"Hannibal" S03E03 "Secondo" Kritik

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Der Artikel enthält einige "Hannibal"-SPOILER zur besprochenen Folge!

In der neuen "Hannibal"-Folge "Secondo" bekommen wir mit der mittlerweile dritten Episode den zweiten Gang serviert, also im Grunde das Hauptgericht, wenn man so will. Nachdem "Antipasto" sich als Vorspeise heraushob und "Primavera" den ersten Gang der Handlung der dritten Staffel darstellte spitzen sich die Ereignisse in der aktuellen Folge weiter zu, als Will Graham (Hugh Dancy) nach der vergeblichen Suche nach Hannibal (Mads Mikkelsen) in der letzten Folge beschließt, nach den Wurzeln allen Übels zu forschen. Diese Reise führt ihn nach Litauen, zum großflächigen Anwesen der Familie Lecter. Dort schleicht er erst einmal durch die Büsche und beobachtet die Herrin des Hauses aus sicherer Entfernung bevor er sie mit seiner Anwesenheit und seinem Anliegen konfrontiert.

Chiyo (Tao Okamoto) ist neben einem rätselhaften Gefangenen die einzige Bewohnerin des weitreichenden Grundstücks. Vor vielen Jahren bekam sie von Hannibal den Auftrag, den Gefangenen, der angeblich der Mörder von Hannibals Schwester Mischa ist, zu bewachen. Da sie nicht zur Mörderin werden will, hält sie den Mann unter menschenunwürdigen Umständen am Leben, anstatt sein Leid einfach zu beenden und das Weite zu suchen. Will Graham interessiert sich für ihr Schicksal, und so sie sich auch für seines:

You won’t find Hannibal here. Why are you looking for him after he left you with a smile?
– I’ve never known myself as well as I… know myself when I’m with him

Will gibt in dieser Folge sehr viel Preis, verwirrt den Zuschauer aber dadurch sogar noch mehr. Durch seine Aussage verhärtet sich die Vermutung, dass er Hannibal nicht aus beruflichen Gründen sucht, oder gar um sich zu rächen; er will einfach nur verstehen. Wills dunkle Seite zeigt sich, als er den Mord an Chiyos Gefangenen so instruiert, dass sie selbst es ist, die ihn aus Notwehr umbringen muss, um seinen Tod danach auf kunstvolle Art (und mit einer sehr offensichtlichen Anspielung an Das Schweigen der Lämmer) darzustellen. Etwas sehr konstruiert wirkt das Geschehen in Litauen aber leider schon, nachdem die Hüterin des Gefangenen in keinster Weise zu hinterfragen scheint, dass sie Jahre lang einer scheinbar sinnlosen Aufgabe nachging, bis ihr plötzlicher "Retter" Will Graham auftaucht und die Erlösung durch Tod mit sich bringt.

Hannibal Secondo Kritik

Doch nicht nur Will Graham ist Hannibal auf der Spur. Endlich bekommen wir Laurence Fishburne wieder als Inspektor Jack Crawford zu sehen, der in die florentinische Kirche aus der letzten Folge kommt, und dort auch auf den italienischen Inspektor Pazzi (Fortunato Cerlino) trifft. In dem Gespräch der beiden wird jedoch schnell klar, dass Jack kein Interesse daran hat, Hannibal Lecter zu finden, er will einzig und allein seinen Freund Will Graham zurückhaben. Auf ein Wiedersehen mit dem Kannibalen hat der angeschlagene Jack sichtlich wenig Lust. Dabei ist er ihm eigentlich wieder gefährlich nahe…

Auch Hannibal hält sich mit seiner Begleiterin Bedelia Du Maurier (Gillian Anderson) noch in Florenz auf und mordet fröhlich weiter, während Bedelia anmerkt, dass es bei seinem Verhalten nicht mehr lange dauern wird, bis man ihn schließlich fassen wird. Hannibal scheint unerschrocken der Tatsache ins Auge zu sehen, ja macht sogar den Eindruck, als wolle er, dass man ihn schnappt. Das Spiel der beiden wirkt wie schon in der ersten Folge sehr stimmig, zeugt aber immer mehr auch von brillanter Schlagfertigkeit. Zweifelsohne einer der witzigsten Momente seit längerer Zeit bleibt Hannibals scheinbarer Affekt-Mord an Dr. Sogliato (Rinaldo Rocco), den Bedelia schließlich zu Ende führt.

Technically, you killed him.

Hannibal Secondo Kritik

Auch dadurch eröffnet sich immer weiter, wie Hannibal Bedelia in seine Welt hineinzieht, auch wenn diese anmerkt, dass sie bei einer Verhaftung Hannibals über die nötigen Mittel und Wege verfüge, sich aus der Sache herauswinden zu können. Es bleibt interessant zu sehen, wie sich in der Serie inzwischen keine wirklich festen Positionen bilden und die Motivationen der Charaktere oft nicht vollends klar sind. Bedelia Du Maurier und Will Graham scheinen gleichermaßen der Faszination an Hannibal Lecter verfallen zu sein, auch wenn sie sich dadurch immer mehr selbst in ein Monster verwandeln. Sehr rätselhaft bleibt noch der Ausblick in die Zukunft, was hinter den Handlungen der beiden Charaktere steckt.

Bedelia beweist immer wieder, dass sie keineswegs schwach ist, nein sie weiß genau, welche Karten sie in der Hand hat, und spielt sie aus. Auch sieht sie sich zeitweise immer noch als Hannibals Therapeutin und im Dialog zwischen den beiden finden sich so viele schön formulierte Zeilen wie selten zuvor. Vor allem gehen beide in dieser Folge, wie ja auch Will Graham, auf Hannibals Vergangenheit ein. Nach der Frage, was passiert ist, dass er zu dem Monster wurde, dass er heute ist, hat Hannibal die ehrliche Antwort:

Nothing happened to me. I happened.

Doch sogar noch schlagkräftiger und schockierender bleibt die Frage, die die gute Bedelia von sich gibt, bevor sie Hannibals Fingern entgleitet, als dieser sie gerade beim Baden shampooniert:

How did your sister taste?

Hannibal Secondo Kritik

Das kann man schon mal als "Punchline" bezeichnen, mit der sie klar machen will, dass Hannibal keineswegs unter dem Trauma leidet, seine Schwester verloren zu haben. Vielmehr hat er ihr ihren Verrat dadurch vergeben, dass er sie schließlich verspeist hat. Immer weiter entwickelt sich das Bildnis des Kannibalen so zu einer Übermacht, einem Wesen, das seine eigenen Vorstellungen von Moral besitzt und einer Naturgewalt gleichkommt. Einmal von seinen Geliebten betrogen gibt es nur eine Möglichkeit für ihn das Geschehene vergessen zu machen, und das muss folglich auch mit Will Graham geschehen:

I have to eat him.

Wie schon zuvor bleibt ein Satz im Raum stehen und beendet die Folge, während der Zuschauer mit offenem Mund dasitzt und sich fragt warum die gemeinen Menschen von NBC nicht alle Folgen am Stück zeigen können. Trotz teils unrundem Storytelling bleibt die Handlung extrem spannend und unterhaltsam während sich die Zeichen für ein Aufeinanderprallen von Hannibal Lecter und Will Graham weiter verdichten. Es dauert wohl nicht mehr lange, dann wird es einen Knall geben.