Neue Studie zeigt: Streaming-Dienste schaden Kinos nicht

Quelle: Variety

Als Film- und Serienfans leben wir in einer Zeit, die vor zehn Jahren kaum noch vorstellbar war. Zu vergleichbar niedrigen monatlichen Abo-Kosten stehen uns jederzeit und überall, wo es Internet gibt, riesige Mengen an Film- und Serieninhalten zur Verfügung. Allein Netflix investiert jedes Jahr mehrere Milliarden US-Dollar in die Produktion eigener Serien und Filme  – zusätzlich zu dem Erwerb der Streaminglizenzen für unzählige Fremdproduktionen. Es ist das Zeitalter der medialen Übersättigung.

Doch nicht alle Cineasten sind vom großen Erfolg von Netflix, Amazon Prime und anderen Streaming-Anbietern begeistert. Viele beklagen, dass durch sie diverse interessante Serien und Filme sehr spät oder gar nicht mehr auf DVD und Blu-ray veröffentlicht werden. Außerdem haben einige die Befürchtung, dass die Streaming-Dienste Kinos den Rang ablaufen könnten. Die weit verbreitete Annahme ist, dass die Streamer in direkter Konkurrenz mit dem Kinogeschäft stehen. Wenn man letztlich die Möglichkeit hat, komfortabel in eigenen vier Wänden neue Filme und Serien zu einem niedrigen Preis zu genießen, sinkt möglicherweise die Motivation, zum Teil horrende Preise für Kinotickets zu zahlen, um dann auch noch unter anderen Kinogängern zu leiden, die während der Filme den Mund nicht halten oder ihre Handys nicht ausschalten können.

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Als leidenschaftlicher Kinofan, wie ich mich mit mehr als 300 Kinobesuchen alleine in diesem Jahr mit gutem Gewissen bezeichnen würde, finde ich es wirklich traurig, dass ich diverse interessante Netflix-Filme nie auf der großen Leinwand sehen werde. Zwar öffnet sich Netflix nach und nach den Kino-Premieren der eigenen Filme kurz vor ihrem offiziellen Online-Release – so aktuell Alfonso Cuaróns Oscarkanaidat Roma (übrigens ein Muss im Kino!) – doch betrifft es weiterhin nur einen kleinen Prozentsatz der Netflix-Eigenproduktionen.

Eine neue in den USA durchgeführte Umfrage scheint jedoch die Annahme, Netflix und Co würden Kinos direkt schaden, zu widerlegen. Im Auftrag des nationalen Verbandes von Kinobesitzern der USA hat das Meinungsforschungsinstitut EY’s Quantitative Economics and Statistics Group im November eine repräsentative Umfrage an 2500 Teilnehmern durchgeführt. Das Ergebnis: Wer häufiger ins Kino geht, streamt auch mehr Serien und Filme. Natürlich ist es ein korrelativer und kein kausaler Zusammenhang, doch er widerspricht augenscheinlich der Vermutung, dass wenn man viele Filme streamt, man weniger ins Kino geht.

Die Teilnehmer der Studie, die im Laufe des Jahres neunmal oder häufiger im Kino waren, haben im Schnitt 11 Stunden pro Woche Streaming-Dienste wie Netflix genutzt. Wer aber dieses Jahr nur ein- oder zweimal im Kino war, streamte pro Woche nur sieben Stunden.

Etwa 20% der Teilnehmer waren 2018 kein einziges Mal im Kino und etwa die Hälfte von ihnen hat dieses Jahr auch gar keine Streaming-Dienste genutzt. Nur 18% derjenigen, die dieses Jahr nicht im Kino waren, streamten mindestens acht Stunden pro Woche Serien oder Filme.

Die Studie zeigt außerdem, dass Teenager die Kinos zugunsten von Streaming-Diensten nicht aufgegeben haben. Die Altersgruppe 13 bis 17 kam im Schnitt auf 7,3 Kinobesuche im Jahr und 9,2 Streaming-Stunden pro Woche. Beide Werte waren jeweils höher als in jeder anderen Gruppe. Am seltensten gingen die Teilnehmer aus der Altersgruppe 18 bis 37 ins Kino (nur sechsmal dieses Jahr).

Auch wenn die Ergebnisse vielleicht etwas überraschend wirken, so sind sie es eigentlich nicht. Im Prinzip sagt die Studie aus, dass wer Filme gerne schaut, sie auch über alle möglichen Plattformen konsumiert – ob im Kino oder daheim.

Es versteht sich jedoch von selbst, dass die zeitlichen und monetären Ressourcen der Menschen nicht unbegrenzt sind und irgendwo Abstriche gemacht werden müssen. Laut der Studie erfolgten diese vor allem beim Kabelfernsehen in den USA. Dieses Jahr soll die Anzahl der Menschen, die in den USA ihre Pay-TV-Abos gekündigt haben, um mehr als 30% steigen. Und natürlich gibt es keine Zweifel, dass Streaming-Dienste direkt den Tod von herkömmlichen Videotheken herbeigeführt haben.

Selbstverständlich darf man nicht vergessen, dass sich diese Ergebnisse auf das Streaming- und Kinogängerverhalten in den USA beziehen und nicht zwingend auch für das deutsche Publikum gelten müssen. Genau genommen habe ich den Eindruck, dass die Kinokultur in Deutschland deutlich weniger ausgeprägt ist als in den USA oder aber auch bei unseren Nachbarn in Frankreich. Die Besucherzahlen der deutschen Kinos in den letzten zwei Jahren waren jedenfalls miserabel und dieses Jahr steuert möglicherweise auf neuen Negativrekord zu.

Ich nutze zwar selbst drei Streaming-Dienste, doch negative Auswirkungen auf mein Kinogängerverhalten werden sie vermutlich nie haben. Die Auswirkungen, die ich bei mir persönlich beobachte, betreffen die Käufe für meine private Filmsammlung, die in den letzten Jahren erheblich abgenommen haben.

Haben Netflix und Co etwas an Eurem Kauf- oder Kinobesuchsverhalten geändert?

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