Aprés mai, F 2012 • 122 Min • Regie: Olivier Assayas • Mit: Clément Métayer, Lola Créton, Félix Armand, India Salvor Menuez • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 30.05.2013
Handlung
Paris, 1971. Gilles (Clément Métayer) ist in den Morgenstunden ein Schüler, der sich gelangweilt in seiner Klasse zurückzieht und Friedenssymbole auf seinen Tisch kratzt. Am Nachmittag frönt er seiner Leidenschaft für die Musik, die Malerei und das Filmemachen. Abends aber wird er erst recht aktiv und druckt für die Unterstützung der Ziele der Gegenkultur Zeitschriften, die er nach der Schule seinen Schulkameraden in die Hand drückt. Er nimmt an regen Debatten in der Schule über die politische Situation in Frankreich teil, die die Studenten als einen rücksichtslosen, brutalen Polizeistaat wahrnehmen. Und im Schutze der Nacht stürmt Gilles zusammen mit seinem Freund Alain (Félix Armand) und seiner Freundin Christine (Lola Créton) das Schulgelände, um systemkritische Parolen an die Gebäude zu sprayen und Poster und Flyer ihrer Bewegung zu hinterlassen. Als bei einer ihrer Aktionen ein Sicherheitsmann durch einen Molotov-Cocktail verletzt wird, fliehen die Freunde Richtung Italien, wo sich Alain in das rothaarige Blumenmädchen Leslie (India Salvor Menuez) aus den USA verliebt. Gilles und Christine wandern indes ziellos durch Italien bis der Jugendliche erkennt, dass er zurück in sein Heimatland muss, um sein Leben in geordnete Bahnen zu lenken…
Kritik
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Aprés Mai, der französische Originaltitel von Something in the Air oder Die wilde Zeit, dem jüngsten Werk des französischen Autorenfilmers Olivier Assayas, ist dessen 2005 erschienenen Autobiographie „Une adolescence dans l’aprés-Mai. Lettre à Alice Debord“ entnommen. In dem Buch schildert der international renommierte Auteur seine Jugend in der Zeit „nach dem Mai“, nach den historischen Ereignissen des Pariser Mais von 1968. In Frankreich war es der Monat, in dem zunehmende Studentenstreiks gegen den politischen Status quo letztlich in einem Generalstreik im ganzen Land mündeten. Doch im Jahr 1971, in dem auch dieser autobiografische Jugendfilm des Regisseurs spielt, ist die Hochzeit der 68er-Bewegung bereits eine sicherlich wirkmächtige, aber nur noch rückblickend romantisierte Ära für die Jugendlichen geworden. Anders als vom reißerischen englischen Verleihtitel des Films, Something in the Air, suggeriert, liegt nun keine Revolution mehr in der Luft. Drogen und freie Liebe haben den progressiven Geist der Jugend im Keim erstickt. Das bietet genug Stoff für ein spannendes Jugendporträt. Doch Assayas’ mal wehmütiger, mal ironischer Rückblick auf sein Dasein als perspektivloser Jugendlicher zu Anfang der 70er verliert sich angesichts unzureichender Figurenzeichnung und erzählerischer Unentschlossenheit zusehends in einer selbstverliebten Nabelschau.
Nach seinem epischen, vielgelobten Terroristen-Biopic Carlos – Der Schakal (2010) kehrt Olivier Assayas mit Die wilde Zeit zurück in die politisch turbulente Zeit der 1970er Jahre. Es ist eine Rückkehr, die mehr noch als bei den bereits sehr persönlichen Filmen aus seinem Oeuvre, dezidiert autobiografischer Natur ist. Es ist auch eine ungleich ruhigere und meditativere Reise in die Vergangenheit, die bisweilen davor zurückschreckt, klare Meinungen über die Zeit zu formulieren. Anders als bei seiner sich an historisch verbürgten Ereignissen entlang hangelnden und deutlich actionlastigeren Chronik Carlos, setzt Assayas hier auf Introspektion und Ruhe, um die kalte Dusche der Resignation und Selbstzerstörung in Folge der nicht eingetretenen, zuvor noch enthusiastisch geforderten Kulturrevolution der 68er zu zeigen. Dabei ist der Ansatz, einer Gruppe attraktiver, redseliger Jugendlichen dabei zuzuschauen, wie sie zu einander und letztlich zu sich selbst finden, für ihn kein neuer. Erinnert doch die sensibel und scheu daherkommende Milieustudie in Die wilde Zeit nicht selten an Assayas’ 1994er Achtungserfolg L’Eau froide.
Das Jugenddrama mit einer jungen Virginie Ledoyen (The Beach) in einer der Hauptrollen hat nicht nur die Namen der Protagonisten gemeinsam mit Die wilde Zeit. Wie eine der längeren Sequenzen in Assayas’ jüngster Regiearbeit spielt auch L’Eau froide auf einer Schülerparty in einem großen Anwesen zu der populären Musik aus Assayas’ eigener Jugend. Dort wie hier folgt er seinen hübschen, aber eher hohlen Alter egos auf ihren emotionalen Wanderungen durch Gebäude, die nach Geschichte und Tradition riechen, aber ihnen in ihrer Identitätsfindung nicht helfen. Das mit Juliette Binoche hochkarätig besetzte Familiendrama L‘Heure D‘Été (2008), ebenso geschrieben und inszeniert von Assayas, endete ähnlich wehmütig. Allerdings erweist sich Assayas’ mal verträumt-hübsche, mal anstrengend unkonkrete Rückschau auf seine Jugend hier als deutlich weniger gelungen. Denn so sehr man auch den zurückhaltend-subtilen Inszenierungsstil des Franzosen schätzen mag, hier tänzelt er dann doch zu oft auf der Oberfläche, um einen greifbaren intellektuellen oder emotionalen Mehrwert fürs Publikum zu liefern.
Trotz des nicht ganz zu erklärenden Drehbuchpreises auf den Filmfestspielen von Venedig, enttäuscht Assayas’ autobiografisch gefärbtes Jugenddrama über Sinn- und Perspektivlosigkeit der jungen Mitglieder der Revolution von 1968. Der Auteur mag mit ruhigen, ansprechenden Bildern und einem sorgfältig ausgewählten Pop- und Rock-Soundtrack den Zuschauern das Lebensgefühl der Zeit näher bringen, ist aber zu zurückhaltend in Erzählung und Figurenzeichnung, um uns in die Schicksale seiner lust- und freudlosen Protagonisten zu involvieren.
Aprés mai, F 2012 • 122 Min • Regie: Olivier Assayas • Mit: Clément Métayer, Lola Créton, Félix Armand, India Salvor Menuez • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 30.05.2013
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Paris, 1971. Gilles (Clément Métayer) ist in den Morgenstunden ein Schüler, der sich gelangweilt in...Die wilde Zeit (2012)
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