Wenn-die-Gondeln-Trauer-tragen-Regisseur Nicolas Roeg ist tot

Quelle: BBC

Der einzigartige britische Filmemacher Nicolas Roeg starb Freitagabend im Alter von 90. Das teilte sein Sohn BBC mit.

Roeg begann nach dem Zweiten Weltkrieg ganz klein im Filmgeschäft. Zunächst kochte er Tee an den Filmsets und bediente die Filmklappe. In den Sechzigern arbeitete sich Roeg zum Kameramann hoch. Bei David Leans Lawrence von Arabien war er für Second-Unit-Kameraaufnahmen zuständig. Auch bei Doctor Schiwago führte er zunächst die Kamera, wurde jedoch von Regisseur David Lean nach zahlreichen Streitigkeiten gefeuert. Nur ein Jahr später war er der Kameramann bei François Truffauts einzigem englischsprachigem Film Fahrenheit 451. Für John Schlesingers Die Herrin von Thornhill (OT: Far from the Madding Crowd) gewann Roeg den BAFTA, das britische Oscar-Äquivalent, für seine Kameraarbeit.

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Gemeinsam mit Donald Cammell feierte er 1970 sein Regiedebüt mit dem Film Performance, in dem Mick Jagger die Hauptrolle spielte. Nicht zum letzten Nal in seiner Karriere war Roeg mit seinem Film der Zeit voraus. Mit seiner Mischung aus Drogen, Sex und Gewalt war Performance für Warner Bros. eine heikle Angelegenheit. Obwohl er bereits 1968 abgedreht war, kam er erst zwei Jahre später und mit vielen Schnitten in die Kinos. Die Reaktionen der Kritiker waren verhalten. Erst über die darauffolgenden Jahrzehnte wuchs das Ansehen des Films, der heute als ein Meilenstein des britischen Kinos und der Prototyp moderner britischer Gangsterfilme dient.

Ähnlich außergewöhnlich war auch Roegs zweiter Film als Regisseur, das Survival-Drama Walkabout. Bei dem Film bediente er zum letzten Mal selbst die Kamera. Walkabout wurde zu Roegs erstem Film, der im offiziellen Wettbewerb bei den Filmfestspielen von Cannes lief.

Seinen Durchbruch in der Welt der Cineasten erreichte Roeg mit seinem dritten Spielfilm, der bis heute als der Höhepunkt seiner Karriere gilt. Wenn die Gondeln Trauer tragen (OT: Don’t Look Now), die Verfilmung einer Kurzgeschichte von Daphne du Maurier, erregte 1973 vor allem wegen seiner expliziten Sexszene zwischen Donald Sutherland und Julie Christie die Gemüter der Zensoren. Lange Zeit kursierten sogar (unbegründete) Theorien, die Szene sei nicht simuliert, sondern echt gewesen. Doch das Erbe des Films geht weit über die Sexszene hinaus. Heute gilt Wenn die Golden Trauer tragen als einer der Klassiker des Psychohorrors und zugleich eine intensive Auseinandersetzung mit Trauer und Verlust.

Kultstatus erreichte auch Roegs nächster Film, Der Mann, der vom Himmel fiel (OT: The Man Who Fell to Earth) aus dem Jahr 1976, in dem David Bowie perfekt als Außerirdischer besetzt war.

Roeg drehte danach noch neun Kinofilme sowie mehrere Fernsehfilme. Der bekannteste davon ist heutzutage wohl die Roald-Dahl-Adaption Hexen hexen (OT: The Witches), ein äußerst düsterer Familienfilm, mit dem ich aufgewachsen bin und der sicherlich meine frühe Liebe für das Horrorgenre mitbedingt hat. Kritiker liebten den Film, Dahl hasste ihn, weil er das Ende seiner Vorlage veränderte, und an den Kinokassen ging er jedoch unter. Wie auch viele andere Filme von Roeg wurde Hexen hexen mit der Zeit von Filmliebhabern wiederentdeckt.

Roegs finale Regiearbeit war das übernatürliche Drama Puffball (2007) mit Kelly Reilly, das jedoch kaum von jemandem gesehen wurde.

Nicolas Roeg war sicherlich kein Regisseur für den Mainstream. Doch für eingefleischte Cineasten gilt er völlig zu Recht als einer der herausragendsten britischen Filmemacher des 20. Jahrhunderts.

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