Gemini Man, CN/USA 2019 • 117 Min • Regie: Ang Lee • Mit: Will Smith, Mary Elizabeth Winstead, Clive Owen, Benedict Wong • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 3.10.2019 • Website
Handlung
Henry Brogan (Will Smith) ist der Beste seines Fachs. Für die den US-Geheimdienst Defense Intelligence Agency (DIA) hat er während seiner Laufbahn als Auftragskiller mehr als 70 Zielpersonen mit höchster Präzision eliminiert. Damit soll jedoch Schluss sein. Nicht nur das Alter holt Henry ein, sondern auch die Schuldgefühle wegen seiner Taten lasten schwer auf ihm. Nachdem ein Auftrag beinahe böse schiefgegangen ist, quittiert er den Dienst und setzt sich zur Ruhe. Leider findet er jedoch heraus, dass er bei seiner letzten Mission von seinen Auftraggebern hinters Licht geführt wurde und er anstelle eines Terroristen einen renommierten Wissenschaftler ins Jenseits befördert hat. Dieses Wissen macht ihn zu einer Bedrohung fürs DIA. Henry und alle, die mit ihm in Verbindung stehen, müssen beseitigt werden. Der herkömmliche Weg scheitert: Henry dezimiert mühelos die entsandte Spezialeinheit und flieht mit der DIA-Agentin Danny (Mary Elizabeth Winstead), die zur Beobachtung auf ihn angesetzt wurde, im Schlepptau. Das DIA ist nun gezwungen, zu drastischen Mitteln zu greifen. Clay Varris (Clive Owen), der skrupellose Leiter der Söldnerfirma Gemini, setzt seine Geheimwaffe gegen Herny ein: ihn selbst. Vor 25 Jahren hat Varris Henry heimlich klonen lassen, ihn wie einen Sohn großgezogen und zu einer perfekten Waffe ausgebildet. Nun soll Junior (Will Smith), der nichts von seiner Herkunft ahnt, Henry und Danny auslöschen. Es beginnt ein Kampf der Erfahrung gegen jugendliche Kraft.
Kritik
In der heutigen Zeit sind wir es inzwischen gewohnt, dass jede auch noch so ausgefallene Fantasie mittels modernster Effekte auf die Leinwand gebannt werden kann. Doch das war nicht immer so. Es gab in Vergangenheit immer wieder Filmideen, die der Technologie für ihre Umsetzung zeitlich voraus waren. Aus diesem Grund hat Stanley Kubrick sein Traumprojekt A.I. – Künstliche Intelligenz zu Lebzeiten nicht gedreht. Auch James Cameron schrieb das Drehbuch zu Avatar bereits Mitte der Neunziger, noch vor seinem Riesenerfolg mit Titanic, ließ es aber mehr als ein Jahrzehnt in der Schublade, bis die Technik seine Vision eingeholt hat.
Das Drehbuch zu Gemini Man, dem neuen Sci-Fi-Actionfilm mit Will Smith, wurde 1997 an Disney verkauft. Tony Scott (Der Staatsfeind Nr. 1) sollte damals den Film inszenieren. Doch die Effekte waren einfach nicht auf dem nötigen Stand, um glaubwürdig einen deutlich jüngeren Klon des Hauptdarstellers abzubilden. Über 20 Jahre wechselte Gemini Man Regisseure, Autoren, Studios und Stars (darunter Nicolas Cage, Tom Cruise, Harrison Ford, Sean Connery und Mel Gibson), bis der Film in die Hände des Erfolgsproduzenten Jerry Bruckheimer fiel. Nachdem Ang Lee bereits mit den phänomenalen 3D-Effekten von Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger Kinogänger ins Staunen versetzte, legt er mit Gemini Man die Messlatte für photorealistische, computergenerierte Schöpfungen noch höher. Henrys Klon Junior ist kein digital verjüngter Will Smith à la Samuel L. Jackson in Captain Marvel, sondern eine komplett per Motion-Capture-Technologie computergenerierte Schöpfung, die Big Willie aus seinen "Der Prinz von Bel-Air"-Zeiten (nur deutlich, deutlich ernster) wiederbelebt. Doch während die visuellen Effekte Quantensprünge gemacht haben, steckt das Drehbuch von Gemini Man weiterhin hoffnungslos in den Neunzigern fest. Kurz zusammengefasst: Der Film hat mehr von Jerry Bruckheimer als von Ang Lee.



Die Grenzen der visuellen Effekte werden wiederum durch Will Smiths CG-Klon weiter ausgelotet denn je, und in dieser Hinsicht ist der Film wirklich ein Meilenstein. Während es im Kino immer wieder gelungen ist, sehr glaubwürdige CGI-Kreationen wie King Kong, Gollum oder Caesar aus Planet der Affen zu erschaffen, scheiterten computergenerierte Menschen in der Regel am Uncanny-Valley-Effekt. Auch wenn Junior nicht immer perfekt aussieht (im Tageslicht wirkt immer noch etwas falsch), ist er die bislang beste Annäherung an einen echten Menschen und schafft es aufrichtige, glaubwürdige Emotionen zu vermitteln, in einer Rolle, die ironischerweise etwas komplexer ist als die seines älteren Vorbilds.


Der Film hetzt von einer beeindruckenden Actionszenen zur nächsten, bevor der Zuschauer die Gelegenheit bekommt, sich diese Fragen zu stellen, doch bereits kurz nach der Sichtung fällt das Gerüst wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Das kümmert Lee wenig, denn für ihn ist der Streifen ein Spielplatz, um mit den Fortschritten der Technologie zu experimentieren. Gemini Man ist filmisches Fast Food. Er ist unterhaltsam, kurzweilig und zuweilen besonders nett anzusehen, aber nicht ganz, was man von Ang Lee erwarten würde.
Fazit
Mehr Bruckheimer als Lee: Die neuste Technik, die Actionszenen rasant und flüssig und Will Smiths CG-Klon besonders realistisch wirken lässt, kann nur bedingt überdecken, dass das 3D in Gemini Man mehr Tiefe besitzt als das Drehbuch und die Charaktere. Für einen kurzweiligen Filmabend reicht der Streifen aber allemal.

