamera: Kamal Derkaoui • Musik: Todd Bryanton • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Wild Bunch Germany/Universum Film
Mit „Martyrs“ hatte der Franzose Pascal Laugier 2008 ein kontroverses und von unzähligen Genrefans glühend verehrtes Zweitwerk vorgelegt. Während dessen Debüt, der Geisterhausfilm „Saint Ange“ noch wenig beachtet wurde und vermehrt schlechte Kritiken erntete, war der Newcomer mit dem ungleich erbarmungsloseren Nachfolger über Nacht in aller Munde. Was also sollte danach kommen? Der Aufbruch nach Hollywood, um das angedachte Remake von Clive Barkers „Hellraiser“ zu inszenieren? Das Verbleiben in der alten Heimat, um auf unabhängiger Basis ein weiteres Eigenprojekt zu stemmen? Laugier wählte mit „The Tall Man“ einen Mittelweg. Auch wenn es sich bei der aktuellen Arbeit um eine aufwendigere, amerikanisch-französische Koproduktion mit international bekannten Gesichtern wie Jessica Biel, Jodelle Ferland oder Stephen McHattie in den Hauptrollen handelt, so basiert das Fundament noch immer auf einem Originaldrehbuch von dem Regisseur selbst. Während „Martyrs“ mit typischen Elementen der modernen Terrorkino-Welle startete und letztlich immer tiefer in das Martyrium seiner Protagonistin herabtauchte, beginnt „The Tall Man“ fast wie ein konventioneller Mysterythriller irgendwo zwischen „Akte X“, M. Night Shyamalan und Stephen King. Das Werk wechselt nach einem kurzen Anflug des Schreckens seine Marschrichtung entschieden und wird so vermutlich alle Zuschauer bitter enttäuschen, die sich hier nun ein neues Horrormeisterwerk erhofft haben. Ein Martyrium erleben wir am Ende zwar erneut, allerdings auf ganz andere Weise. „The Tall Man“ spielt mit Erwartungshaltungen und verschleiert anfangs bewusst wichtige Informationen. Vor allem ist es ein Spiel mit der Perspektive, das Laugier dieses Mal treibt. Und hätte man den Ausgang der Geschichte nicht bereits vor einiger Zeit sehr ähnlich in einem anderen Film gesehen und würden die Mysteryelemente nicht einer eindringlicheren Charakterzeichnung im Weg stehen, so hätte aus diesem Stoff womöglich eine weitere Großtat entstehen können.
Cold Rock ist eine abgeschiedene US-Kleinstadt, irgendwo in den Bergen Washingtons und umgeben von dichten Wäldern. Die Menschen dort sind größtenteils arm, arbeitslos und ohne Perspektiven. Kein Ort, an dem Kinder glücklich aufwachsen. Eine unheimliche Legende macht in der Umgebung die Runde: Ein Phantom, der Tall Man genannt, versetzt die kleine Gemeinde in Angst und Schrecken – ist dieses doch angeblich an dem spurlosen Verschwinden diverser Kinder aus Cold Rock verantwortlich. Die aufopferungsvolle Krankenschwester Julia (Jessica Biel) versorgt die Einwohner seitdem ihr als Arzt tätiger Mann verstorben ist. Mit ihrem kleinen Sohn David (Jakob Davies) führt sie ein idyllisches Leben, in dem es keinen Platz für finstere Monster oder Aberglauben gibt. Bis eines Nachts der Tall Man auch in ihrem Flur steht und den schlafenden David auf seinen Schultern davonträgt. Julia muss an ihre physischen und psychischen Grenzen gehen, um ihren Sohn aus den Klauen des vermummten Unholds zu retten. Oder steckt am Ende vielleicht doch mehr hinter der Spukgestalt?
Bei Laugiers aktueller Arbeit lohnt sich ein Blick auf kleine Details und vermeintliche Ungereimtheiten. Die Entführung Davids zum Beispiel, so wie die anschließende Rettungsaktion, fühlen sich bei der ersten Sichtung vermutlich eigenartig und irgendwie „falsch“ an. Man kennt ähnliche Szenen bereits aus anderen Filmen und spürt, dass hier etwas nicht so ganz stimmt. Nun basiert diese etwas ungewohnte Darstellung nicht auf der Unfähigkeit des Regisseurs, sondern auf der Tatsache, dass wir an dieser Stelle noch deutlich weniger über die Umstände wissen als die beteiligten Figuren. Man wird sich kurz darauf fragen, weshalb bestimmte Ereignisse nicht vor anderen Charakteren ausgesprochen werden und was am Ende überhaupt diese ganze Geheimniskrämerei bedeuten soll. Keine Sorge, man wird darüber früh genug aufgeklärt. Der Ansatz, den Pascal Laugier hier gewählt hat, ist in der Tat erfrischend und in Anbetracht der Vermarktungskampagne, die „The Tall Man“ eher als reinrassige Gruselstory anpreist, auch in gewisser Weise mutig. Denn voraussichtlich werden mehr Zuschauer die spätere Ausrichtung der Geschichte ablehnen und ihren ehemaligen Genremeister nach dem geliebten Vorgänger schnell als One Hit-Wonder abtun. Ja, „The Tall Man“ fehlen die grimmige Durchschlagskraft und die brutale Energie von „Martyrs“. Und ja, sobald alle Stränge letztlich zueinander gefunden haben und das große Mysterium gelüftet ist, überkommt einen ein etwas ernüchterndes Déjà-vu-Gefühl: Das kennt man schon, nur eben gänzlich anders erzählt. Auf inszenatorischer Ebene beweist der Regisseur allerdings erneut ein sicheres Auge für Atmosphäre und auch die Fähigkeit, sein Publikum an den passenden Stellen zu überraschen, hat Laugier noch nicht verloren – den einen Zuschauer aber wohl mehr, als den anderen. Überraschen tut hier außerdem Schauspielerin Jessica Biel, die in dieser Rolle so authentisch wirkt wie nie zuvor und ihrer Julia reichlich Stärke und Sympathie mit auf die verzweifelte Suche gibt.
Ein positiver Lichtpunkt ist es schließlich, der uns aus dem düsteren Szenario geleitet. Ganz ähnlich wie „Martyrs“ schließt auch „The Tall Man“ mit einer unbeantworteten Frage ab. Nur dieses Mal sind wir die Adressaten.
Trailer




Game of Werewolves ist ein klassischer FFF-Film. Es ist die Art Film, den kaum jemand für das große Meisterwerk des Jahres halten wird, wobei es zugleich auch schwer ist, den Film nicht zu mögen. Hier wurden von den Filmemachern keine hohen Ansprüche gesetzt, sondern nur ein einziges Ziel – den Zuschauer möglichst gut zu unterhalten. Ebendies ist dem Regisseur gut gelungen, Game of Werewolves ist ein Crowd Pleaser, der mit viel Applaus empfangen wurde.
Cold Rock, Washington ist eine ehemalige Bergarbeiter-Stadt. Mit der Schließung der Mine vor sechs Jahren wurde die Hauptschlagader der Stadt durchtrennt. Nun sind die Stadt und ihre Einwohner arm und ohne großartige Zukunfstperspektiven. Wer kann, geht weg, die anderen sind einem weiteren Problem ausgesetzt. Denn in Cold Rock werden seit Jahren Kinder entführt, angeblich von einer dunklen Gestalt, die jeder nur The Tall Man nennt. Julia (Jessica Biel) ist eine Krankenschwester in Cold Rock, die nach dem Tod ihres Ehemannes nun die einzige Person mit medizinischem Fachwissen in Cold Rock ist. Enes nachts holt The Tall Man ihren kleinen Sohn, doch Julia ist nicht bereit aufzugeben…
Kurz nach dem Unfalltod ihrer jungen Tochter verschlägt es die Familie Hughes in ihr abgeschiedenes Landhaus, irgendwo in den Bergen. Mary (Selma Blair), Mark (Joshua Close) und ihr Sohn Brendon (Quinn Lord) wollen dort Abstand von dem traumatischen Ereignis finden – doch die Drei erhalten bald Gesellschaft von einer reichlich eigentümlichen, benachbarten Familie, die offensichtlich nichts Gutes im Schilde führt und in der Nacht schließlich zum großen Angriff bläst …
Chained ist das neue Werk von Jennifer Lynch, der Tochter von David Lynch. Wie schon ihr vorletzter Film, Unter Kontrolle (OT: Surveillance), handelt Chained von einem Serienkiller. Nur hier ist seine Identität vom Anfang an bekannt. In den ersten Filmminuten entführt Bob, der als Taxifahrer arbeitet, den neunjährigen Tim und seine Mutter. Die letztere wird im Haus des Serienmörders schnell getötet, Tim darf leben und sich fortan als Diener um das Haus des Killers kümmern, wozu auch das Verscharren von Leichen und Säuberung von blutbefleckten Matratzen gehört.



Violet (Alexis Bledel) & Daisy (Saoirse Ronan) sind eigentlich ganz gewöhnliche befreundete junge Mädels. Die beiden quatschen gerne über Klamotten, beten ihr Musikidol Barbie Sunday an und sind begeistert, als sie erfahren, dass es bald eine Kleider-Kollektion von Sunday auf dem Markt gibt. Daneben verdienen sich die beiden ihre Miete als Auftragskillerinnen, eine Tätigkeit, der die beiden ohne großartige Überlegungen nachgehen bis sie eines Tages auf eine sehr sterbenswillige Zielperson (James Gandolfini) treffen…
Wohl kaum ein Film beim diesjährigen Fantasy Filmfest wurde so sehnsüchtig erwartet und gehypt wie Beasts of the Southern Wild, der diesjährige Sundance-Gewinner und heißer Anwärter auf eine Oscarnominierung für den besten Film. Auch vor der Vorstellung wurde der Streifen von den Veranstaltern als der schönste Centerpiece-Film, den es beim FFF je zu sehen gab, angekündigt.
Schwer erziehbare Jugendliche fahren mit zwei Aufsehern mitten aufs Land ins triste Yorkshire, um dort ein produktives Wochenende zu verbringen und die Jugendlichen zu resozialisieren. Dabei haben sie aber nicht mit den degenerierten, sadistischen Einheimischen gerechnet, die sich über die Neuankömmlinge ganz besonders freuen.
Alexandre Ajas Piranha 3D war vor zwei Jahren eine der Spaßgranaten des Fantasy Filmfests. Als dann bekannt wurde, dass an dessen Stelle der Feast-Regisseur John Gulager trat, waren die Befürchtungen, dass das Sequel vom Original weit abfallen würde. So ist es auch gekommen, aber auch dem zweiten Film kann der Genrefan durchaus das eine oder andere abgewinnen.


William Friedkin mag schon über 75 sein und seit mehr als 40 Jahren im Filmgeschäft, doch der Altmeister und Regisseur von Der Exorzist und French Connection hat es noch drauf! Mit Killer Joe lieferte er seinen besten Film seit Jahren ab und den frühen Höhepunkt des diesjährigen Fantasy Filmfests.
Man nehme das Konzept von The Breakfast Club, den Meta-Humor von Scream und versetze das Ganze mit Donnie Darkos bizarren Ideen – das Ergebnis heißt Detention und ist leider nicht annähernd so gut wie die genannten Filme. Das liegt vor allem daran, dass der Regisseur Joseph Kahn zu sehr damit beschäftigt ist, im Sekundentakt Popkultur-Zitate und Genre-Referenzen abufeuern und dabei vergisst, einen halbwegs kohärenten Film zu präsentieren. Hier werden Dinge gesagt und getan, weil sie cool und hip sind, nicht weil sie zum Film irgendwie beitragen. Abgerechnet wird mit allen – Vegetariern, Hipstern, Nerds, Highschool Bitches…die Liste geht endlos weiter. Zu welchem Zweck und mit welcher Aussage? Das kümmert hier keinen, gehofft wird, dass das Maschnengewehr-Tempo der Wtze und Anspielungen darüber hinwegsehen lässt, dass hier kein ausgereiftes Konzept vorlag.
Irgendwo in Dallas gibt es einen Mann mit dem Namen Joe Cooper. Joe (Matthew McConaughey) ist ein Cop – und gleichzeitig ein Auftragskiller. „Killer Joe“ lautet dann passenderweise der Titel des neuen Werkes von Oscar-Preisträger William Friedkin („French Connection“, „Der Exorzist“), welches auf einem Bühnenstück von Tracy Letts basiert. Friedkin und Letts haben bereits bei dem intensiven Psychokammerspiel „Bug“ von 2006 zusammengearbeitet, doch ihre erneute Kollaboration erweist sich als ungleich bissiger pulp fiction-Beitrag. In dieser Geschichte leben die Protagonisten in einem Trailerpark, vor der Tür liegt der Wachhund zähnefletschend an der Kette, im Fernsehen laufen Monstertruck-Shows und das Abendessen stammt von KFC. Willkommen in diesem White Trash-Universum – Willkommen bei der Familie Smith, deren Sohnemann Chris (Emile Hirsch) ganz gewaltigen Ärger am Hals hat: Der kleine Drogendealer schuldet einem ungeduldigen Gangsterboss einen schönen Haufen Geld. Wenn er nicht zahlt, wird das Konsequenzen für ihn haben, die nicht mit seinem Leben vereinbar sind. Chris ist nicht gerade eine große Leuchte, aber seine auswegslose Situation kann er durchaus einschätzen. „Killer Joe“ ist ein Film über eine dumme Idee und wie diese letztlich alle Beteiligten in einen finsteren Abgrund reitet. Chris will seine verhasste Mutter, die nun mit einem anderen Mann zusammenlebt und angeblich eine dicke Lebensversicherung auf seine jüngere Schwester Dottie (Juno Temple) ausgeschrieben hat, von Joe beseitigen lassen. Der Plan klingt zunächst narrensicher, doch natürlich läuft am Ende nicht alles rund: Der Killer folgt festen Regeln und erwartet bis zur endgültigen Auszahlung für den Auftrag einen Pfand – Chris' geliebtes Schwesterherz …
William Friedkin ist ein Profi auf dem Gebiet, raue, dreckige Bilder für seine oftmals knallharten Themen zu finden. Sein „Killer Joe“ schildert abermals keinesfalls die Sonnenseiten des Lebens, sondern folgt seinen zwielichtigen Figuren durch den Regen in heruntergekommene Spelunken, wo kaltblütige Morde an Familienmitglidern ausgesprochen werden. Neben Chris, Dottie und Joe sind außerdem Papa Ansel (Thomas Haden Church) und dessen neue Frau Sharla (Gina Gershon) in das geplante Verbrechen eingeweiht. Wie bei der Bühnenvorlage hängt sich die Story nicht an spektakulären Schauwerten oder Spezialeffekten auf, sondern konzentriert sich gänzlich auf ihre Figuren. Allen voran natürlich auf die des mysteriösen Killers. Matthew McConaughey hat dieses Jahr bereits in Steven Soderberghs „
Auch wenn „Killer Joe“ als lupenreine, pechschwarze Crimecomedy funktioniert, ist das Werk bereits bei der US-Prüfstelle MPAA angestoßen, die dieses mit der kommerziell tödlichen NC-17-Plakette (keine Freigabe unter 17 Jahren) versehen hat. „Rated NC-17 for graphic disturbing content involving violence and sexuality, and a scene of brutality“, lautet die offizielle Begründung. Und tatsächlich mag man sich weitgehend der Entscheidung der Organisation anschließen, verfügt der Film doch über allerhand grafische Grausamkeiten (unter anderem gibt es eine Misshandlung durch eine Hähnchenkeule zu sehen), die zumindest für minderjährige Zuschauer ganz bestimmt nicht geeignet sind. Die Grenze zwischen Gut und Böse wird geradezu aufgelöst, wenn Gesetz und Kriminalität von ein und derselben Person vertreten werden. Friedkin biegt die Moral in einem seiner unbeschwertesten Filme so genüsslich, bis sie letztlich völlig zerbricht. Wenn Gerechtigkeit nur von Unschuldigen verübt werden kann, so bleibt hier dafür am Schluss lediglich eine Figur übrig. In dieser verkorksten Welt laufen die Protagonisten stets halbnackt durch die Gegend, haben wenige warme Worte füreinander übrig und Skrupel kommen immer entschieden zu spät auf. Hätte Chris seinen Verstand schon vor Planung der Tat eingeschaltet, wäre der Schlamassel in dieser Form wohl nicht entstanden. Aber dann hätten auch wir auf diese kantige wie amüsante Kinoperle verzichten müssen, die neben den erwähnten Gemeinheiten vor allem von den Leistungen seiner bestens aufgelegten Darsteller lebt. Altmeister Friedkin hat während seiner über vierzigjährigen Karriere gute und auch schlechte Arbeiten abgeliefert. Der zügellose „Killer Joe“ gehört zu seinen Gewinnern.








