Our Idiot Brother, USA 2011 • 90 Min • Mit: Paul Rudd, Elizabeth Banks, Zooey Deschanel, Emly Mortimer, Rashida Jones, Steve Coogan, Kathryn Hahn • Regie: Jesse Peretz • FSK: Ab 6 Jahren • Kinostart: 17.05.2012 • Deutsche Website
Handlung
Der Biogärtner und Gelegenheitskiffer Ned Rochlin (Paul Rudd) ist ein liebenswerter und leichtgläubiger Slacker. Aus reiner Menschenliebe und Freundlichkeit verkauft er einem uniformierten Polizeibeamten Marihuana und landet dafür prompt im Knast. Als er nach einiger Zeit den Bau verlässt, findet er seine Freundin Janet (Kathryn Hahn) mit einem Neuen (T. J. Miller) vor. Sie setzt ihr vor die Tür und behält dabei auch seinen geliebten Golden Retriever namens Willie Nelson. Niedergeschlagen und dennoch optimistisch zieht er zunächst zu seiner liebenden Mutter (Shirley Knight), hält es aber dort nicht lange aus und zieht es vor bei einer von seinen drei erfolgreichen Schwestern einzuziehen. Liz (Emily Mortimer), Miranda (Elizabeth Banks) und Natalie (Zooey Deschanel) zeigen zunächst viel Mitgefühl und Hilfsbereitschaft. Doch durch seine liebenswert naive Art stellt Ned deren Leben auf den Kopf und wird von einer Schwester nur anderen weitergereicht als Bürde, die ertragen werden muss. Nur langsam merkt Ned, was um ihn herum geschieht, und dass vielleicht das perfekte Leben seiner Schwester doch nicht so toll und geregelt ist, wie es nach außen scheint. Dabei will er aber um jeden Preis seinen Hund zurück, das einzige Wesen, das ihn richtig versteht und ihn so akzeptiert, wie er ist.
Kritik
Paul Rudd wandelt auf den Spuren von Jeff Bridges‘ „The Dude“ Lebowski, nur gutmütiger und ein ganzes Stück naiver. Trotz der illustren weiblichen Nebenbesetzung ist Our Idiot Brother Paul Rudds Film vom Anfang bis zum Ende, was einerseits eine Stärke ist, sich aber manchmal auch negativ niederschlägt. Rudd, der dafür bekannt ist, seine ganze Karriere lang die gleiche Rolle zu spielen – einen netten Kerl von Nebenan, der vom Pech verfolgt ist (und versteht mich nicht falsch, diese Art Rolle hat er auch sehr gut drauf) – bekommt hier tatsächlich eine Herausforderung. Allein visuell ist die Rolle eine große Transformation für ihn. Mit langen Haaren und Zottelbart ausgestattet, ist Rudd weit entfernt von seinen anderen, üblich glatt rasierten und smart aussehenden Charakteren. Über die visuelle Schiene erfolgt auch die Abtrennung zu seinen früheren Rollen, denn unter seinem Hippie-Äußeren ist es wieder ein ziemlicher Rudd Charakter – nett, menschenfreundlich und absolut sympathisch. Dem Zuschauer ist dies vom Anfang an sehr klar. Bloß seine Familie braucht Zeit, um dahinter zu kommen.
Rudd spielt die Rolle sehr überzeugend, manchmal vielleicht zu überzeugend. Die Sympathien sind immer eindeutig auf seiner Seite, auch wenn er sich mal wieder dämlich anstellt und etwa so viel Verständnis von der Welt zeigt wie Forrest Gump. Man kauft ihm den Charakter leicht ab und seine Naivität und Gutmütigkeit tragen den Film. Die eindimensionale, klischeehafte Darstellung seiner herzlosen Ex-Freundin und die evident dysfunktionellen Leben seiner Schwestern lassen dem Zuschauer auch keine Wahl. Allerdings geht manchmal die Naivität und Leichtgläubigkeit des Hauptcharakters soweit, dass man auch weniger schmeichelhafte Wörter dafür verwenden könnte wie „debil“. So erwischt Ned in einer urkomischen Szene den Ehemann von Liz, herrlich unsympathisch gespielt von Steve Coogan, splitterfasernackt in flagranti mit einer Tänzerin, über die der Dokumentarfilmer eine Doku dreht. Der herzensgute Ned glaubt aber prompt die Ausrede, dies sei ein Ausdruck künstlerischen Schaffens – Fremdgehen kommt ihm wohl nie in den Sinn. So entstehen durch Neds Leichtgläubigkeit und Realitätsferne viele herzhafte Lacher. Bedenkt man aber, dass der Film nicht im Klamauk, sondern im echten Leben verwurzelt sein soll, könnte man zu Recht behaupten, dass Neds Eigenschaften doch zu überspitzt sind. Dank Rudd bleibt der Charakter aber im Großen und Ganzen glaubwürdig und ein enormer Sympathieträger.
Im Gegensatz zu ihm kommen seine Schwestern weniger gut davon. Die Charaktere sind als Stereotype oberflächlich interessant konzipiert, aber mit wenig Tiefe oder Facetten ausgestattet. Wir haben Miranda, die rücksichtslose Karrierefrau, Natalie, die chaotische und verwirrte bisexuelle Künstlerin und Liz, die unglückliche Hausfrau. Viel tiefer als diese Beschreibungen gehen die Darstellungen auch nicht, obwohl sich die Schauspielerinnen größte Mühe geben. Es ist eben Rudds Film und sie dienen bloß als Wegbereiter für seine Erkenntnisse und als Kontrast zu seiner sorglosen Persönlichkeit. Emily Mortimer als betrogene Ehefrau hinterlässt noch den bemerkenswertesten Eindruck, unter anderem dank ihrem Zwischenspiel mit Coogan, während Banks‘ Miranda nur eine Karikatur ist.
Der Regisseur Jesse Peretz ist offensichtlich ein großer Fan von Woody Allen, denn nach dem Muster von Allens Filmen läuft auch Our Idiot Brother ab. Ein Charakter durchwandert verschiedene Stationen in einer scheinbar perfekten großen Familie und enthüllt nach und nach die Probleme, die Sorgen und die Konflikte unter der Oberfläche. Die Familienszenen und die Dialogen erinnern stets stark nach Allen und ebenso die sehr unaufgeregte und unspektakuläre Art, in der sich der Film präsentiert. Der Streifen ist weit von Allens Primetime entfernt, kann aber mit vielen seiner neueren Filme Schritt halten und ist ein deutliches Stück besser als einige andere Imitatoren wie z. B. Liebe ist Nervensache (OT: Trust the Man).
Fazit
The Dude trifft auf Forrest Gump. Als naiver und sorgloser Hippie trägt Paul Rudd diese federleichte und unterhaltsame Independent-Komödie problemlos auf seinen Schultern.
Trailer
https://youtu.be/nFAtSjC2qhE