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Hacksaw Ridge – Die Entscheidung (2016) Blu-ray-Kritik

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Hacksaw Ridge (2016) Filmkriitk

Hacksaw Ridge, USA/AU 2016 • 139 Min • Regie: Mel Gibson • Drehbuch: Robert Schenkkan, Andrew Knight • Mit: Andrew Garfield, Vince Vaughn, Sam Worthington, Teresa Palmer, Hugo Weaving, Luke Bracey • Kamera: Simon Duggan • Musik: Rupert Gregson-Williams • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universum Film • Kinostart: 26.01.2017 • Heimkinostart: 9.06.2017 • Deutsche Website

Hacksaw Ridge - Die Entscheidung (2016) Filmbild 1Eine ganze Dekade liegt jetzt zwischen „Apocalypto“ und Mel Gibsons folgender Regiearbeit „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung“. Mit dem Erfolg oder der Qualität des intensiven Maya-Abenteuers hatte die lange Pause nichts zu tun, sondern vor allem mit einigen handfesten Skandalen, die das Multitalent überschatteten. Nach einem antisemitischen Ausbruch landete der Oscar-Preisträger („Braveheart“) zunächst auf Hollywoods inoffizieller Blacklist, was im Prinzip bedeutet, dass vorerst kein Studio oder Produzent mehr ein Projekt mit ihm wagen möchte. Nicht zuletzt durch die gute Fürsprache einiger Schauspielerkollegen wurde „Mad Mel“ schließlich doch begnadigt und mit der wahren Geschichte des Feldsanitäters Desmond Doss betraut, der während der Schlacht um Okinawa mindestens 75 Kameraden das Leben rettete, ohne dabei je eine Waffe abgefeuert zu haben. Thematisch passt das Werk damit perfekt in die Filmografie Gibsons, die stark von Motiven des Glaubens, der Selbstaufopferung und der schonungslosen Gewalt geprägt ist. Ähnlich wie in seinem kontroversen „Die Passion Christi“ steht auch hier ein pazifistischer Mann im Mittelpunkt, der für seine Überzeugung bis in den Tod gehen würde.

Hacksaw Ridge - Die Entscheidung (2016) Filmbild 2Gibson beginnt seine Geschichte in der Kindheit des 2006 verstorbenen Helden. Zusammen mit seinem Bruder Harold wächst Desmond in einer idyllischen Kleinstadtatmosphäre auf, die allerdings von den Launen seines durch die Erlebnisse im Ersten Weltkrieg traumatisierten Vaters Tom (Hugo Weaving) verdunkelt wird. Eine wilde Rauferei, während der er Harold schwer verletzt, prägt den Jungen nachhaltig und veranlasst ihn dazu, der Gewalt auch in seinem späteren Leben abzuschwören. Als überzeugter Christ und Pazifist verliebt sich der erwachsene Desmond (Andrew Garfield) letztlich in die Krankenschwester Dorothy (Teresa Palmer), durch die sein Interesse am medizinischen Handwerk zusätzlich befeuert wird. Die fast bilderbuchartige Romanze wird von der zunehmenden Involvierung der USA in den Zweiten Weltkrieg scharf unterbrochen: Wie Harold und unzählige junge Amerikaner, möchte auch Desmond seinem Land dienen und schreibt sich bei der Armee ein – allerdings unter der Voraussetzung, dass er lediglich als Sanitäter eingesetzt wird und keine anderen Menschen töten muss. Während der Ausbildung werden seine Ideale auf eine harte Probe gestellt, denn nicht nur sein Vorgesetzter Sergeant Howell (Vince Vaughn), sondern auch seine übrigen Kameraden halten seine strikte Gewaltablehnung für pure Feigheit und trauen ihm keine sichere Unterstützung unter Gefecht zu. Trotz Widrigkeiten von allen Seiten wird der unbewaffnete Retter schließlich beim Kampf um das Felsplateau vom Maeda eingesetzt. Eine Mission, die den Männern die Hölle auf Erden vor Augen führt – doch Desmond steht zu seinem Wort und vollbringt eine unglaubliche Tat …

Hacksaw Ridge - Die Entscheidung (2016) Filmbild 3„Hacksaw Ridge“ lässt sich zunächst klar in drei Abschnitte unterteilen: Da wäre zuerst die Vorgeschichte von Desmond Doss, die einen näher an seinen Charakter, sein Umfeld und die Wurzeln seiner Überzeugung heranführt. Was Mel Gibson hier präsentiert, ist nicht bloß visuell klassisches Hollywood-Kino in Reinform – auch unter den wunderschönen und warmen Aufnahmen von Kameramann Simon Duggan („Der große Gatsby“) verbirgt sich die sehr traditionelle Schilderung einer Familie mit einem tiefen Riss und die Beobachtung einer zarten Liebe, die mit ihrer naiven Darstellung eine sympathische Prise Kitsch versprüht. Die unerfahrene und doch entschlossene Art, mit der sich Andrew Garfield („The Amazing Spider-Man“) seinem weiblichen (Film-)Gegenüber nähert, verrät mehr über dessen Figur, als der folgende erbarmungslose Drill und die Auseinandersetzung mit der Truppe. Er wirkt in diesen ruhigen Momenten einerseits wie ein Kind, das noch nicht wirklich auf die harten Schläge der Realität (oder in diesem Fall die sanften Herausforderungen der Liebe) vorbereitet ist, und hat doch andererseits sehr genaue Vorstellungen davon, was er will und was nicht.

Hacksaw Ridge - Die Entscheidung (2016) Filmbild 4Mit einem etwas schroffen Übergang wendet sich der Film anschließend der Ausbildung von Desmond Doss zu, die in ihrer Inszenierung wie ein „Full Metal Jacket light“ anmutet und mit Vince Vaughn eine nicht sonderlich charismatische Kopie von R. Lee Ermeys beängstigendem Drill-Sergeant einführt. Es ist der wichtigste Abschnitt in dieser Story über Doss, die sein eigentliches Märtyrium schon vor den Einsatz auf dem Schlachtfeld verlegt: Nicht zufällig weckt dieser Mittelteil Erinnerungen an Gibsons „Die Passion Christi“, in dem sich Jesus ebenfalls mit Feinden aus der eigenen Lebensgemeinde konfrontiert sah und seinen steinigsten Weg nicht für sein Überleben, sondern für seine Überzeugungen beschreiten musste. Doch im Gegensatz zu dem ultrabrutalen Vorgängerwerk gelingt es dem Regisseur leider nicht, dass einem das Leid des Sanitäters ähnlich nahe geht wie das furchtbare Schicksal des Messias. Das liegt natürlich zum einen daran, dass der Widerstand von Seiten der Soldaten keinesfalls so kompromisslos ausfällt wie das Werk der Folterknechte. Zum anderen gibt sich Andrew Garfield zwar alle Mühe, seine Rolle mit Emotionen zu füllen, doch ist die Zeichnung dieses realen Individuums etwas farblos und flach geraten. Dieser Mangel zieht sich leider auch bis zum Kriegsschauplatz durch, auf dem wir Doss anfangs ohnmächtig, aber schließlich selbstlos helfend erleben. Es fehlt an zusätzlichen ambivalenten Gefühlsregungen, wie etwa nachvollziehbaren Zweifeln. Ohnehin verliert man ab der Ankunft auf der Felsplatte die Identifikationsfigur ein wenig aus den Augen.

Hacksaw Ridge - Die Entscheidung (2016) Filmbild 5Dass Mel Gibson nicht nur mit viel Herzblut inszeniert, sondern auch gerne viel Herzblut in seinen Bildern vergießt, unterstreicht auch seine neue Arbeit mit Nachdruck. Extremitäten, Gedärme und verweste Leichen sind das Erste, was einem entgegenschlägt, wenn sich der Rauch der Explosionen verzogen hat. Doch auch hier wird viel gezeigt, ohne dass die Szenen beim Zuschauer wirklich unter die Haut kriechen. „Hacksaw Ridge“ wirkt wie eine Auftragsarbeit, deren Thema Gibson zwar offensichtlich interessiert hat und bei der er sich seine explizite Härte bewahren konnte, doch im Vergleich zu seinen übrigen Filmen bleiben Dramatik und Schlagkraft leider spürbar auf der Strecke. Nicht falsch verstehen – auch hier gibt es Szenen, die wahnsinnig intensiv und fesselnd sind. Doch irgendwie ist diese mal deutlich andere Sicht auf das „Ereignis Krieg“ unterm Strich zu sehr auf Nummer sicher getrimmt und womöglich auch mit einem bewussten Blick auf die Preissaison in Angriff genommen worden. Der wahnwitzige Mut des Menschen Doss lässt sich zumindest definitiv nicht auf den Mut bei der Umsetzung von dessen Geschichte übertragen.

Am Ende bleibt ein perfekt ausschauendes und souverän gespieltes Kriegsdrama, das seine Chance auf ein herausragendes Werk trotz einer entsprechenden Grundlage verpasst. Mel Gibson beweist nach seiner Abstinenz, dass er ein begnadeter Regisseur bleibt und ihm in Sachen wuchtiger Bilder kaum jemand etwas vormacht. Vielleicht hat dieses Mal das Drehbuch einfach nicht für einen stärkeren Effekt ausgereicht. Zumindest nicht bei mir.


Information zur Heimkinoveröffentlichung

Ab dem 9. Juni 2017 ist Hacksaw Ridge – Die Entscheidung im Verleih von Universum Film in deutscher und englischer Sprachfassung (mit wahlweise deutschen oder englischen Untertiteln) als DVD, Blu-ray und 4K UHD erhältlich.

Neben dem Hauptfilm liegen der DVD- und Blu-ray-Veröffentlichung folgende Extras vor:

Hacksaw Ridge - Die Entscheidung (2016) Blu-ray Cover• The Soul of War: Making Hacksaw Ridge
• Deleted Scenes
• Interviews mit Cast & Crew (nur Blu-ray)

 

 

(Cover © Universum Film)


Trailer


Die Mumie (2017) Kritik

Die Mumie (2017) Filmkritik

The Mummy, USA 2017 • 110 Min • Regie: Alex Kurtzman • Mit: Tom Cruise, Sofia Boutella, Annabelle Wallis, Russell Crowe, Courtney B. Vance, Jake Johnson • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 8.06.2017 • Deutsche Website

Handlung

Nick (Tom Cruise) und Chris (Jake Johnson) dienen als Späher der US-Armee in Irak, betreiben jedoch nebenbei ein lukratives Nebengeschäft, indem sie nach wertvollen Antiquitäten suchen und sie auf dem Schwarzmarkt an Höchstbietende verticken. Ihr neuester Raubzug führt die Glücksritter zu einem abgelegenen Dorf, wo Nick einen großen Schatz vermutet, nachdem er einige Tage zuvor der hübschen Archäologin Jenny (Annabelle Wallis) nach einem Schäferstündchen eine Karte stibitzte. Vor Ort geraten die beiden in ein heftiges Feuergefecht mit Aufständischen und nur ein von Chris angeforderter Luftschlag rettet den beiden das Leben, macht aber deren Vorgesetzten (Courtney B. Vance) auf sie aufmerksam. Dieser taucht daraufhin mit der besagten Archäologin im Schlepptau am Ort des Geschehens auf. Doch Jennys Wut auf Nick weicht schnell der Begeisterung, denn die Rakete hat ein riesiges, uraltes, ägyptisches Grab freigelegt. In einem Becken aus Quecksilber finden Jenny, Nick und Chris einen Sarkophag, der zur weiteren Untersuchung nach England ausgeflogen werden soll. Nick ist bereits von Anfang an mulmig bei der Sache und seine ungute Vorahnung bestätigt sich, als im Flug die Hölle losbricht. Erst dreht Chris durch, dann fallen die Triebwerke aus und ein riesiger Vogelschwarm attackiert das Flugzeug. Es kommt zum Absturz. Nick kann lediglich Jenny mit einem Fallschirm retten und sieht machtlos den Boden auf sich zurasen. Doch dann wacht er ohne einen einzigen Kratzer (jedoch offensichtlich zuvor für tot erklärt) in einem Leichensack auf, wird von seltsamen Visionen geplagt und versteht generell die Welt nicht mehr. Jennys geheimnisvoller Auftraggeber Dr. Henry Jekyll (Russell Crowe) klärt ihn darüber auf, dass der Sarkophag die Mumie der rachsüchtigen ägyptischen Prinzessin Ahmanet (Sofia Boutella) beherbergte, die zum neuen "Leben" erwacht ist und Nick zur körperlichen Hülle für den Todesgott Seth auserkoren hat, mit dem sie gemeinsam die Welt beherrschen möchte.

Kritik

Die Mumie (2017) Filmbild 1

Wenn nach knapp über 100 Minuten Laufzeit beim neuesten Reboot von Die Mumie der Abspann über die Leinwand läuft und die Zuschauer nicht unbedingt noch mehr von Brian Tylers solidem, jedoch generischem Abenteuerfilm-Score hören wollen, können sie guten Gewissens den Kinosaal verlassen, denn trotz großer Ambitionen für das Monsterfilm-Universum Dark Universe (dessen eigenes Logo zu Filmbeginn ganz mutig direkt nach dem Studiologo eingeblendet wird), hat Universal auf eine Abspannszene à la Marvel verzichtet. Das ist jedoch nur angemessen, denn der gesamte Film ist bereits eine einzige Abspannszene, die mehr um das Fundament für die Zukunft des Filmuniversums besorgt ist, als um die eigentliche Geschichte, die er erzählt. Diese verkommt nach einer kurzweiligen ersten Hälfte zu einem Mittel zum Zweck, bei dem Easter Eggs auf Easter Eggs (ein Vampirschädel hier, eine Hand mit Schwimmhäuten da) gestapelt werden und Jekylls Expositionen auch als "Demnächst im Dark Universe" betitelt werden könnten. Durch diese Verschiebung des Fokus wird die Rahmenhandlung um das titelgebende Monster zur Nebensache, die Einsätze wirken klein, die große Gefahr, die von der Mumie ausgeht, bleibt diffus.

Die Mumie (2017) Filmbild 2Was Disney mit dem Marvel Cinematic Universe bewerkstelligt hat, ist in einem solchen Umfang einzigartig und wird lange als das Musterbeispiel eines erfolgreichen, gut durchdachten Film- und Serienuniversums gelten. Doch sie waren nicht die ersten. Bereits in den Vierzigern ließ Universal Frankensteins Monster, Dracula, den Wolfmenschen und andere Kreaturen aufeinander treffen. Der Vorwurf, Universal würde Marvels Strategie kopieren, ist daher unberechtigt, auch wenn Marvels Erfolg mit dem Konzept den Stein vermutlich ins Rollen gebracht hat. Für den Erfolg eines solchen Universums ist ein gelungener erster Film enorm wichtig und wäre Dracula Untold vor drei Jahren nicht als ein Kritiker- und Zuschauerflop untergegangen, wäre er vermutlich nicht von Universals Monsterfilm-Universum nachträglich verbannt worden. Bei Die Mumie gibt es nun keinen Weg zurück, denn wie der Film selbst, so konzentriert sich auch das Marketing mindestens genau so sehr auf das Filmuniversum wie auf den eigentlichen Plot des Streifens. Was Regisseur Alex Kurtzman und das Komitee von Autoren, durch deren Laptops und Schreibmaschinen das Skript zu Die Mumie über die letzten Jahren wanderte – darunter Christopher McQuarrie (Mission: Impossible – Rogue Nation), Jon Spaihts (Passengers) und David Koepp (Inferno) – scheinbar nicht begriffen haben, ist, dass ein solcher Auftaktfilm für sich selbst stehen muss, bevor man ein ganzes Franchise auf dessen Schultern aufbauen kann. Ansonsten ist es so, als würde man eine luxuriöse Hotelanlage auf einem sumpfigen Gelände erbauen, ohne dieses vorher trockenzulegen. Wie man diesen Spagat richtig bewältigt, zeigte 2008 der erste Iron Man. Der Film war ein immens unterhaltsames Spektakel und ohne den mittlerweile legendären Auftritt von Samuel L. Jackson als Nick Fury im Abspann, hätte man auch nichts vermisst, denn der Film konnte auf eigenen Beinen stehen. Iron Man wäre ein ganz anderer Film geworden, wenn Fury mittendrin aufgetaucht wäre, ausführlich von seinen Plänen für die Avengers-Initiative erzählt und das Geschehen des Films daraufhin gelenkt hätte. Genau solche Vorwürfe eines Avengers-Set-Ups wurden gegenüber Iron Man 2 erhoben, doch nach dem starken Vorgänger konnte man einen "Platzhalterfilm" verzeihen.

Die Mumie (2017) Filmbild 3Dabei hätte Die Mumie eigentlich genug zu bieten gehabt, wenn die Geschichte etwas fokussierter erzählt gewesen wäre und die Macher sich auf die Stärken des Films verlassen hätten. Zu diesen gehört zweifelsohne Tom Cruise, dessen Charakter hier nicht wie ein makelloser Held aus Jack Reacher oder Mission: Impossible beginnt, sondern eher an seine Figur aus Edge of Tomorrow erinnert. Zunächst auf das eigene Wohl bedacht, wird er widerwillig zum Helden in einer für ihn absurden Situation. Ansonsten ist Cruise jedoch im Ethan-Hunt-Modus, springt, rennt, schießt, kämpft und stürzt sich von einem spektakulären Stunt zum nächsten. Auch mit 54 versprüht der Schauspieler unwiderstehlichen jugendlichen Charme und Schlagfertigkeit, und ist auch selbstironischen Einlagen nicht abgeneigt. Dass Die Mumie ihr Potenzial letztlich nicht erfüllt, liegt nicht am Star des Films. Auch Sofia Boutella, die mit ihrer exotischen Ausstrahlung und grazilen Bewegungen bereits in Kingsman: The Secret Service und Star Trek Beyond die Aufmerksamkeit erfolgreich auf sich lenkte, ist gut besetzt und eine Mumie, wie wir sie noch nicht gesehen haben: bedrohlich, machtbesessen, aber auch verführerisch und gar verletzlich. Tatsächlich nimmt ihre Jagd auf Nick irgendwann leichte Stalker-Züge einer verschmähten Liebhaberin an. Doch leider hat Boutella im Film nicht so viel Screentime wie Annabelle Wallis' Archäologin, die zwar irgendwann zur Hauptmotivation von Nicks Handlungen wird, jedoch zu keinem Augenblick spürbare Chemie mit ihm entwickelt, womit das gesamte Finale des Films in sich zusammenfällt. Für mehr (Buddy-)Humor soll im Film "New Girl"-Star Jake Johnson sorgen, dessen Rolle nicht einmal als eine Hommage an American Werewolf in London bezeichnet werden kann, sondern als reine Kopie, doch die Gags zünden nur sporadisch. Und dann gibt es natürlich noch Russell Crowe, der in seiner Rolle als Dreh- und Angelpunkt des Dark Universe zunächst eher gelangweilt wirkt und erst durch die Verwandlung in Mr. Hyde (nicht so spektakulär, wie man meinen würde) wirklich Spaß zu haben scheint. Gerade wegen dieser Szene und Crowes leicht absurdem Akzentwechsel ist die Sichtung der Originalfassung empfehlenswert.

An der Actionfront gibt es Versatzstücke aus Mission: Impossible-esken Stunts (der Flugzeugabsturz raubt einem wirklich den Atem), X-Men: Apocalypse-mäßiger Massenzerstörung im kleineren Format (London muss in letzter Zeit in Filmen immer wieder dran glauben, New York hat wohl eine Atempause verdient) und Kanonenfutter-Mumien-Action, wie man sie schon im endlos charmanteren und unterhaltsameren Film mit Brendan Fraser vor 18 Jahren gesehen hat. Die Action ist spaßig genug, dass man als Zuschauer nicht von Gähnanfällen überwältigt wird, doch die Trailer verraten nahezu alle ihre Höhepunkte. Doch auch das ist irgendwie passend, denn schließlich ist Die Mumie selbst ein überlanger Trailer dafür, was noch kommen wird. Oder vielleicht auch nicht.

Fazit

Tom Cruise spielt mit Charme, Humor und vollem Körpereinsatz, die Stunts sind spektakulär und Sofia Boutella strahlt in ihrer zu kurzen Screentime ausreichend Bedrohlichkeit, Exotik, Sex-Appeal und Wut aus, doch Die Mumie kommt nie als ein eigenständiger Film zusammen. Die Rahmenhandlung um Ahmanet und ihren generischen Apokalypse-Plan wirkt spätestens nach Russell Crowes großem Auftritt als Dr. Jekyll nebensächlich und als Mittel zum Zweck, um den Weg für Universals ambitioniertes Universum von Göttern und Monstern zu bereiten. Eine verpasste Gelegenheit.

Trailer

Box-Office USA: Wonder Woman knackt $100 Mio zum Start

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Wonder Woman Box Office

© 2017 Warner Bros. Pictures

Quelle: Boxofficemojo

Der US-Box-Office-Sommer hat endlich wieder einen großen Hit hervorgebracht. Nach drei verhältnismäßig ruhigen Wochen an den Kinokassen, in denen King Arthur: Legend of the Sword, Alien: Covenant, Baywatch und Pirates of the Caribbean: Salazars Rache nacheinander enttäuschten, hat Wonder Woman den Betrieb in den US-amerikanischen und kanadischen Kinos wieder in Schwung gebracht. Der Riesenstart der DC-Comicverfilmung ließ den Gesamtumsatz der Top 12 am Wochenende um 32% gegenüber der Vorwoche auf $180,3 Mo steigen sowie um 41% verglichen zum entsprechenden Wochenende aus dem Vorjahr, als Teenage Mutant Ninja Turtles 2 auf Platz 1 floppte.

In Burbank, Kalifornien, dem Standort des Hauptquartiers von Warner Bros. Pictures, darf man heute ruhig die Sektkorken knallen lassen. Als erster Studio überhaupt hat Warner Bros. eine erfolgreiche Comicadaption mit einer weiblichen Hauptfigur produziert. Und nicht einfach nur erfolgreich, sondern wirklich sehr erfolgreich. Nachdem der Film mit $11 Mio in den Previews am Donnerstag schon gut aus den Startlöchern kam, hielt er sich am Gesamtwochenende deutlich besser als seine DC-Vorgänger Batman v Superman: Dawn of Justice oder Suicide Squad und erzielte insgesamt $103,3 Mio von 4165 Kinos, was einen Schnitt von $24790 pro Spielstätte bedeutet. Es ist das drittbeste Startwochenende des Jahres, nach Die Schöne und das Biest ($174,8 Mio) und Guardians of the Galaxy Vol. 2 ($146,5 Mio) und der 45. Start mit mehr als $100 Mio in der nordamerikanischen Box-Office-Geschichte. Zwar wird immer wieder (und häufig nicht zu Unrecht) gesagt, dass die bisherigen Filme des DC Extended Universe aufgrund von Qualitätsmängel nicht ihr vollständiges Potenzial an den Kinokassen entfalten konnte, allerdings lässt sich auch schwer gegen die Tatsache argumentieren, dass alle vier Filme des DC-Kinouniversums bislang mit mehr als $100 Mio am Startwochenende eröffneten. Drei davon waren keine Sequels. Das einzige Nicht-Sequel des Marvel Cinematic Universe, dem ein Startwochenende von mehr als $100 Mio gelang, war The Avengers und man kann sich auch bei dem Film darüber streiten, ob er nicht gewissermaßen ein Sequel seiner Vorgänger Iron Man, Thor, Captain America und Der unglaubliche Hulk war. Ansonsten gehört das erfolgreichste Startwochenende eines Originalfilms von MCU dem ersten Iron Man mit $98,6 Mio. Insgesamt starteten bislang sechs der fünfzehn MCU-Filme mit mehr als 100 Mio in Nordamerika. Natürlich muss man dazu aber auch sagen, dass Marvel dabei im Mainstream deutlich obskureren Charakteren zum Erfolg verhalf, während sich DC auf Popkultur-Ikonen wie Superman, Batman, Wonder Woman und den Joker verlassen konnte.

So oder so ist der Start von Wonder Woman ein phänomenaler Erfolg auf ganzer Linie und ein Triumph für Filmemacherinnen (bester Start aller Zeiten für einen von einer Frau inszenierten Film!), auch wenn er unter den Startwochenenden der anderen drei DC-Filme liegt, die zwischen $116 Mio und $166 Mio eröffneten. Wonder Woman kostete mit $149 Mio Produktionsbudget weniger als Batman v Superman ($250 Mio), Suicide Squad ($175 Mio) oder Man of Steel ($225 Mio) und wird von den Zuschauern und Kritikern weit positiver aufgenommen als diese drei Filme. Das sieht man alleine schon an dem Anteil, den der Starttag des Films an seinem Startwochenende hat. Bei Wonder Woman beträgt dieser 37%, bei Suicide Squad belief er sich auf 48,5%. Anders ausgedrückt: am Starttag lag Wonder Woman noch 40% unter Suicide Squad, am gesamten Wochenende nur noch 23% darunter, was für deutlich größere Frontlastigkeit und negativere Resonanz von Squad spricht.  Der Abstand wird sich in den nächsten Wochen noch weiter verringern, denn der Streifen mit Gal Gadot wurde von den Kinogängern mit einem "A"-CinemaScore bewertet (äquivalent einer "1"), der besten Wertung für eine DC-Verfilmung seit The Dark Knight Rises. Im schlimmsten Fall wird sich der Film im weiteren Verlauf so halten wie der thematisch vergleichbare erste Captain-America-Film von Marvel und knapp $273 Mio erreichen. Ich traue ihm jedoch größeren Event-Status in den Medien und besseres Stehvermögen zu, sodass er $285-300 Mio erreichen sollte. Außerhalb von Nordamerika ist Wonder Woman übrigens auch großartig angelaufen und hat bereits $122,5 Mio eingespielt. Das beste Ergebnis kam mit $38 Mio aus China.

Platz 2 der Kinocharts ging am Wochenende an die animierte Kinderbuchadaption Captain Underpants von DreamWorks, die $23,9 Mio von 3434 Lichtspielhäusern erreichte ($6946 pro Kino im Schnitt). Der nur $38 Mio teure Film profitierte davon, der erste nennenswerte Animationsfilm seit dem Start von The Boss Baby Ende März zu sein, legte aber auch für einen Kinderfilm überraschende Frontlastigkeit am Wochenende an den Tag, denn er nahm knapp mehr als ein Drittel seines Wochenendumsatzes bereits am Starttag ein. Captain Underpants wurde von den Zuschauern, die zu 50% unter 18 Jahre alt waren, mit einem soliden, jedoch unspektakulären "B"+CinemaScore bewertet (äquivalent einer "2+") und wird diesen Monat gewaltige Konkurrenz seitens Cars 3 und Ich – Einfach unverbesserlich 3 bekommen, sodass er keine Chance auf $100 Mio hat. Bestenfalls wird der Film $80-90 Mio erreichen, was angesichts des geringen Budgets ein gutes Ergebnis wäre.

Nach einem eher verhaltenen Start am Memorial-Day-Wochenende brach Pirates of the Caribbean: Salazars Rache in der zweiten Woche gänzlich ein und fiel um 64,9% auf $22,1 Mio und Rang 3 der Charts. Nach zehn Tagen hat das fünfte Piraten-Abenteuer mit Johnny Depp $115,1 Mio in Nordamerika eingenommen, 25% weniger als Fremde Gezeiten im selben Zeitraum und weniger als der zweite und der dritte Film alleine an ihren Startwochenenden umsetzten. Insgesamt wird er nicht mehr als $160-170 Mio einspielen. Der rasante Abstieg der Franchise-Umsätze in Nordamerika dürfte Disney jedoch keine großen Sorgen bereiten, denn weltweit hat Salazars Rache nach zwei Wochen schon mehr als eine halbe Milliarde US-Dollar eingenommen und hat noch Japan als Markt vor sich, wo die Reihe traditionell immer sehr erfolgreich war. Einem sechsten Film steht nichts im Wege.

Auf Seite 2 verraten wir Euch, welchen Meilenstein Guardians of the Galaxy Vol. 2 am Wochenende erreichte und wie böse Baywatch und Alien: Covenant in Nordamerika floppen.

Split (2016) Blu-ray-Kritik

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Split (2016) Filmkritik

Split, USA 2016 • 117 Min • Regie & Drehbuch: M. Night Shyamalan • Mit: James McAvoy, Anya Taylor-Joy, Betty Buckley, Jessica Sula, Haley Lu Richardson, Brad William Henke • Kamera: Mike Gioulakis • Musik: West Dylan Thordson • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 26.01.2017 • Heimkinostart: 8.06.2017 • Deutsche Website

Split (2016) Filmbild 1Die Metamorphose des M. Night Shyamalan ist vollendet: Nach seinem herrlich-schrägen Low-Budget-Schocker „The Visit“ (2015) verbindet der einst als legitimer Spielberg-Nachfolger gehandelte Regisseur in „Split“ seinen langsamen Spannungsaufbau aus alten Tagen perfekt mit dem frisch entdeckten Wahnwitz. Dass sich in der Karriere des Hoffnungsträgers etwas ändern musste, dokumentierten bereits seine Arbeiten ab dem etwas müden „The Village – Das Dorf“. Sowohl Zuschauer wie auch Kritiker waren irgendwann von den anfangs aufregenden Mystery-Stoffen mit Twist-Garantie gesättigt und erwünschten sich einen neuen Ansatz – der in Form des offenkundigen B-Movies „The Happening“ jedoch noch mehr Anhänger vergraulte. Nach weiteren künstlerischen Fehlgriffen ist Shyamalan nun endlich wieder auf der Höhe des Schaffens angekommen. Ein Kraftschlag, der nicht vielen Regisseuren auf dem Weg ins Abseits gelingt. Sein „Split“ ist ein Psychothriller, der teilweise an die verspielten Werke Brian De Palmas („Mein Bruder Kain“) erinnert, aber letztlich eindeutig den Stempel seines Schöpfers trägt und sogar eine Brücke zu dessen bis dato bestem Film „Unbreakable – Unzerbrechlich“ schlägt – wie irre und gleichzeitig cool ist das eigentlich?!

Split (2016) Filmbild 2Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein junger Mann (James McAvoy). Allerdings einer, dessen Körper von stolzen 23 Persönlichkeiten geteilt wird. Sein Name ist Kevin – beziehungsweise Dennis, Patricia, Hedwig, Barry et cetera – und er (oder sie) führt (oder führen) etwas ganz Finsteres im Schilde: Nach einer Geburtstagsfeier verschleppt er die Teenagerinnen Casey (Anya Taylor-Joy), Claire (Haley Lu Richardson) und Marcia (Jessica Sula) und bringt sie in sein isoliertes Versteck. Dort werden die verstörten Mädchen zunächst mit der Eigenart ihres geheimnisvollen Entführers vertraut, der sie als auserwählte Beute einer als „Bestie“ bezeichneten Entität ausweist. Der erste Fluchtversuch aus dem kargen Raum misslingt, weshalb die drei schließlich voneinander getrennt werden. Die Außenseiterin Casey, die selbst auf dunkle Stellen in ihrem Leben zurückblickt, gibt sich weiterhin kämpferisch und versucht, eine Schwachstelle in ihrem gespaltenen Gegenüber auszunutzen. Die Zeit läuft, denn die „Bestie“ ist bereits auf dem Weg …

Split (2016) Filmbild 3Neben dem Kammerspiel, das sich zwischen dem Antagonisten und seinen Opfern zuträgt, weitet der Regisseur und Drehbuchautor das Geschehen außerdem auf das Verhältnis des gestörten Täters zu seiner Psychiaterin Dr. Karen Fletcher (Betty Buckley) aus. Diese nutzt ihren faszinierenden Patienten als Gegenstand ihrer Forschung, die von der Theorie ausgeht, dass Personen mit multiplen Persönlichkeiten mehr Kapazität ihres Gehirns verwenden und sogar zu übermenschlichen körperlichen Leistungen fähig sein können. Das ist aus wissenschaftlicher Sicht freilich ziemlicher Unfug, aber funktioniert in dem zwischen Schrecken und eigenwilliger Komik pendelnden Film als interessanter Aufhänger ausgezeichnet. „Split“ gibt sich keine Mühe, seine abgedrehte Idee verkrampft in der Realität zu verankern, sondern erschafft sich sein eigenes kleines Universum – in das Shyamalan mit dem Nachfolger übrigens erneut eintauchen will.

Split (2016) Filmbild 4Die ganz große Attraktion des auf billige Effekte vollständig verzichtenden Films hört natürlich auf den Namen James McAvoy („Drecksau“). So smart und individuell das Drehbuch auch sein mag – ohne die geniale Performance des schottischen Mimen wäre das Resultat nicht einmal die Hälfte wert gewesen. Die sich zu einer echten Gefahr für die Mädchen entwickelnden Charaktere müssen ein Traum für jeden ambitionierten Schauspieler sein, und McAvoy packt diese Herausforderung selbstbewusst und mit sichtlicher Freude am Schopf: mal divahaft, eiskalt, einfühlsam oder als pures Comic-Relief deckt er eine enorme Bandbreite an Eigenschaften ab, die die Zuschauer bis zum adrenalingetränkten Finale im Unklaren lassen, wie ernst die furchteinflößende Prophezeiung des Kidnappers letztlich zu nehmen ist. Mir fällt keine Genrearbeit ein, die sich mit der Zeichnung ihres Schurken ähnlich weit aus dem Fenster lehnt und trotzdem ein solch stimmiges Ergebnis abliefert. Irgendwie wachsen einem Kevin und Co. im Verlauf sogar richtig ans Herz, weshalb die Auflösung auch umso schockierender wirkt. Als Gegenpart zu diesem teilweise sympathischen Bösewicht kann auch die von der Newcomerin Anya Taylor-Joy („The Witch“) verkörperte Casey überzeugen, die sich mit ihrem bedachten Vorgehen klar von ihren oberflächlichen Mitgefangenen unterscheidet und mit dem Peiniger sogar mehr gemeinsam hat, als es zunächst scheint.

Mit „Split“ läutet M. Night Shyamalan sein definitives Comeback ein und zeigt in dieser quasi Origin-Geschichte auf sehr spezielle Weise, wie eng Grauen und Spaß beieinander liegen können. Weiter so!


Information zur Heimkinoveröffentlichung

Ab dem 8. Juni 2017 ist „Split“ im Verleih von Universal Pictures in deutscher, englischer und französischer Sprachfassung (mit wahlweise unterschiedlichen Untertiteln) als DVD, Blu-ray und 4K-Ultra-HD erhältlich.

Neben dem Hauptfilm liegen der DVD- und Blu-ray-Veröffentlichung folgende Extras vor:

Split (2016) Blu-ray Cover• Alternatives Ende
• Unveröffentlichte Szenen
• Making-Of
• Die vielen Gesichter von James McAvoy
• Aus der Sicht des Filmemachers: M. Night Shyamalan

 

(Cover © Universal Pictures)


Trailer


Wonder Woman (2017) Kritik

Wonder Woman (2017) Filmkritik

Wonder Woman, USA 2017 • 141 Min • Regie: Patty Jenkins • Mit: Gal Gadot, Chris Pine, Danny Huston, David Thewlis, Elena Anaya, Connie Nielsen, Robin Wright • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 15.06.2017 • Website

Handlung

Diana (Gal Gadot), Tochter der Amazonen-Königin Hippolyta (Connie Nielsen), verbrachte ihr ganzes Leben auf der paradiesischen, männerfreien und von der Außenwelt durch einen Schutzschild abgeschirmten Insel Themyscira und wuchs als einziges Kind ihres Volkes unter wachsamen Augen ihrer Mutter auf. Nur widerwillig ließ Hippolyta ihre Schwester Antiope (Robin Wright) Diana in der Kriegskunst ausbilden, um sie auf eine größere Aufgabe vorzubereiten, ohne ihrer Tochter diese zu verraten. Dianas Stunde schlägt im Jahr 1918, wenn der US-amerikanische Kriegspilot und Spion Steve Trevor (Chris Pine) den Schutzschild durchbricht und vor der Küste Themysciras abstürzt. Diana rettet sein Leben, doch der Fremde hat deutsche Verfolger im Schlepptau, die die Insel angreifen. Durch Steve erfährt Diana, dass der Erste Weltkrieg wütet und droht, die Welt in den Abgrund zu reißen. Hinter diesem Krieg glaubt Diana das Werk des Zwietracht und Aggression säenden Kriegsgottes Ares zu erkennen, der einst alle anderen Götter des Olymp tötete und von seinem Vater und Amazonen-Schöpfer Zeus mit letzter Kraft gestürzt wurde. Um Ares endgültig das Handwerk zu legen, begleitet Diana Steve zurück in seine Welt und erlebt die Gräuel des Krieges hautnah. Während der kriegsbesessene deutsche General Erich Ludendorff (Danny Huston) und seine sadistische Chemikerin Isabel Maru alias Doctor Poison einen teuflischen Plan aushecken, um das Ruder des Krieges doch noch zu Gunsten der Deutschen herumzureißen, muss sich Diana an der Westfront die Frage stellen, ob die Menschen es wert sind, von ihr gerettet zu werden.

Kritik

Wonder Woman (2017) Filmbild 1In meiner Rezension zum ambitionierten, aber letztlich unter seinem eigenen Bombast und dem konfus überladenen Plot erstickten Batman v Superman: Dawn of Justice schrieb ich letztes Jahr zu Gal Gadots Debüt als Wonder Woman, dass ihr Auftritt im Film zu kurz und beliebig wirke, sie aber durchaus Potenzial erkennen lasse und Lust auf ihren ersten Solo-Auftritt mache. Dieses Potenzial hat sie in Patty Jenkins’ Film nun vollständig entfaltet und damit den Fluch der weiblichen Superheldenfilme beendet, die zuvor von Werken wie Catwoman oder Elektra geplagt waren. Wonder Woman ist ein klassischer Abenteuer-Film, der sich allein durch sein Setting vom heutigen Superheldenkino abhebt und seine Frauenpower-Message deutlich, aber nicht aufdringlich, rüberbringt. Wie die meisten Origin-Filme von Superhelden steht und fällt auch dieser mit seiner Hauptfigur und zum Glück kann ich sagen, dass er erhobenen Hauptes steht und nur an wenigen Stellen stolpert, die jedoch nichts mit seiner Heldin zu tun haben. Jegliche Zweifel über Gal Gadots Besetzung räumt der Streifen erfolgreich aus dem Weg. Mit körperlicher Ausstrahlung und ruhiger Erhabenheit besitzt die statueske israelische Schauspielerin eine starke Präsenz und wirkt nicht nur in ihren zahlreichen Actionszenen als mächtige Kriegerin glaubwürdig. Doch es ist letztlich nicht ihr körperlicher Einsatz, sondern ihre kindliche Naivität und unumstößlicher Idealismus, die sie sympathisch machen und zu einer echten Figur, anstatt einer eindimensionalen Kämpferin, die sie noch in Zack Snyders Film war. Wenn Diana erstmals in ihrem Leben ein Baby sieht oder genüsslich ihr erstes Eis schleckt, erlebt man als Zuschauer durch Gadots Performance die kleinen Wunder dieser Welt. Jenkins erkennt zum Glück, dass die Darstellung einer starken weiblichen Figur es nicht erfordert, dass sie nur stereotyp männliche Attribute zeigt, sondern findet die Stärken in der Weiblichkeit der Heldin.

Wonder Woman (2017) Filmbild 2Viele werden Wonder Woman als eine Mischung aus Marvels erstem Captain America, der ebenfalls einen idealistischen Helden in die Wirren des (Zweiten) Weltkriegs schickte, und dem ersten Thor-Abenteuer, in dem ein Gott unter die Menschen kommt, sehen. Beide Vergleiche sind naheliegend, insbesondere zu Captain America, da hier nicht nur die Ähnlichkeit zwischen dem Retro-Schauplatz und der moralisch unfehlbaren Veranlagung der Hauptfiguren besteht, sondern auch zwischen den jeweiligen romantischen Partnern, die in beiden Fällen für den Geheimdienst tätig sind und sich durchaus auch ohne ihre Beschützer behaupten können (auch wenn ich bezweifle, dass Steve Trevor bald eine eigene Fernsehserie bekommen wird). Jedoch findet Wonder Woman in seinem Stil, seinen Themen und seiner Charakterisierung seine eigene Identität fernab dieser Vergleiche. Im Gegensatz zum Donnergott ist Diana Prince kein überheblicher Hitzkopf, der Demut erst noch lernen muss, und der Film wählte als Setting für die Auseinandersetzung mit der in allen Menschen vorhandenen dunklen Seite bewusst den Ersten Weltkrieg anstelle des Zweiten (wie in der Comicvorlage) aus, weil die Grenzen zwischen Gut und Böse damals noch deutlich verschwommener waren. Steve bringt dies in einer bewegenden Szene gut auf den Punkt, wenn er versucht, Diana klarzumachen, dass jeder möglicherweise Mitschuld an der Situation trägt, ihn eingeschlossen.

Wonder Woman (2017) Filmbild 3Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass der Film keine sehr eindeutigen Bösewichte hat. Danny Huston ist ein eindimensionaler Schurke alter Schule (dessen Figur übrigens eine reale Person im Ersten Weltkrieg war, wobei sich der Film einige, ähm, Freiheiten bei der Darstellung herausnimmt), der den Part jedoch so vergnüglich böse mit einer unerwarteten Sadismus-Spitze in einer Szene spielt, dass man ihm wirklich gerne dabei zuschaut. Elena Anaya, deren Gesichtsmaske so aussieht, als hätte sie ihre Rolle in der Drehpause zu Almodóvars Die Haut, in der ich wohne absolviert, ist leider unterfordert, hat jedoch immerhin eine gute Szene mit Chris Pine, in der sie mit ihrer stillen Mimik alleine mehr Emotionen ausdrückt, als in allen ihren anderen Szenen zusammen. Saïd Taghmaoui, Ewen Bremner und Eugene Brave Rock werden als Kriegsgefährten von Diana und Steve mit ihren eigenen Problemen eingeführt (Rassismus, PTSD, Vernichtung der indianischen Kultur durch Weiße), bleiben für die Handlung jedoch gänzlich unerheblich.

Wonder Woman (2017) Filmbild 4Zum Glück kann man das von Chris Pines Steve Trevor nicht behaupten. Er hat die Love-Interest-Rolle, welche in solchen Filmen in der Regel Frauen vorbehalten ist, die aber zum Glück vielschichtiger geschrieben ist, als man dies von den meisten analogen Frauenrollen leider behaupten kann. Pine füllt die Rolle mit ähnlichem Charme, Leichtigkeit und Großspurigkeit aus, wie bei seinen Auftritten auf der Kommandobrücke der Enterprise, doch er gräbt noch tiefer und bringt die Erschöpfung und die Spuren zum Vorschein, die der Krieg bei ihm hinterlassen hat. Auf diese Weise bildet er einen gelungenen Kontrast zur unschuldig naiven, die Welt in Schwarz und Weiß sehenden Heldin. Beide stellen sich als essentiell für die Entwicklung ihres Gegenübers heraus. Gadot und Pine harmonieren miteinander und entwickeln schnell unwiderstehliche Chemie. Gerade im ersten Filmdrittel führt das zu einigen sehr amüsanten und an Anspielungen und Doppeldeutigkeiten reichen Momenten, wenn Diana den splitternackten Trevor ("überdurchschnittlich") beim Baden erwischt oder ihm sehr sachlich von ihrem umfassenden Wissen um die menschlichen Fortpflanzungsmechanismen erklärt.

Wonder Woman (2017) Filmbild 5Klipp und klar gesagt: Wonder Woman ist die beste DC-Comicverfilmung seit The Dark Knight Rises und findet die richtige Balance zwischen Unterhaltung, Sorglosigkeit und aufrichtiger Ernsthaftigkeit, die trotz der zuvor genannten Vergleiche vermutlich am ehesten noch an den Ton von Richard Donners Superman erinnert. Die Fans der letzten drei DC-Adaptionen  müssen jedoch keine Marvelisierung  des Universums befürchten. Vielmehr haben die Macher und das Studio endlich eingesehen, dass sich humorvolle Leichtigkeit und eine sehr ernsthafte Herangehensweise an das Thema keineswegs gegenseitig ausschließen. Visuell bleibt Patty Jenkins mit ihrem ersten Film seit ihrem oscarprämierten Regiedebüt Monster vor 14 Jahren (ob zum Besseren oder zum Schlechteren) der dreckig-bunten, untersättigten Farbpalette und der Zeitlupen-Verehrung der Marke Zack Snyder treu. Der Fish-out-of-Water-Humor, die altmodische Screwball-Comedy zwischen Gadot und Pine und die mitreißend inszenierte Action (samt Lasso, Schwert und Armreifen), die bei Wonder Womans erstem Einsatz an der Kriegsfront einen wirklich spektakulären Höhepunkt erreicht, sollten die Zuschauer jedoch breit grinsend zurücklassen und die ersten beiden Akte des Films vergehen wie im Flug, sodass man sich erst hinterher über die diversen Ungereimtheiten und Logiklöcher wundert, die sich vor allem auf das Worldbuilding von Themyscira beziehen. Was machen die Amazonen eigentlich den lieben langen Tag, wenn sie nicht gerade mit tödlichen Waffen trainieren? Welchen Sinn hat ein Schutzschild, wenn jeder problemlos durch ihn durchkommen kann? Wie kommt es, dass Amazonen mehr als 100 Sprachen beherrschen, Englisch jedoch nur mit einem seltsamen Akzent? Und wo genau liegt die Insel, wenn Diana und Trevor nur einen halben Tag von ihr bis nach London mit einem kleinen Segelboot benötigen?

Wonder Woman (2017) Filmbild 6Doch solche Drehbuchschwächen kommen eigentlich in den meisten großen Blockbustern vor und haben mein Vergnügen nicht geschmälert. Jedoch hat sich Wonder Woman noch nicht gänzlich von allen Altlasten seiner DC-Vorgänger befreit und diese kommen im letzten Akt, insbesondere beim finalen Showdown, zum Tragen. Es ist als ob Jenkins vorgeschrieben wurde, dass jede DC-Verfilmung mit einem destruktiven, CGI-trächtigen, Over-the-Top-Showdown zu enden hat, der trotz (oder gerade wegen) seines Bombasts die schwächste Actionszene des Films darstellt und mich leider an den Doomsday-Kampf am Ende von Batman v Superman erinnerte. Die Einsätze sind einfach nicht hoch genug, um den Kampf wirklich spannend werden zu lassen, und man kann sich wirklich nur so häufig eine Gott-gegen-Gott-Materialschlacht anschauen, bevor es nur noch irgendwie ermüdend wirkt. Zum Glück ist das nur eine unglückliche Fußnote in einem ansonsten gelungenen Superheldenfilm, der das Rad vielleicht nicht neu erfindet, doch das Universum zumindest auf den richtigen Pfad bringt, der eine bessere und vielleicht sogar wundervolle (sorry, ich konnte nicht widerstehen) Zukunft verspricht.

Fazit

Wonder Woman vermischt in seiner Darstellung der Figur-Mythologie frei Elemente aus dem Goldenen, dem Silbernen und dem Bronzenen Zeitalter der DC-Comics sowie aus der "The New 52"-Ära, doch letztlich macht sich Gal Gadot mit einer delikaten Mischung aus Furchtlosigkeit, Kampfgeist, Naivität und Idealismus die Rolle mühelos zu Eigen, erhebt diese über ihre Ursprünge hinaus und schenkt uns die beste Comic-Superheldin der Filmgeschichte (zugegeben, die Konkurrenz ist mager). Obwohl einige wenige Probleme der Vorgänger leider auch diesen Film plagen und ein Genre-Meisterwerk verhindern, schlägt er dennoch als bester Beitrag des DC-Kinouniversums einen guten Weg für das Mega-Franchise ein.

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Pirates of the Caribbean: Salazars Rache (2017) Kritik

Pirates of the Caribbean Salazars Rache (2017) Filmkritik

Pirates of the Caribbean: Dead Men Tell No Tales, USA 2017 • 129 Min • Regie: Joachim Rønning und Espen Sandberg • Mit: Johnny Depp, Javier Bardem, Brenton Thwaites, Kaya Scodelario, Geoffrey Rush • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 25.05.2017 • Website

Handlung

Seit seiner Kindheit hat Henry (Brenton Thwaites) nur ein Ziel im Leben: seinen Vater Will Turner (Orlando Bloom) vom Fluch des "Fliegenden Holländer" zu befreien und seine Familie endlich wieder zu vereinen. Als junger Soldat im Dienst der britischen Marine hat er endlich einen Weg dazu gefunden. Der sagenumwobene Dreizack des Poseidon soll in der Lage sein, jeden Fluch der Meere zu brechen. Um diesen zu finden, benötigt er die Hilfe der eigenwilligen jungen Astronomin Carina (Kaya Scodelario) und des alten Weggefährten seines Vaters, Captain Jack Sparrow (Johnny Depp). Beide verfolgen jedoch auf der Suche nach dem Dreizack eigene Ziele. Die wegen ihrer wissenschaftlichen Forschungen als Hexe verurteilte Carina möchte mithilfe des Tagesbuchs ihres verschollenen Vaters dessen die Theorien über den Dreizack beweisen. Für Jack geht es wiederum um Leben und Tod, denn Kapitän Armando Salazar (Javier Bardem), den Jack einst durch ein waghalsiges Manöver zum untoten Dasein im Teufelsdreieck verurteilte, ist gemeinsam mit seiner Geister-Crew seinem Gefängnis entkommen und sinnt auf Rache. Nur der Dreizack kann ihn noch aufhalten. Auf der Suche nach Jack vernichtet der von Zorn zerfressene Salazar systematisch alle Piratenschiffe. Um sich und seine Crew zu retten, spielt Hector Barbossa (Geoffrey Rush) ein gefährliches Spiel und geht ein wackeliges Bündnis mit Salazar ein. So beginnt ein Wettlauf um die Zeit, bei dem Henry, Carina und Jack nicht nur von Salazar und Barbossa, sondern auch von der britischen Flotte verfolgt werden.

Kritik

Pirates of the Caribbean Salazars Rache (2017) Filmbild 1

In einer frühen Szene von Pirates of the Caribbean – Salazars Rache, dem fünften Film in Disneys milliardenschwerem Franchise, wird der betrunkene Jack Sparrow nach einem verbockten Bankraub von seinen enttäuschten Crew-Mitgliedern ausgeschimpft und mit der bitteren Wahrheit konfrontiert: er ist nicht mehr der legendäre und berüchtigte Piratenkapitän, sondern ein verarmter Säufer, dem nur noch ein alter, brüchiger Kahn gehört und der nichts mehr zustande bringt. Man kann als Zuschauer dabei nicht anders, als sich wundern, ob das nicht ein cleverer Meta-Kommentar über den Darsteller des extravaganten Piraten ist. Verfolgt von zahlreichen beruflichen Misserfolgen und privaten Skandalen, wie seinen betrunkenen öffentlichen Auftritten oder der unangenehmen, in den Medien breit getretenen Trennung von seiner Frau Amber Heard, hat Johnny Depp einige holprige Jahre hinter sich. Es sind inzwischen sechs Jahre seit seinem letzten großen Kinoerfolg vergangen und dieser war ironischerweise sein letzter Auftritt als Captain Jack Sparrow in Fremde Gezeiten. Doch es war nicht immer so. Eine Zeitlang war Depp der größte und bestbezahlte Filmstar der Welt und auch das hat er einzig und alleine der Piratenreihe zu verdanken. Als Disney vor 15 Jahren Pläne bekanntgab, einen Blockbuster basierend auf einer Disneyland-Attraktion zu entwickeln, wurde das Vorhaben von vielen ungläubig belächelt und prompt wurde ein Kinoflop prophezeit. Piratenfilme galten seit dem Riesenfiasko Die Piratenbraut (1995) als Kassengift, Johnny Depp war damals zwar ein anerkannter Star der Indie-Szene, jedoch kein bewährter Zuschauermagnet, und der Plan, einen Film aus einem Fahrgeschäft zu machen, erschien vielen reichlich abstrus und als ein weiteres Zeichen von Hollywoods Ideenlosigkeit. Doch nur ein Jahr später wurden alle Zweifler schnell an den Spruch "Wer zuletzt lacht, lacht am besten" erinnert, denn Disney hatte jeden Grund zum Lachen, als Fluch der Karibik 2003 zum universell beliebten und enorm erfolgreichen Blockbuster wurde, der später auch noch für fünf Oscars nominiert wurde und Depp seine erste Nominierung für die goldene Statue einbrachte. Eine Geldkuh war geboren.

Pirates of the Caribbean Salazars Rache (2017) Filmbild 2

Nur die wenigsten werden bestreiten, dass der erste Film der Reihe der beste war, doch auch die darauffolgenden beiden Sequels von Gore Verbinski hatten trotz ihrer aufgeblähten Laufzeiten und zunehmend konfuseren Handlung (wie häufig hintergehen die Charaktere in Am Ende der Welt eigentlich einander?) ihre Reize, die nicht zuletzt in den spektakulären Actionsequenzen und einem zunächst zuverlässig spaßigen Johnny Depp lagen, der die Rolle von Jack Sparrow so sehr vereinnahmte, wie es in den seitdem veröffentlichten Blockbustern höchstens bei Robert Downey Jr. und Tony Stark der Fall war. Deutliche Ermüdungserscheinungen traten dann bei Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten zutage und es fiel auf, dass ohne den Puffer durch Orlando Bloom und Keira Knightley Jack Sparrow als alleinige Hauptfigur auf Dauer anstrengend sein kann, insbesondere da Depps Chose irgendwann redundant wurde. An den weltweiten Kinokassen hat sich das kaum bemerkbar gemacht, doch die Reaktion vieler enttäuschten Fans ist angekommen. Also versprachen die für den fünften Film engagierten norwegischen Regisseure Joachim Rønning und Espen Sandberg, die mit dem fantastischen, oscarnominierten Abenteuerfilm Kon-Tiki bereits in die See stachen, eine Rückkehr zu den Wurzeln und eine Rückbesinnung darauf, was den ersten Film so gut gemacht hat.

Pirates of the Caribbean Salazars Rache (2017) Filmbild 4

In der Umsetzung bedeutete das neben der Rückkehr von Orlando Bloom für ein kurzes Cameo, im Prinzip eine Wiederholung von zahlreichen Elementen aus dem ersten Film. Wieder ist es eine unheimliche, unaufhaltsame Geister-Crew, dessen Kapitän ein Hühnchen mit Jack Sparrow zu rupfen hat. Wieder darf sich Johnny Depp das Rampenlicht mit zwei attraktiven Newcomern teilen, die die eigentlichen Protagonisten des Films sind und dafür sorgen, dass Jacks Humor besser dosiert auf das Publikum losgelassen wird. Leider hat Orlando-Bloom-Ersatz Brenton Thwaites (Gods of Egypt) die Leinwandpräsenz und das Charisma eine Holzplanke, besitzt jedoch definitiv das Zeug zu einem schneidigen Mädchenschwarm. In beiden Aspekten ist er seinem Filmvater aus den ersten Pirates-Filmen nicht unähnlich, also bleibt man in dieser Hinsicht der Tradition wohl treu. Störender ist tatsächlich, dass der Film einem weismachen will, dass Thwaites der Sohn der nur vier Jahre älteren Keira Knightley und des zwölf Jahre älteren Orlando Bloom ist. Deutlich besser schneidet Kaya Scodelario (Maze Runner) ab, die eine viel proaktivere und interessantere Rolle als Knightley im ersten Film einnimmt, aber auch (Korsetten sei dank!) die Augenweiden-Funktion erfüllt. Doch das mit Abstand größte Lob unter allen Cast-Mitgliedern gebührt Javier Bardem, dessen diabolischer Captain Salazar sich neben Anton Chigurh aus No Country for Old Men und Raoul Silva aus Skyfall als ein weiterer von Bardem zum Leben erweckter starker Bösewicht einreiht. Durch die Intensität seines Spiels vermittelt er erfolgreich die Nachvollziehbarkeit seiner Motive und seines Rachefeldzugs gegen Piraten.  Man kann nur dankbar sein, dass es doch nicht Christoph Waltz geworden ist, der zeitweise im Gespräch war, denn die Welt braucht keine x-te Version von Hans Landa.

Doch was ist eigentlich mit Johnny Depp, dem einstigen Star der Reihe? Der Grund, weshalb ich mich noch nicht ausführlicher zu ihm geäußert habe, liegt einfach darin, dass es da nicht viel zu sagen gibt. Abgesehen von der anfangs erwähnten, vermutlich unbeabsichtigten Selbstironie, zieht er als Sparrow hier wieder sein Ding durch, ohne dass die Figur jegliche Fortschritte in der Entwicklung durchmacht. Wer sich davon bislang immer gut unterhalten fühlte, wird es wieder sein, doch so langsam wirken seine Marotten ausgelutscht und sein Schauspiel auf Autopilot.

Pirates of the Caribbean Salazars Rache (2017) Filmbild 3

In einer Zeit von immer länger werdenden Blockbuster-Sequels rudern Rønning und Sandberg zum Glück zurück und verzichten auf die ausufernden Laufzeiten der Vorgänger. Mit "nur" 129 Minuten ist Salazars Rache der bislang kürzeste Film der Reihe, weist aber dennoch gerade in der zweiten Hälfte einige Längen auf. Diese gehören mittlerweile fast schon zu den Markenzeichen der Reihe, denn sogar der großartige erste Film hätte ruhig etwas gestrafft werden können. Doch während jener trotz (oder gerade wegen) seines altmodischen Abenteuer-Feelings erfrischend wirkte, beschleicht einen in fast jeder Szene von Salazars Rache das Gefühl, das alles irgendwie schon gesehen zu haben. Nichts Neues also im Land der Karibik-Piraten, doch für angenehme Nachmittagsunterhaltung reicht es allemal aus. Eine ausgedehnte Actionsequenz im ersten Akt, bei der ein Bankraub nicht ganz nach Plan verläuft, ist sehr einfallsreich und visuell toll umgesetzt. Gleiches gilt auch für Salazars Crew, seine Geisterhaie (!) und sein Schiff, das wie ein eigenes Lebewesen wirkt und andere Schiffe buchstäblich verschlingt. Die Effekte sind selbstverständlich erstklassig.

Von Logan über Fast & Furious 8 bis Guardians of the Galaxy Vol. 2 wird Thema "Familie" dieses Jahr bei Blockbustern ganz groß geschrieben und spielt auch bei Salazars Rache eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zum Marvel-Sequel, das seine großen emotionalen Momente sorgfältig vorbereitete, verfehlt der neue Pirates-Streifen jedoch mehr emotionale Noten, als er trifft. Eine gewisse Wendung im dritten Akt, die den emotionalen Höhepunkt des Films darstellen soll, wirkt beliebig und unverdient, was wirklich schade ist, denn die Idee ist gut, an der Umsetzung hat es jedoch gehapert.

Letztlich ist Pirates of the Caribbean – Salazars Rache weder ein Schandfleck auf der Franchise-Weste noch dessen glorreiche Wiederauferstehung aus zunehmender Irrelevanz, sondern einfach nur solide Unterhaltung, die die meisten Zuschauer zumindest gerade so zufriedenstellen wird, dass sie den Kauf des Kinotickets nicht bereuen werden, sich jedoch nicht lange an den Film erinnern werden. Neben einer weiteren tollen Rolle für Javier Bardem besteht für mich der größte Verdienst des Films darin, dass er bei mir die Lust geweckt hat, den ersten Teil wieder einmal anzuschauen. Wer von Jacks Abenteuern nicht genug bekommt, kann sich auf weitere Fortsetzungen freuen, die die obligatorische Szene nach dem Abspann in Aussicht stellt.

Fazit

Pirates of the Caribbean – Salazars Rache bietet leicht verdauliche Nachmittagsunterhaltung mit einigen spektakulär in Szenen gesetzten Actionsequenzen und einem herausragenden Bösewicht, doch wie schon sein Vorgänger, bleibt der Film dennoch eine recht belanglose und letztlich überflüssige Ergänzung zum Piraten-Franchise, bei der nicht alle Gags zünden und nicht alle Wendungen ihre erhoffte emotionale Wirkung entfalten.

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Das 9. Leben des Louis Drax (2016) Blu-ray-Kritik

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Das 9. Leben des Louis Drax (2016) Filmkritik

The 9th Life of Louis Drax, GB/CA/USA 2016 • 107 Min • Regie: Alexandre Aja • Drehbuch: Max Minghella • Mit: Jamie Dornan, Sarah Gadon, Aiden Longworth, Aaron Paul, Oliver Platt, Barbara Hershey • Kamera: Maxime Alexandre • Musik: Patrick Watson • FSK: ab 12 Jahren • Verleih: Universum Film • Heimkinostart: 21.04.2017 • Website

Das 9. Leben des Louis Drax (2016) Filmbild 1In Alexandre Ajas „Das 9. Leben des Louis Drax“ ist nichts, wie es zunächst scheint. Basierend auf dem gleichnamigen Bestseller von Liz Jensen entwirft der französische Horror-Profi (u.a. „High Tension“ und „The Hills Have Eyes“) ein faszinierendes Mysterium um einen neunjährigen Jungen, der einen vermeintlich tödlichen Sturz wie durch ein Wunder überlebt und seitdem im Koma liegt. Ohne Blutfontänen oder billige Schockmomente nimmt sich das Werk Zeit, die Beziehungen der Figuren auszuloten und zunehmend fantastische Elemente in die Geschichte einzuflechten. Dabei gelingt es dem Regisseur zwar nicht durchgehend, den Wechsel zwischen tragischen, erschreckenden und skurrilen Passagen besonders elegant zu meistern, doch das Resultat am Ende stimmt: Der ambitionierte Film nimmt einen undurchsichtigen und vertrackten Weg in Kauf, um die Zuschauer letztlich mit der emotionalen Faust unvermittelt und brutal zu treffen.

Das 9. Leben des Louis Drax (2016) Filmbild 2Louis Drax (Aiden Longworth) ist alles andere als ein gewöhnliches Kind. Seit seiner schwierigen Geburt übersteht er im Jahrestakt bedrohliche Ereignisse – Unfälle, Insektenstiche und Infektionen sind mannigfaltig in seiner kurzen Vita vertreten. Seine Mutter Natalie (Sarah Gadon) und sein Vater Peter (Aaron Paul) befinden sich in einer Ehekrise, die durch den jüngsten Zwischenfall mit ihrem Sohn ihren Höhepunkt findet: An seinem neunten Geburtstag stürzt Louis während eines Familienpicknicks von einer Klippe. Infolge eines aufwändigen Eins­atzes wird der Junge aus den Fluten geborgen, aber im Krankenhaus für tot erklärt – bis schließlich in der Leichenhalle die Überraschung groß ist, dass die Feststellung des Arztes offensichtlich falsch war. Louis lebt und befindet sich im Koma, während von seinem Vater seit dem Vorfall jede Spur fehlt. Hat Peter Drax womöglich etwas mit dem Sturz zu tun? Der Spezialist Dr. Allan Pascal (Jamie Dornan) wird mit dem sonderbaren Fall betraut, der ihn immer tiefer in die Vergangenheit und das Wesen seines Patienten hineinzieht. Langsam entwickelt sich zwischen ihm und Natalie eine tiefere Zuneigung, doch einige beunruhigende Geschehnisse verweisen stetig auf eine düstere Wahrheit …

Das 9. Leben des Louis Drax (2016) Filmbild 3Schon mit dem Vorgänger „Horns“ (2013) hat sich Alexandre Aja einen vielschichtigen Stoff für seine Abkehr von den expliziten Hardcore-Wurzeln ausgesucht. Ähnlich wie bei der Joe-Hill-Adaption hat der passionierte Genre-Liebhaber auch hier seine Probleme damit, die verschiedenen Stimmungen aus der Literaturvorlage als ein in sich völlig homogenes Ganzes umzusetzen. „Das 9. Leben des Louis Drax“ beginnt wie eine tiefschwarze Komödie und entpuppt sich im Verlauf als mit magischem Realismus und parapsychologischen Ansätzen angereichertes Familiendrama im Thriller-Gewand. Klingt abgedreht? Ist es definitiv auch – allerdings schafft es Aja, dass einen diese abenteuerliche Konstruktion direkt packt und bis zum Schluss nicht mehr loslässt. Gründe dafür sind, neben der knackigen Inszenierung, die vielen lebhaften Charaktere, deren Verhältnis zueinander das größte Geheimnis beherbergt. Welcher Konflikt besteht wirklich zwischen Natalie und Peter? Welche Rolle spielt der als „fetter Perez“ (Oliver Platt) bezeichnete Psychiater des Kindes? Und wie steht der in seinem Verhalten deutlich auffällige Louis tatsächlich zu seinem Umfeld? Man sollte nicht den Fehler begehen, den Film lediglich aus dem Blickwinkel des Jungen, der als Kommentator aus dem Koma und in Rückblenden in Aktion tritt, zu betrachten. Kinder sagen zwar bekanntlich immer die Wahrheit, doch die Frage ist, wie ein Kind die Wahrheit interpretiert. Der einzige Charakter, der erst im Anschluss an das fatale Ereignis in die Erzählung stößt und sich als Außenstehender am ehesten als Identifikationsfigur anbietet, ist der mit innovativen Methoden praktizierende Dr. Pascal. Worauf die Geschichte letztlich hinausläuft, bleibt trotz diverser Hinweise ein Rätsel.

Das 9. Leben des Louis Drax (2016) Filmbild 4Auch wenn sich das Werk stilistisch deutlich von den brachialen Anfängen des Regisseurs unterscheidet, steht hier ein Thema im Mittelpunkt, dem schon in jeder seiner vorherigen Arbeiten eine besondere Rolle zukam: Die Familie. Streift man nach Sichtung sämtliche Fantastik ab, bleibt ein berührendes und mit seinem ernsten Hintergrund erschütterndes Bild haften. Monster gibt es in der Wirklichkeit ebenso wenig wie Menschen, die nur gut oder böse sind. Während einen die Psychokiller, Kannibalen, Spiegel und gefräßigen Fische aus Ajas Vorgängern nur für den Moment verängstigt haben, wirkt die verstörende Auflösung von „Das 9. Leben des Louis Drax“ nach. Dieses verzauberte Gewässer verbirgt unter seiner Oberfläche finstere Abgründe.

Ursprünglich war Liz Jensens Buch übrigens als Vorlage zu einem Projekt des verstorbenen Oscar-Preisträgers Anthony Minghella („Der englische Patient“) angedacht. Dessen Sohn Max hat nun das Drehbuch verfasst und einen gelungenen Einstand als Autor vorgelegt. Ob der Stoff unter der Aufsicht seines Vaters ein packenderes Resultat ergeben hätte, darf bezweifelt werden: Alexandre Aja gelingt trotz tonaler Schwankungen ein bemerkenswert komplexer und erwachsener Film mit durchweg starken Schauspieler-Performances. Irgendwo zwischen der emotionalen Kraft von „Sieben Minuten nach Mitternacht“ und dem morbiden Charme von „Donnie Darko“ findet der interessante „Das 9. Leben des Louis Drax“ eine eigene Nische und dürfte besonders Freunde geheimnisvoller und bewegender Geschichten begeistern.


Information zur Heimkinoveröffentlichung

Ab dem 21. April 2017 ist Das 9. Leben des Louis Drax im Verleih von Universum Film in deutscher und englischer Sprachfassung (mit wahlweise deutschen Untertiteln) als DVD und Blu-ray erhältlich.

Neben dem Hauptfilm liegen der DVD- und Blu-ray-Veröffentlichung folgende Extras vor:

Das 9. Leben des Louis Drax Blu-ray Disc
• Interviews mit Cast und Crew
• Trailer
• Trailershow

 
 
 

(Cover © Universum Film)


Trailer


Box-Office USA: Guardians of the Galaxy Vol. 2 siegt mühelos, King Arthur floppt

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Guardians of the Galaxy Vol 2 King Arthur Box Office

Links: Guardians of the Galaxy Vol. 2 © 2017 Walt Disney Pictures
Rechts: King Arthur: Legend of the Sword © 2017 Warner Bros. Pictures

Quelle: Boxofficemojo

Es ist schon fast ein unausgesprochenes Box-Office-Gesetz, dass Big-Budget-Blockbuster, die in Nordamerika am zweiten Mai-Wochenende anlaufen, in der Regel floppen. Zu den Opfern dieses zuverlässigen Trends gehören u. a. Dark Shadows, Speed Racer, Robin Hood, Poseidon und nun auch Guy Ritchies Interpretation der Artus-Legende, King Arthur: Legend of the Sword. Begründet ist dieser Umstand häufig damit, dass Filme an diesem Wochenende meist von noch größeren Blockbustern "eingeschlossen" sind und in deren Hype untergehen. Das schwache Abschneiden von Ritchies Fantasy-Epos und ein solider, jedoch unaufregender Start der Frauen-Komödie Mädelstrip führten dazu, dass der Gesamtumsatz der Top 12 um 32% gegenüber der Vorwoche, auf $127,2 Mio, zurückging. Ein noch größerer Verlust wurde durch den Muttertag am Sonntag verhindert, von dem bestimmte Filme an den Kinokassen sehr profitieren. Gegenüber dem gleichen Wochenende im Vorjahr, als The First Avenger: Civil War erneut führte, ging es um etwa 2% rauf.

Im Angesicht der schwachen Konkurrenz dominierte Guardians of the Galaxy Vol. 2 wieder die nordamerikanischen Kinocharts und hievte sich bereits auf Platz 2 der umsatzstärksten Filme des Jahres. Das Marvel-Sequel fiel um 55,5% auf $65,3 Mio an seinem zweiten Wochenende und brachte sein fantastisches Gesamteinspiel auf $248,4 Mio nach nur zehn Tagen. Der Film hielt sich in der zweiten Woche besser als Iron Man 3, Avengers: Age of Ultron und Civil War, die jeweils um 58,4%, 59,4% und 59,5% fielen. Der Rückgang war nahezu identisch zu dem vom ersten Guardians, der aber auch deutlich schwächer eröffnete. Der Film liegt 41% vor dem Einspiel seines Vorgängers im selben Zeitraum und hat bereits stolze 75% von dessen Gesamteinspiel in Nordamerika umgesetzt. Es bestehen keinerlei Zweifel daran, dass Vol. 2 den ersten Film überholen wird, höchstwahrscheinlich noch diesen Monat. Guardians of the Galaxy Vol. 2 hat jetzt schon die Gesamteinspielergebnisse von Doctor Strange und Thor – The Dark Kingdom in den USA und in Kanada überholt. Weltweit sieht es für den Film mit etwa $630 Mio Einspiel ähnlich gut aus. Das Original spielte vor drei Jahren weltweit insgesamt $773 Mio ein.

Da der größte Konkurrent kommende Woche, Alien: Covenant, ein R-Rating trägt, wird er Guardians nicht sehr in die Quere kommen. Überhaupt richtet sich nur ein einziger großer Film diesen Monat an das gleiche Publikum und dieser stammt ebenfalls aus dem Hause Disney – Pirates of the Caribbean: Salazars Rache. Wenn zwei Blockbuster des gleichen Studios nahe beieinander liegen, kann der ältere der beiden sogar noch von Double Features mit dem neueren profitieren. Die erste richtige Bedrohung erwartet Guardians of the Galaxy Vol. 2 erst Anfang Juni mit Wonder Woman. Unter diesen sehr optimalen Voraussetzungen wird die Fortsetzung etwa $370-380 Mio in Nordamerika einspielen.

Platz 2 ging an die Komödie Mädelstrip mit Amy Schumer und Goldie Hawn in ihrer ersten Filmrolle seit 15 Jahren. Der von der Kritik verrissene Streifen kam mit $19,5 Mio von 3501 Kinos aus den Startlöchern und erzielte einen Schnitt von $5582 pro Spielstätte. Die Zuschauer waren von dem Film nur mäßig beeindruckt und vergaben ihm einen "B"-CinemaScore (äquivalent einer "2"). Wie erwartet, waren die Zuschauer größtenteils älter (72% über 25) und weiblich (73% Frauen). Aus diesem Grund profitierte Mädelstrip auch stark vom Muttertag am Sonntag. Bei einem Budget von $42 Mio wird der Film für Fox auf lange Sicht vermutlich ein Erfolg, jedoch ein deutlich kleinerer als Dating Queen, in dem Amy Schumer ihre erste Hauptrolle spielte. Jene Komödie spielte $110 Mio in Nordamerika ein (bei $35 Mio Produktionskosten) und Mädelstrip wird vermutlich bei $55-65 Mio landen. Daran zeigt sich, dass Qualität immer noch eine Rolle spielt.

Doch im Vergleich zum drittplatzierten Film am Wochenende war Mädelstrip ein gigantischer Erfolg, denn Guy Ritchies King Arthur: Legend of the Sword ging sang- und klanglos an den US-Kinokassen mit $15,4 Mio zum Start unter. In 3702 Lichtspielhäusern gab es einen Schnitt von lediglich $4152. Das Startwochenende liegt nur knapp über dem des letzten King-Arthur-Films von 2004, der mit $15,2 Mio von 3086 Kinos anlief. Auch der damalige Film galt schon als großer Flop, da er bei einem Budget von $120 Mio (ohne Marketingausgaben) nur $51,9 Mio in Nordamerika (und $204 Mio weltweit) einspielte. Wer hätte gedacht, dass ein neuer King Arthur noch teuerer und möglicherweise noch erfolgloser sein würde? Okay, vermutlich die meisten, die die uninspirierte Marketingkampagne von Warner Bros. verfolgt haben. Wie man auf die Idee kommt, $175 Mio in einen King-Arthur-Film zu investieren, nachdem der letzte schon so böse floppte, bleibt mir schleierhaft. Die Mundpropaganda ist bei einem "B+"-CinemaScore (äquivalent einer "2+") solide, wird jedoch keine große Rolle spielen, da der Film seine Leinwände sehr schnell verlieren wird. Mehr als $35-40 Mio ist nicht drin. Außer er wird international plötzlich zu einem Überraschungserfolg (und erste Zahlen sprechen definitiv nicht dafür), hat King Arthur: Legend of the Sword gute Chancen, zum größten Kinoflop 2017 zu werden.

Auf Seite 2 verraten wir Euch die neusten Einspielergebnisse von Fast & Furious 8, Die Schöne und das Biest und The Boss Baby.

Alien: Covenant (2017) Kritik

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Alien Covenant (2017) Filmkritik

Alien: Covenant, USA/AU/NZ/GB 2017 • 122 Min • Regie: Ridley Scott • Drehbuch: John Logan, Dante Harper • Mit: Michael Fassbender, Katherine Waterston, Billy Crudup, Danny McBride, Demián Bichir, James Franco • Kamera: Dariusz Wolski • Musik: Jed Kurzel • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: 20th Century Fox • Kinostart: 18.05.2017 • Deutsche Website

Alien Covenant (2017) Filmbild 3Das Äußere ist nicht alles, was zählt. Schon bei „Prometheus – Dunkle Zeichen“ (2012), dem ersten Teil seiner angekündigten „Alien“-Prequelreihe, hatte Regisseur Ridley Scott deutliche Schwierigkeiten, der atemberaubenden audiovisuellen Wucht des Werkes einen entsprechenden erzählerischen Spannungsbogen entgegenzusetzen. Mit einer faszinierenden ersten Hälfte und ambitionierten inhaltlichen Ansätzen, schaffte es der Schöpfer des Originalfilms zumindest, das Interesse an einer Weiterführung der Geschichte aufrechtzuerhalten. Vor allem, da am Ende viele Fragen offen geblieben sind, deren Beantwortung Stoff für ein packenderes Abenteuer bereithalten könnte. Wir erinnern uns: Bis auf die Wissenschaftlerin Shaw und den Androiden David ist die Besatzung der Prometheus tot und die Richtung Erde gesandte, tödliche Fracht der göttergleichen Ingenieure zerstört. Die beiden Überlebenden machen sich schließlich auf, den Planeten ihrer Gegner zu besuchen, um dort die Ereignisse weiter zu analysieren. Hier sind wir nun also – fünf Jahre später – mit der Fortsetzung „Alien: Covenant“.

Alien Covenant (2017) Filmbild 2Bevor die Handlung mit einer neuen Crew einsetzt, wirft der Film zunächst einen Blick zurück auf David (Michael Fassbender), der von seinem Entwickler Weyland (Guy Pearce) mit seinen Aufgaben vertraut gemacht wird. Unter den autoritären Worten des Menschen beginnt die Maschine, den nicht unwesentlichen Unterschied zwischen beiden anzumerken: Die menschliche Sterblichkeit. Wozu der offensichtlich mit einem Gottkomplex ausgestattete Android imstande ist, soll er im Verlauf des Vorgängerwerkes demonstrieren, in dem er einem Bordmitglied eine gefährliche außerirdische Substanz einflößt, die den Schrecken weiter in Gang setzt. David steht auch im Zentrum dieser Geschichte um die Besatzung des Kolonieschiffs „Covenant“, das sich auf Kurs zu einem erdähnlichen Planeten befindet. Durch einen fatalen Zwischenfall werden Teile der Anwesenden getötet, während der Rest vorzeitig aus dem künstlichen Schlaf erweckt wird. Nach dem Empfang eines mysteriösen Funkspruchs von einem nahe gelegenen Teil der Galaxie, entscheidet der neue Captain Oram (Billy Crudup), die Mission zu unterbrechen und diesem Signal zu folgen. Scheinbar hält auch dieser unbekannte Ort die optimalen Lebensbedingungen für eine Besiedlung bereit. Was er und sein Team, zu dem auch die toughe Daniels (Katherine Waterston) und der Android Walter (ebenfalls Fassbender) gehören, nicht ahnen, ist, dass in der verlassenen Landschaft eine todbringende Gefahr lauert. Und dann erscheint plötzlich David als Retter in der Not …

Alien Covenant (2017) Filmbild 1Beginnen wir mit den positiven Aspekten: Ridley Scott bleibt ein Meister der stimmungsvollen Bilder. Was er in „Alien: Covenant“ erneut mit seinem Kameramann Dariusz Wolski auf die Leinwand zaubert, könnte man sich auch zuhause im Rahmen an die Wand hängen. Vorausgesetzt, man steht auf düstere Kunst – denn dieses Sequel zum Prequel ist in Sachen Atmosphäre noch deutlich grimmiger geraten, als der schon nicht sonderlich sonnige Vorgänger. Dazu kommt ein Score des Australiers Jed Kurzel („Macbeth“), der zu Beginn die berühmten „Alien“-Klänge Jerry Goldsmiths kopiert, um dann in der späteren Handlung auf eigene, bedrohlich-wummernde Rhythmen zu setzen, die perfekt das Höllenszenario unterstreichen. Außerdem – und diese Information lässt sich schon von dem Filmtitel ableiten – gibt es im Vergleich zu „Prometheus“ wieder einen Zuwachs an blutrünstigen Kreaturen zu begutachten, die allerdings noch nicht ganz dem Grauen aus dem Jahr 1979 gleichen. Dennoch: Diese sogenannten „Neomorphs“ haben was und richten in dem Werk einige fiese Schweinereien an, auf die sich die hartgesottenen Fans sicher bereits freuen. Sir Ridley hält definitiv sein Wort, wenn er angibt, die Todesszene John Hurts aus seinem Original hier zu toppen. Doch schicke Aufnahmen, effektive Musik sowie massig Blut und Schleim machen noch keinen guten Film aus.

Alien Covenant (2017) Filmbild 4Und somit kommen wir zu den Kritikpunkten, die leider deutlich überwiegen. Ich möchte zunächst anmerken: Es kommt selten vor, dass ich mich in Blockbustern über die Blödheit von Figuren ernsthaft ärgere. So hat mich der indiskutable Dutzidutziduu-kleine-Weltraumschlange-Moment in „Prometheus“ durchaus gestört, wurde aber in meiner Kritik dennoch unterschlagen. In „Alien: Covenant“ gelingt es Scott allerdings, dass ich mich am liebsten im Vordersessel festgebissen hätte, um nicht laut zu schreien. Nur ein Beispiel: Nehmen wir an, ein Wesen bricht aus einem Körper hervor und Blut spritzt einer Helferin ins Gesicht – macht es wirklich Sinn, dass diese dann aus der Zone flieht und eine weitere kontaminierte Person isoliert? Eher nicht. Außerdem rutscht besagte Figur bei dem Versuch ein Monster zu erlegen auf einer Blutspur aus, verdreht sich anschließend bei der Flucht das Knie in der Tür und dann – nun, seht selbst! Es ist das erste Mal, dass ich in einem Film wirklich Mitleid mit Charakteren hatte, weil sie zu dumm zum Überleben sind. Zu dem Komplex Figuren/Schauspieler muss übrigens angemerkt werden, dass Katherine Waterston („Inherent Vice – Natürliche Mängel“) und Danny McBride aus ihren sehr flachen Rollen noch das meiste Potential schöpfen, während Billy Crudup als aufgrund seiner Gläubigkeit von den wissenschaftlichen Kollegen wenig geschätzter Captain gehörig nervt und ebenfalls, naja, dumm ist. Die Show gehört natürlich Michael Fassbender, der hier gleich doppelt agiert und mit dessen David das gesamte Werk steht und fällt.

Alien Covenant (2017) Filmbild 5Und es fällt: All das, was der Vorgänger an interessanten Anschluss- und Erklärungsmöglichkeiten angeboten hatte, wird in „Alien: Covenant“ nicht genutzt. Man muss sich das in etwa so vorstellen: In „Prometheus“ gab es deutliche Anspielungen, dass mit dem Androiden nicht alles richtig läuft und er eine Gefahr für die Besatzung darstellt. Es war schlau von Scott und/oder den Autoren, den Charakter dennoch ein Stück weit ambivalent zu gestalten. Welche Agenda diese Maschine genau verfolgt, konnte man erahnen, aber nicht hundertprozentig wissen. Dieser Schleier soll nun in diesem Film gelüftet werden, was sich jedoch als absolut überflüssiges und in seiner aufdringlichen Darbietung anstrengendes Unterfangen herausstellt: „Alien: Covenant“ markiert ein Kapitel in der Saga, das die Handlung nicht nur kaum weiterbringt, sondern in seiner Zerfahrenheit die Brücke zwischen Prequel und Sequel beschädigt. Es gibt Mad-Scientist- und Body-Horror-Elemente, einen vollständigen Cast, der nur als Monsterfutter herhalten soll und sonst keine bedeutende Rolle spielt, und diverse Verweise auf Kunst und literarische Werke, die zusätzliche Tiefe suggerieren sollen, aber letztlich nur leer im Raum stehen. Einen vermeintlichen Twist gibt es auch noch, der aber vermutlich bei den meisten Zuschauern deutlich vor seiner Zeit gelüftet ist. Was haben wir noch? Eine Martial-Arts-Einlage mit einem selten lächerlichen Spruch als Bonus – den man aber zumindest zuvor noch nie so gehört hat.

Machen wir es zum Ende noch einmal kurz und schmerzhaft: „Alien: Covenant“ fühlt sich ein wenig so an wie eine A-Produktion von Roger Cormans „Carnosaurus“.


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Raw (2016) Kritik

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Grave, FR/BE/IT 2016 • 99 Min • Regie & Drehbuch: Julia Ducournau • Mit: Garance Marillier, Ella Rumpf, Rabah Naït Oufella, Laurent Lucas, Joana Preiss, Marion Vernoux, Jean-Louis Sbille • Kamera: Ruben Impens • Musik: Jim Williams • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Heimkinostart: 26.10.2017 • Website

Raw 10Ein Studentenleben kann die Hölle sein: Weg aus dem behüteten Elternhaus, rein in eine schäbige Bruchbude. Neues Umfeld. Harte Prüfungen. Und das alles auf einmal. In Julia Ducournaus kontroversem Spielfilmdebüt „Raw“ steht dieser Abschnitt metaphorisch für den Beginn von Veränderungen verschiedenster Art – auch körperlicher. Die junge Französin entwirft in ihrer Coming-of-Age-Geschichte ein groteskes Szenario, das wie eine im Fiebertraum verzerrte Realität anmutet. Selbst wenn das Werk Body-Horror-Elemente aufweist und das Tabuthema „Kannibalismus“ anschneidet, sollte man jedoch nicht den Fehler begehen, dieses als plumpes Genre-Kino abzutun. „Raw“ ist zu gleichen Teilen Drama, rabenschwarze Komödie und monströser Schocker, ohne auf diesem erzählerischen Drahtseil je die Balance zu verlieren – hoch über dem Einheitsbrei austauschbarer Produktionen schreitet die Regisseurin/Drehbuchautorin mit ihrer individuellen Vision sicher und mutig voran.

Raw 8Es ist ein Neustart für Justine (Garance Marillier), die nach einem herausragendem Schulabschluss in die Fußstapfen ihrer Eltern (Joana Preiss und Laurent Lucas) und ihrer älteren Schwester Alexia (Ella Rumpf) treten und an der Uni Veterinärmedizin studieren soll. Wie der Rest ihrer Familie ist auch sie überzeugte Vegetarierin – bis sie zusammen mit den anderen Erstsemestlern von den älteren Kommilitonen aus dem Bett gezerrt und zu einer Reihe bizarrer Aufnahmerituale genötigt wird. Unter anderem soll jeder eine rohe Hasenleber verzehren, wozu die schüchterne Justine zunächst nicht in der Lage ist, aber letztlich von der schroffen Alexia überredet wird. Offensichtlich hat ihre Schwester unlängst mit der strikt fleischfreien Vergangenheit gebrochen und sich in Abwesenheit der Erzeuger zum Karnivoren entwickelt. So soll es schließlich auch dem brillanten Wunderkind ergehen, denn nach einem quälenden Hautausschlag, der als mögliche allergische Reaktion auf das neue Nahrungsmittel gedeutet wird, giert auch Justine auf mysteriöse Weise nach frischem Fleisch. Zuerst wird in der Kantine ein Hamburger gemopst, dann der Kühlschrank ihres schwulen Mitbewohners Adrien (Rabah Naït Oufella) geplündert und letztlich landet nach einem kleinen Unfall gar ein menschlicher Überrest in ihrem Schlund. Für Alexia ist der Zeitpunkt gekommen, das noch unbeholfene Familienmitglied an der Hand zu nehmen und in ein finsteres Geheimnis einzuweihen …

Raw 11Nach Aufführungen auf diversen Festivals hat „Raw“ vor allem als der Film Furore gemacht, der aufgrund expliziter Ekelszenen diverse Zuschauer ohnmächtig vom Sessel kippen ließ. Gleich vorweg: Wer sich an ausgedehntem Splatter erfreuen möchte und etwas in Richtung des berüchtigten Kultwerkes „Cannibal Holocaust“ (1980) erwartet, wird hier entgegen der reißerischen Berichte nicht fündig werden. Möglicherweise haben die Opfer dieser reichlich wilden, aber sicher nicht ultrablutrünstigen, Arbeit bislang gedacht, dass in Frankreich lediglich Programmkino-Heiterkeiten à la „Willkommen bei den Sch’tis“ produziert würden und frühere Hardcore-Ware der Marke „Inside“ (2007) oder „Martyrs“ (2008) schlicht nicht zur Kenntnis genommen. Nicht die Schuld der aufregenden Newcomerin Ducournau, die übrigens keines dieser Lager bedient, sondern einen ganz eigenen Weg einschlägt. Als ihre größte Inspirationsquelle dienten dabei zweifellos die Frühwerke David Cronenbergs („Rabid“), wobei der Body-Horror-Aspekt in „Raw“ weitaus subtiler als bei dem kanadischen Genre-Urvater ausfällt. Während bei Cronenberg Körper oft auf erschreckendste Weise vollständig mutieren, sind die Veränderungen hier eher auf der Mikroebene zu finden: Etwa Hormone, die zu Lust führen oder Hautreaktionen hervorrufen, und Gene, die Träger mit spezifischen Eigenschaften ausstatten.

Raw 9Die Regisseurin ist besessen von dem, was äußere und innere Einflüsse mit dem Individuum anstellen. Nicht umsonst stellt sie den Studiumsantritt Justines wie eine Art von Geburt dar. Zu Beginn wirkt die junge Frau schutzlos, wie von den Eltern in einer Kristallkugel gefangen. Dieses imaginäre Gefäß zerbricht direkt in der ersten auswärtigen Nacht, in der sie gezwungen wird, buchstäblich auf allen vieren krabbelnd die unbekannte Umgebung wahrzunehmen. An der Uni wird sie schließlich mit allem konfrontiert, was einen heranwachsenden Menschen verändern und prägen kann: Neue soziale Kontakte, sexuelle Reize, geistige Herausforderungen, exzessive Partys, unterschiedliche Umgangsformen und auch Dinge, die zuvor undenkbar waren und nun wie die verbotene Frucht im Garten Eden lockend rufen. Aufmerksam beobachtet der Film die von der Newcomerin Garance Marillier sympathisch dargestellte Protagonistin und zeigt einen schleichenden Wandel in ihrem Verhalten auf. Im krassen Gegensatz steht die von Ella Rumpf („Tiger Girl“) verkörperte Alexia, die ihr mit ihren Erlebnissen ein Stück voraus ist und im Verlauf eine brutale Rivalität mit Justine entwickelt. Am Ende steht trotz determinierender Faktoren der freie Wille, mit dem man sein eigenes Handeln gestaltet.

Raw 7Der als knüppelharte Grenzerfahrung unzureichend beschriebene „Raw“ hat trotz einiger abstoßender Knabbereien und anderer Perversionen mehr als Kannibalenterror zu bieten. Unter der albtraumhaften Atmosphäre und dem prägnanten Score des Briten Jim Williams („Kill List“), der hier manchmal fast wie Dario Argentos Hausband Goblin losrockt, steckt eine Geschichte, die so sensibel, böse, komisch, tragisch, süß und irre wie das Erwachsenwerden selbst ist. Neben Robert Eggers („The Witch“) und aktuell Jordan Peele („Get Out“) legt nun mit Julia Ducournau eine weitere Senkrechtstarterin ein Debüt im Horrorfach vor, das sich abseits von Torture-Porn- oder Haunted-House-Trends einem tieferen Thema widmet und die Genre-Elemente versiert als Stilmittel einsetzt. „Raw“ trifft einen ähnlichen Ton wie Tomas Alfredsons gefeierter „So finster die Nacht“ (2008) und macht mit Menschenfressern das, was jenem Film mit Vampiren gelungen ist.

Vital, hungrig und erfrischend feminin – wer von diesem phänomenalen Erstling zuletzt gebissen wird, hat verloren!


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