Oscars 2023: Unsere finalen Tipps und Gedanken

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Oscars 2023 Tipps

Heute Nacht werden in Los Angeles zum 95. Mal die Oscars verliehen und ich werde sie natürlich wieder live im Fernsehen mitverfolgen. Schließlich habe ich seit 2000 keine Verleihung mehr verpasst und nachdem die Corona-Flaute, die mir 2020/2021 jeglichen Spaß an den Oscars geraubt hat, überwunden war, freue ich mich wieder aufrichtig, die magische Nacht (ja, ja, Ihr Zyniker, bei aller Kritik an den Oscars ist sie das für mich immer noch) wieder mitzuerleben.

Werbe-Platzhalter. Von irgendwas müssen wir auch leben ;-)

Abschließend noch meine finalen Tipps in allen 24 Kategorien sowie meine persönlichen Favoriten, die ich jedoch nur angegeben habe, wenn ich mindestens drei Nominees aus der Kategorie gesehen habe:

Bester Film

In den 29 Jahren, in denen die Produzentengewerkschaft, die Regiegewerkschaft DGA, die Autorengewerkschaft WGA und die Schauspielergewerkschaft SAG jährlich ihre Preise verleihen, haben nur fünf Filme bei allen vier großen Industrie-Gewerkschaften, deren Mitglieder einen großen Anteil der Oscarwähler bilden, gewonnen. Vier davon (American Beauty, No Country for Old Men, Slumdog Millionär und Argo) haben auch den "Bester Film"-Oscar gewonnen. Der fünfte ist Everything Everywhere All at Once, der wie eine Dampfwalze die Konkurrenz der diesjährigen Oscar-Saison plattgemacht und kürzlich Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs als meistprämierten Film in der Geschichte Hollywoods abgelöst hat. Sicherer kann ein Oscarsieg eigentlich nicht sein.

Und doch… Es besteht eine winzig kleine Chance, dass die Academy, deren Altersschnitt immer noch recht hoch ist, mit dem innovativen, durchgeknallten Trip des Daniels-Regieduos nicht so viel anfangen kann und zugleich mit der Auszeichnung für Im Westen nichts Neues ein Zeichen gegen den Ukraine-Krieg setzen wird. Bei den BAFTAs, den britischen Oscars, wurde Im Westen nichts Neues siebenmal ausgezeichnet, darunter als "Bester Film". Das gibt zu denken. Doch letztlich bleibt die Chance marginal und ohne Nominierungen für die Regie, den Schnitt und die Darsteller ist Im Westen nichts Neues in keiner guten Position. Eine Niederlage für Everything Everywhere All at Once wäre nach seinen unzähligen Siegen bei allen erdenklichen Industriepreisen historisch und das ist nicht die Art Geschichte, die die Academy schreiben will. Mich persönlich freut es sehr, dass ein Film, in dem Leute auf Buttplugs springen und der eine Ratatouille-Parodie mit einem Waschbären enthält, überhaupt zum Favoritenstatus gekommen ist.

Wird gewinnen: Everything Everywhere All at Once
Sollte gewinnen: Everything Everywhere All at Once

Beste Regie

Zu Beginn der Oscar-Saison sah es noch danach aus, als könnte Steven Spielberg mit seinem autobiografischen Film Die Fabelmans seinen dritten Regie-Oscar gewinnen, insbesondere nachdem die Golden Globes ihn ausgezeichnet haben. Doch das Duo Daniel Scheinert und Daniel Kwan haben in den letzten Wochen mit Siegen bei der Regiegewerkschaft, den Critics Choice Awards und den Independent Spirit Awards ihren Favoritenstatus zementiert. Ein Hoch auf Originalität!

Werden gewinnen: Daniel Kwan und Daniel Scheinert (Everything Everywhere All at Once)
Sollten gewinnen: Daniel Kwan und Daniel Scheinert (Everything Everywhere All at Once)

Bester Hauptdarsteller

In drei der vier Schauspielerkategorien ist das Rennen sehr knapp und es ist wirklich erfrischend, dass die Kategorien noch so offen sind und die Spannung bleibt. Colin Farrell und Austin Butler gewannen die Golden Globes in den Kategorien Komödie bzw. Drama und Butler überraschte mit einem Sieg bei den BAFTAs gegen britische und irische Konkurrenten, die Heimvorteil hatten. Doch Brendan Fraser hat mit The Whale bei den Critics Choice Awards und vor allem bei der Schauspielergewerkschaft SAG gewonnen und hat definitiv die meisten Sympathiepunkte dieses Jahr dank seiner Comeback-Story gesammelt. Sein Film wird häufig mit Darren Aronofskys The Wrestler verglichen, dessen Star Mickey Rourke trotz ähnlicher Comeback-Geschichte gegen Sean Penn (Milk) verloren hat. Gegen Fraser spricht, dass sein Film im Gegensatz zu Farrells und Butlers nicht als "Bester Film" nominiert ist. Seit 2010 hat kein Schauspieler den Hauptdarsteller-Oscar gewonnen, wenn sein Film nicht auch nominiert war. Weil die Academy gerne Darsteller aus Musiker-Biopics auszeichnet (siehe Jamie Foxx oder Rami Malek), könnte Butler die Nase vorn haben, doch sein junges Alter könnte ihm im Weg stehen, während Fraser mit seinen ergreifenden Reden immer wieder zu Tränen rührte.

Wird gewinnen: Brendan Fraser (The Whale)
Sollte gewinnen: Colin Farrell (The Banshees of Inisherin)

Beste Hauptdarstellerin

Seit sie bei den Filmfestspielen von Venedig für ihre monumentale Performance in Tár prämiert wurde, war Cate Blanchett lange Zeit die haushohe Favoritin im Oscar-Rennen. Sie gewann den Globe, den BAFTA und den Critics Choice Award. In nahezu jedem anderen Jahr hätte sie gewonnen. Doch das Blatt wendet sich zu Gunsten von Michelle Yeoh seit sie überraschend den Preis der Schauspielergewerkschaft gewonnen hat. Wird die Academy in einem Jahr, in dem 16 der 20 Schauspielerinnen und Schauspieler erstmals nominiert sind, Blanchett ihren dritten Oscar geben oder Yeoh auszeichnen und mit dem ersten Hauptdarstellerin-Oscar für eine asiatische Schauspielerin sowie dem zweiten Hauptdarstellerin-Oscar überhaupt für eine Woman of Color Geschichte schreiben? Ich kenne meine Antwort darauf.

Wird gewinnen: Michelle Yeoh (Everything Everywhere All at Once)
Sollte gewinnen: Michelle Yeoh (Everything Everywhere All at Once)

Bester Nebendarsteller

Wir machen das kurz, denn in dieser Kategorie gab es die ganze Zeit nur einen Favoriten, der, bis auf den BAFTA, jeden erdenklichen Preis gewonnen hat und ebenfalls eine rührende Comeback-Geschichte vorzuweisen hat.

Wird gewinnen: Ke Huy Quan (Everything Everywhere All at Once)
Sollte gewinnen: Ke Huy Quan (Everything Everywhere All at Once)

Beste Nebendarstellerin

In dieser Kategorie ist das Rennen hingegen sehr offen. Angela Bassett wurde für Black Panther: Wakanda Forever mit dem Golden Globe und dem Critics Choice Award ausgezeichnet und als erste Marvel-Darstellerin überhaupt für einen Oscar nominiert. Es wäre eine tolle Gelegenheit, die Schauspielveteranin für ihr Lebenswerk auszuzeichnen, doch die Globes und die Critics Choice Awards sind letztlich Kritikerpreise ohne Überschneidungen mit den Oscars. Als es dann ans Eingemachte ging, hat Kerry Condon mit The Banshees of Inisherin bei den BAFTAs gewonnen und Jamie Lee Curtis mit Everything Everywhere All at Once bei der SAG. Alle drei haben gute Chancen, doch ich denke nicht, dass The Banshees of Inisherin ganz leer ausgehen wird und in dieser Kategorie hat er vermutlich die besten Chancen.

Wird gewinnen: Kerry Condon (The Banshees of Inisherin)
Sollte gewinnen: Kerry Condon (The Banshees of Inisherin)

Bestes Originaldrehbuch

Die Daniels haben den WGA Award der Autorengewerkschaft gewonnen, doch Martin McDonaghs The Banshees of Inisherin war für eine Nominierung unzulässig und deshalb konkurrierten sie auch nicht gegeneinander. Bei den Oscars tun sie es und es ist ein knappes Rennen. Wie gesagt, ich gehe nicht davon aus, dass The Banshees of Inisherin komplett leer ausgehen wird. Wenn er den Nebendarstellerin-Oscar nicht bekommen wird, dann wird er für sein Drehbuch gewinnen. Aktuell geben ich aber Everything knapp den Vorzug.

Wird gewinnen: Daniel Kwan und Daniel Scheinert (Everything Everywhere All at Once)
Sollte gewinnen: Daniel Kwan und Daniel Scheinert (Everything Everywhere All at Once)

Bestes adaptiertes Drehbuch

Sarah Polleys Die Aussprache hat den WGA Award und den USC Scripter Award gewonnen, zwei gute Prädiktoren dieses Oscars, doch Im Westen nichts Neues, der den BAFTA gewonnen hat, wurde, wie auch Banshees, von der WGA wegen Unzulässigkeit ausgeschlossen. Wenn die Academy den Kriegsfilm wirklich liebt, könnte er hier gewinnen, doch Polleys Drehbuch zu Die Aussprache ist genau die Art dialogreiches Drehbuch, das die Academy gerne prämiert.

Wird gewinnen: Sarah Polley (Die Aussprache)
Sollte gewinnen: Sarah Polley (Die Aussprache)

Bester internationaler Film

Trotz einer starken Auswahl an Filmen ist Netflix' Im Westen nichts Neues, der in acht weiteren Kategorien nominiert hier, konkurrenzloser Favorit und wird Deutschland den ersten Oscar seit 16 Jahren einbringen.

Wird gewinnen: Im Westen nichts Neues
Sollte gewinnen: Keine Angabe

Bester Dokumentarfilm

Hier wird es spannend, denn Laura Poitras All the Beauty and the Bloodshed hat den Goldenen Löwen in Venedig gewonnen und Poitras hat zuvor mit CitizenFour schon den Doku-Oscar gewonnen, doch Fire of Love ist deutlich zugänglicher, während Nawalny politisch einfach die naheliegende Wahl in der aktuellen Zeit ist und den Zeitgeist trifft.

Wird gewinnen: Nawalny
Sollte gewinnen: Keine Angabe

Bester Animationsfilm

Pixar hat in der Kategorie normalerweise die Nase vorn und ist diesmal mit Rot mit dabei, doch Guillermo del Toros Pinocchio ist der eindeutige Favorit und hat die meisten Animationsfilm-Preise im Vorfeld abgeräumt

Wird gewinnen: Guillermo del Toros Pinocchio
Sollte gewinnen: Keine Angabe

Bester animierter Kurzfilm

Wird gewinnen: Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd
Sollte gewinnen: Keine Angabe

Bester Dokumentar-Kurzfilm

Wird gewinnen: Stranger at the Gate
Sollte gewinnen: Keine Angabe

Bester Kurzfilm

Wird gewinnen: An Irish Goodbye
Sollte gewinnen: Keine Angabe

Beste visuelle Effekte

Wie hieß es so schön in Highlander? Es kann nur einen geben!

Wird gewinnen: Avatar: The Way of Water
Sollte gewinnen: Avatar: The Way of Water

Beste Kamera

Wenn wir ehrlich sind, wurde die beste Kameraarbeit 2022 gar nicht nominiert. Das wäre nämlich Claudio Miranda mit Top Gun: Maverick. Roger Deakins ist mit Empire of Light zum zigsten Mal dabei, doch er wird seinen Oscar nicht für einen Film gewinnen, den niemand gesehen hat. Mandy Walker hat mit ihrem Sieg beim Verband der Kameraleute ASC als erste Frau Geschichte geschrieben und könnte es bei den Oscars wiederholen, doch es gilt zu bedenken, dass auf den Wahlzetteln nur Filmtitel und keine Namen stehen. Im Westen nichts Neues wurde von der ASC nicht einmal nominiert, hat aber den BAFTA gewonnen und scheint genau die Art Film zu sein, die die Academy in der Kategorie vorzieht.

Wird gewinnen: James Friend (Im Westen nichts Neues)
Sollte gewinnen: James Friend (Im Westen nichts Neues)

Bester Schnitt

Hier ist es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Everything Everywhere All at Once und Top Gun: Maverick. Beide haben beim Cutter-Verband ACE gewonnen und Everything holte seinen einzigen BAFTA in der Schnitt-Kategorie. Doch ich habe das Gefühl, dass die Academy Maverick einige technische Preise geben wird, insbesondere nachdem er für seine Kamera schockierenderweise nicht einmal nominiert wurde.

Wird gewinnen: Top Gun: Maverick
Sollte gewinnen: Everything Everywhere All at Once

Bester Ton

Blockbuster haben immer besonders gute Chancen in der Kategorie, erst Recht, wenn sie auch als "Bester Film" nominiert sind. Normalerweise haben Kriegsfilme einen Vorteil hier, doch Maverick sollte unschlagbar sein,. Überraschen könnte jedoch Elvis.

Wird gewinnen: Top Gun: Maverick
Sollte gewinnen: Top Gun: Maverick

Beste Kostüme

Hier ist das Rennen offen. Everything Everywhere All at Once und Elvis wurden von der Gewerkschaft der Kostümbildner CDG ausgezeichnet, Elvis auch von der BAFTA. Black Panther: Wakanda Forever hat tolle Kostüme und der Vorgänger hat auch schon gewonnen und in Mrs. Harris und das Kleid von Dior geht es primär um Mode, doch den Film haben vermutlich nicht genug WählerInnen gesehen. Letztlich sollte man Baz Luhrmanns Filme in der Kategorie nie unterschätzen, denn auch Moulin Rouge und Der große Gatsby haben darin gewonnen.

Wird gewinnen: Elvis
Sollte gewinnen: Mrs. Harris und das Kleid von Dior

Bestes Szenenbild

Das ist die Kategorie, in der Babylon wirklich glänzen kann und hat nicht umsonst schon den BAFTA und den Preis der Szenenbildner-Gewerkschaft gewonnen.

Wird gewinnen: Babylon – Rausch der Ekstase
Sollte gewinnen: Babylon – Rausch der Ekstase

Beste Filmmusik

John Williams ist mit Die Fabelmans zum 53. (!) Mal nominiert, gewonnen hat er jedoch seit fast 30 Jahren nicht mehr. Das wäre die perfekte Gelegenheit, ihn und Die Fabelmans zu ehren. Doch Volker Bertelmann alias Hauschka hat einen gewaltigen Score zu Im Westen nichts Neues beigesteuert, der viel von der bedrückenden Stimmung des Films ausmacht. Mein persönlicher Favorit ist jedoch Justin Hurwitz' Komposition für Babylon, die ihm immerhin den Golden Globe eingebracht hat.

Wird gewinnen: John Williams (Die Fabelmans)
Sollte gewinnen: Justin Hurwitz (Babylon – Rausch der Ekstase)

Bestes Filmlied

Diane Warren hat bereits einen Grammy, einen Emmy und zwei Golden Globes gewonnen, jedoch keinen Oscar trotz 13 Nominierungen in Vergangenheit. Auch mit ihrer 14. Nominierung wird sie nicht gewinnen, nicht für einen Film, den kein Mensch gesehen hat. Außerdem wurde sie kürzlich erst mit dem Oscar für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Mit Lady Gaga ("Hold My Hand") und Rihanna ("Lift Me Up") sind zwei Musik-Superstars dabei, doch die Sympathien gehören dieses Jahr eindeutig "Naatu Naatu" aus dem indischen Megahit RRR.

Wird gewinnen: "Naatu Naatu" (RRR)
Sollte gewinnen: "Hold My Hand" (Top Gun: Maverick)

Bestes Make-up

Elvis gewann den BAFTA und zwei Auszeichnungen vom Verband der Maskenbildner, doch auch The Whale wurde von dem Verband ausgezeichnet und könnte das Rennen machen. Es ist wirklich 50/50 zwischen den beiden, doch mein persönlicher Favorit ist ein ganz anderer.

Wird gewinnen: Elvis
Sollte gewinnen: The Batman

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