Avengers: Infinity War, USA 2018 •149 Min • Regie: Joe Russo & Anthony Russo • Mit: Josh Brolin, Chris Hemsworth, Robert Downey Jr., Benedict Cumberbatch, Tom Holland, Chris Pratt, Chris Evans, Scarlett Johansson, Zoe Saldana, Elizabeth Olsen, Paul Bettany • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 26.04.2018 • Deutsche Website
Handlung
Besessen von der Idee, das Gleichgewicht im Universum herzustellen, indem er die Hälfte von dessen Bewohnern auslöscht, sucht der hünenhafte Titan Thanos (Josh Brolin) nach den sechs Infinity Stones, machtvollen Relikten aus den Ursprüngen des Universums. Hat er sie erst einmal alle in seinem Handschuh beisammen, kann er den Massengenozid mit einem einfachen Fingerschnipsen verüben. Ohne Rücksicht auf Verluste jagt er den Steinen hinterher und ruft mit seinem verheerenden Feldzug sowohl die Avengers als auch die Guardians of the Galaxy auf den Plan. Nur mit verbündeten Kräften haben sie gegen Thanos auch den Hauch einer Chance. Doch mit jedem neuen Infinity Stone in seinem Besitz wächst Thanos' Macht…
Kritik
Viel ist passiert, seit Samuel L. Jackson vor zehn Jahren im Abspann zu Iron Man Tony Stark daheim besuchte und ihm von der Avengers-Initiative erzählte. Nicht nur innerhalb des sogenannten Marvel Cinematic Universe, das neben 19 Filmen auch zahlreiche Serien umspannt. Marvels ehrgeiziger Schachzug, ein untereinander verbundenes Filmuniversum zu erschaffen, veränderte nachhaltig die Filmindustrie. Plötzlich wollte jedes Studio ein eigenes Filmuniversum haben. Viele scheiterten schon in der Anfangsphase, weil die Pläne einfach nicht durchdacht waren, motiviert lediglich von der Hoffnung, auf einer Trendwelle mitzuschwimmen. Marvel blieb derweil unschlagbar. In weniger als 20 Jahren wurde aus einem einst insolventen Unternehmen eine der weltweit größten Marken im Film und Fernsehen. Während die meisten Marvel-Serien jedoch unabhängig voneinander geblieben sind, arbeitet Marvel mit seinen Filmen seit Jahren auf ein Ziel hin.


Auf bestimmte Grundzutaten kann man sich bei den Filmen aus dem Marvel Cinematic Universe verlassen, doch zeitgleich brechen Marvels Filme gerne mit Erwartungen und loten Grenzen aus. Manche Filme weichen von der Formel mehr ab, andere weniger. Mit seinem anarchischen Humor, kunterbunten Bildern und nostalgischem Touch war Guardians of the Galaxy ebenso ein frischer Wind unter Comicverfilmungen wie The Return of the First Avenger, ein altmodischer Politthriller getarnt als Superheldenfilm, oder Black Panther, ein äußerst zeitgemäßer, sozialkritischer Blockbuster. Als es jedoch um die größte Zusammenkunft der Superhelden der Kinogeschichte ging, spielte man auf Nummer sicher. Avengers: Infinity War ist letztlich ganz genau so geworden, wie man es von einem Film mit knapp zwei Dutzend Superhelden erwarten würde. Das ist kein Kritikpunkt an sich, denn das Ergebnis macht immer noch verdammt viel Spaß.

Wie bringt man all diese Charaktere zusammen, bringt ihre jeweiligen Persönlichkeiten zur Geltung und erzählt dabei noch eine kohärente, mitreißende Geschichte? Die Lösung der Russo-Brüder ist es, aufs Gaspedal zu drücken und das Tempo über weite Strecken auf 180 beizubehalten. Auf lange Exposition und Aufbau wird verzichtet, schließlich dienten ja schon die vorherigen 18 Filme gewissermaßen diesem Zweck. Stattdessen wird ein Feuerwerk an toll inszenierter Nonstop-Action geboten, bei dem der Film fünf verschiedene Planeten besucht und die Helden in unterschiedlichen Konstellationen gegen Thanos und seine nicht zu unterschätzenden Handlanger (Ebony Maw bleibt besonders in Erinnerung) kämpfen lässt. Dabei werden grimmige, gelegentlich aussichtslos erscheinende Situationen durch Humor aufgelockert, wie man es bei Marvel gewohnt ist, ohne dass der Film jedoch zu einer Gagparade wie Thor – Tag der Entscheidung oder Guardians of the Galaxy wird. Die Stimmung bleibt durchweg ernst – kein Wunder, denn mit Thanos treffen sowohl die irdischen Avengers als auch die Guardians of the Galaxy, die im Film übrigens eine beträchtliche Rolle spielen, auf ihren mächtigsten Gegner.

Thanos wird als eine unaufhaltsame Mischung aus Intelligenz und roher Brachialgewalt präsentiert. All das wird von Josh Brolin per Motion-Capture glaubwürdig verkörpert, der sowohl die megalomanischen als auch die überraschend emotionalen Aspekte des Charakters überzeugend darstellt. Besonders positiv hervorzuheben sind seine Szenen mit seiner abtrünnigen Ziehtochter Gamora, gespielt von Zoe Saldana, die in wenigen Momenten mehr Innenleben zum Ausdruck bringen, als es den meisten Charakteren in dem Film vergönnt ist.


Rasantes Tempo und schnelle Wechsel von Schauplätzen sorgen für die vermutlich kurzweiligsten zweieinhalb Stunden, die man dieses Jahr im Kino verbringen wird. Das hat natürlich seinen Preis, unterhält aber so gut, dass der Film einem kaum Zeit lässt, darüber nachzudenken. In dieser Hinsicht erinnert der Film ein wenig an den zweiten Teil von Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, insofern als dass sich der gesamte Film wie ein langer, atemloser Showdown anfühlt. Wenn es einen zweieinhalbstündigen Film in jüngster Vergangenheit gab, der von einer zusätzlichen halben Stunde wirklich profitiert hätte, um gelegentlich auch etwas zur Ruhe zu kommen und die Charaktere atmen zu lassen, dann ist es dieser.
Fazit
Avengers: Infinity War jagt von einem Höhepunkt zum nächsten und jongliert gekonnt mit seinen unzähligen Charakteren, wobei er den meisten von ihnen zumindest kurze Momente einräumt, in denen sie glänzen dürfen. Das halsbrecherische Tempo, der ungezwungene Humor, einige düstere Überraschungen und atemberaubende Nonstop-Action, die Fanherzen mehrfach höher schlagen lassen wird, sorgen für die vermutlich schnellsten und kurzweiligsten zweieinhalb Stunden, die man dieses Jahr im Kino erleben wird. Allerdings haben der rasante Wechsel der Schauplätze und der Fokus auf den Kampf gegen Thanos und seine Handlanger ihren Preis – sie gehen auf Kosten der Figuren und ihrer Beziehungen zueinander.

