
Das Jahr 2012 ist vorüber und damit geht auch die Anfangsphase des alljährlichen Oscar-Rennens zu Ende. Die meisten Kritikerpreise sind verliehen, die Golden-Globe-Nominierungen bekannt und die Schauspielergewerkschaft Screen Actors Guild hat ihre, für das Rennen sehr relevante Nominierungen ebenfalls verkündet. Nun gilt es, ein Resümee zu ziehen und zu fundierten Schlüssen bezüglich der kommenden Academy Awards zu kommen. Am 10. Januar 2013, zum ersten Mal noch vor der Bekanntgabe der Golden-Globe-Gewinner, werden die Oscar-Nominierungen bekanntgegeben.
Bis dahin erwartet Euch eine dreiteilige Vorschau auf die stärksten Kandidaten und die wahrscheinlichen Nominees in den acht "Hauptkategorien". Gemeint sind damit die beiden Drehbuchkategorien (original und adaptiert), die vier Schauspielkategorien, Regie und, natürlich, Bester Film.
Im ersten Teil wende ich mich den Drehbüchern zu. Diese korrelieren seit der Aufstockung der Bester-Film-Kategorie auf mehr als fünf Filme sehr stark mit den Bester Film-nominierten Filmen und sind ein Hinweis auf die Stärke der Kandidaten für "Bester Film". Davor war es eine Seltenheit, dass einer der fünf nominierten Filme in der Kategorie "Bester Film" nicht auch für das Drehbuch nominiert wurde (durch die Aufteilung in Originaldrehbuch und adaptiertes Drehbuch ergaben sich vor 2009 ja zehn Plätze für nur fünf Bester-Film-Nominierten). Ohne eine Drehbuch-Nominierung zu gewinnen ist natürlich noch schwieriger. Der letzte Film, dem es gelang, war Titanic vor 15 Jahren, davor Meine Lieder – meine Träume (OT: The Sound of Music) bei der Verleihung im Jahre 1966.
Letztes Jahr gab es eine ungewöhnliche Diskrepanz zwischen den Drehbuchkategorien und der Kategorie "Bester Film". Nur fünf Kandidaten in der letzten Kategorie (The Artist, Hugo Cabret, The Descendants, Moneyball und Midnight in Paris) ergatterten jeweils eine Drehbuchnominierung. Im Jahr zuvor hingegen, wurden neun der zehn Bester-Film-nominierten Filme auch für das Drehbuch nominiert (alle mit der Ausnahme von Black Swan). 2009 schafften es acht von zehn Filmen (Avatar und The Blind Side verpassten hier die Nominierung). Davor muss man gar bis 2004 zurückgehen, um unter den fünf Bester-Film-Kandidaten einen zu finden, der nicht für das Drehbuch nominiert wurde (Ray).
Die Besonderheit dieses Jahr ist, dass die meisten Filme, die für den Besten Film im Rennen sind, auf bereits exisitierendem Material beruhen. Das bedeutet, dass es einen sehr heißen Kampf in der Kategorie "Bestes adaptiertes Drehbuch" gibt, welches höchstwahrscheinlich nur von den Top-Oscar-Favoriten ausgefüllt werden wird. Hingegen ist die Kategorie "Bestes Originaldrehbuch" viel offener und könnte daher die eine oder andere Überraschung hervorbringen.
Doch nun zu den Einzelkategorien.
Bestes Originaldrehbuch
Wie schon eingangs erwähnt, handelt es sich um die KAtegorie, in der Überraschungen möglich sind. Von den wahrscheinlichsten Kandidaten für die Kategorie "Bester Film" sind nur wenige Verfilmungen von Originaldrehbüchern. Diese wenigen sind dafür natürlich die stärksten Kandidaten in dieser Kategorie, die primär von zwei Filmen dominiert werden wird.
Sichere Kandidaten


Wahrscheinliche Kandidaten


Weitere Anwärter
Paul Thomas Anderson (The Master) – Wäre The Master ein stärkerer Kandidat in der Bester-Film-Kategorie, dann hätte ich die Chancen des Drehbuchs, das immerhin von den Kritikern aus San Diego als das beste Originaldrehbuch des Jahres prämiert wurde, höher eingestuft. Doch während die drei Darsteller aus dem Film viel Lob einheimsen, steht es um den Streifen selbst weniger gut. Es ist auch ein Film, bei dem die Regiearbeit, die technischen Aspekte und das Schauspielensemble im Fokus stehen und das Drehbuch im Hintergrund bleibt. So kann man natürlich nicht ausschließen, dass insbesondere in dieser offenen Kategorie The Master nominiert werfen wird, doch sehr wahrscheinlich ist es momentan nicht.
Nicholas Jarecki (Arbitrage) – Nicholas Jareckis Regiedebüt hat bislang vor allem verdienten Lob für die Performance von Richard Gere erhalten, doch eine Überraschungsnominierung für das Drehbuch ist angesichts der offenen Kategorie und der Vielschichtigkeit des Stoffs ist möglich. Schließlich hat der thematisch nicht so weit entfertne Der große Crash letztes Jahr ebenfalls eine Nominierung für das Drehbuch ergattert.
John Gatins (Flight) – Bislang hat Gatins Script nur eine nennenswerte Nominierung bekommen, und zwar von der Broadcast Film Critics Association. Dennoch würde ich dieses sehr traditionelle Drehbuch nicht unterschätzen. Wie bei Arbitrage gilt die Aufmerksamkeit vor allem dem Hauptdarsteller des Films, doch auch das moralisierende Drehbuch könnte in dieser schwachen Kategorie genau das sein, was den Academy-Wählern gefällt.
Außenseitertipp

Vorhersage:
Django Unchained
Liebe
Looper
Moonrise Kingdom
Zero Dark Thirty
Bestes adaptiertes Drehbuch
Wie bereits angesprochen, wird diese Kategorie mit ziemlicher Sicherheit von Bester-Film-Anwärtern dominiert werden. Natürlich sind Überrschungen immer möglich, doch hier wird es wohl eher bei der Frage bleiben, welcher Bester-Film-Kandidat keine Nom für sein adaptiertes Drehbuch ergattern wird.
Sichere Kandidaten
David O. Russell (Silver Linings – Wenn Du mir, dann ich Dir) – Es wird ein knappes Rennen für den Sieg in dieser Kategorie zwischen Silver Linings, der den üblichen Spot einer umjubelten Drama/Komödie einnimmt und Lincoln. David O. Russell hat bereits vor zwei Jahren für The Fighter seine erste Oscar-Nominierung als Regisseur erhalten. Hier wird er für das Drehbuch mit Sicherheit nicht übergangen werden. Sein Drehbuch gewann bereits Preise der Filmkritiker aus Washington DC, St. Louis und Detroit sowie den Preis für das beste adaptierte Drehbuch von der National Board of Review.
Tony Kushner (Lincoln) – Das Drehbuch zu einem der absoluten Oscarfavoriten des Jahres hat eine Nominierung bei den Oscars sicher. Kushner, der bereits für Spielbergs München nominiert war, gewann für seine Arbeit an Lincoln bereits die Preise der Filmkritikerverbände von Boston, New York und Chicago. Ferner wurde das Drehbuch bei den Golden Globes nominiert, ebenso wie von der Broadcast Film Critics Association. Es ist also nicht die Frage, ob Kushners Drehbuch bei den Oscars nominiert werden wird, sondern ob irgendein anderer Film überhaupt die Chance hat, ihm die Trophäe wegzuschnappen.
Chris Terrio (Argo) – Ben Afflecks Film hat zwar nur einige kleinere Preise für sein Drehbuch bei einigen regionalen Preisverleihungen gewonnen, doch der Publikums- und Kritikerliebling wird sicherlich eine prominente Rolle in diesem Rennen spielen. Schließlich ist der Film einer der fünf stärksten Kandidaten.
Wahrscheinliche Kandidaten
Dave Magee (Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger) – Auch das Drehbuch zu Ang Lees neustem Film wäre unter den sicheren Kandidaten, hätte der Film nicht an Fahrt verloren in den letzten Wochen. Obwohl er immer noch als ein sicherer Kandidat für die Nominierung als Bester Flm gilt, kann er es nicht mit Silver Linings, Argo oder Lincoln aufnehmen. Im Gegensatz zu diesen drei hat Life of Pi keine Nomnierung für sein Drehbuch bei den Golden Globes erhalten und auch von den Kritikerverbänden wurde das Drehbuch nur mit Nominierungen, aber nicht mit Siegen versehen. Dennoch sollte es in die Endauswahl schaffen, allein aufgrund der sonstigen Stärke des Films.
Weitere Anwärter
Benh Zeitlin, Lucy Alibar (Beasts of the Southern Wild) – Ein weiterer Bester-Film-Kandidat und ein ungewöhnliches Drehbuch. Jedoch wurde es bislang bei den Kritikerverbänden größtenteils ignoriert. Bei den Golden Globes, und von der Broadcast Film Critics Association gab es für den Sundance-Sieger keine Nominierung für das Drehbuch. Dennoch ist es einfach sehr vom Vorteil im Gegensatz zu anderen Konkurrenten auch im Rennen um den Besten Film zu sein.
William Nicholson (Les Misérables) – Obwohl Les Misérables nun doch etwas schlechter ankam als erwartet, bleibt der Film dennoch stark im Oscar-Rennen. Lediglich die Chance auf den großen Preis hat er kaum noch. Erschwerend kommt hier hinzu, dass Musicals es in letzter Zeit sehr schwer haben, eine Drehbuchnominierung zu erhalten. Seit 1979 wurde nur ein einziges Musical fr sein Drehbuch nominiert, und zwar Chicago, der in seinem Jahr der absolute Favorit für den Sieg bei den Oscars war (und letztlich auch Bester Film wurde). Andere große Oscar-Musicals wie Moulin Rouge! und Dreamgirls erhielten keine Drehbuch-Nominierung. Daher erscheint dies auch für Les Misérables als nicht sehr wahrscheinlich.
Ben Lewin (The Sessions) – In Lewins Film stehen vor allem die Schauspieler im Fokus und weniger das Drehbuch. Sollte die Academy aber viel Gefallen an der Verfilmung der wahren Geschichte finden, so könnte auch das Drehbuch unter die Nominierten reinrutschen.
Außenseitertipp

Vorhersage:
Argo
Beasts of the Southern Wild
Life of Pi – Schiffbruch mir Tiger
Lincoln
Silver Linings – Wenn Du mir, dann ich Dir
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In Teil 2 erwartet Euch demnächst ein Ausblick auf die vier Schauspielkategorien. Bis bald!








