Avatar: Fire and Ash, USA 2025 • 197 Min • Regie: James Cameron • Mit: Sam Worthington, Zoe Saldaña, Stephen Lang, Oona Chaplin, Kate Winslet, Sigourney Weaver, Britain Dalton, Jack Champion, Edie Falco, Cliff Curtis, David Thewlis • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 17.12.2025 • Deutsche Website
James Cameron ist wahrlich kein Anhänger der "weniger ist mehr"-Philosophie. Er ist ein Mann der Superlative, der mit Terminator 2 den bis dahin teuersten Film aller Zeiten drehte und seinen eigenen Rekord mit True Lies – Wahre Lügen und Titanic im selben Jahrzehnt zweimal brach. Cameron backt keine kleinen Brötchen, er macht großes Kino im wahrsten Sinne des Wortes. Abgesehen von einer kurzen Unterbrechung durch Avengers: Endgame gehört der kommerziell erfolgreichste Film aller Zeiten seit 1998 Cameron – erst Titanic, dann Avatar. Zusammen mit Avatar: The Way of Water bilden sie drei der vier umsatzstärksten Filme überhaupt. Seine letzten sieben Filme ergatterten insgesamt 45 Oscarnominierungen und gewannen davon 23. Es scheint, als habe Cameron das Geheimrezept gefunden, wie man Massengeschmack und künstlerisch hochwertiges Kino unter einen Hut bringen kann.
Doch während sein Gespür für die Vorlieben der Kinogänger außer Frage steht, lassen die beiden bisherigen Avatar-Sequels schmerzlich Cameron, den Innovator, vermissen, der mit Terminator 2 und Aliens – Die Rückkehr Maßstäbe dafür setzte, was wirklich gute Sequels ausmacht. Bei Ausnahmen von der Faustregel, dass Filmfortsetzungen schlechter sind als Originale, werden sie im selben Atemzug mit Der Pate II und The Dark Knight genannt. Auf diesen Gedanken wird bei den bisherigen Avatar-Sequels kaum jemand kommen.
Originalität spielt bei Cameron neben Schauwerten und Emotionen schon lange eine untergeordnete Rolle. Ob Romeo und Julia auf einem sinkenden Schiff oder Der mit dem Wolf tanzt und Pocahontas auf einem anderen Planeten: Es war nicht die anspruchsvolle Handlung, die Titanic und Avatar zu phänomenalen Publikumserfolgen machte, und es ist ebenso kein Zufall, dass sich unter den zahlreichen Oscarnominierungen für die beiden Filme keine für ihre Drehbücher finden. Mit Avatar: Fire and Ash erreicht die Einfallslosigkeit der Handlung jedoch leider einen neuen Tiefpunkt, denn es ist mehr oder weniger derselbe Film wie sein unmittelbarer Vorgänger – bis hin zu einem ausgedehnten Showdown, der auf einem sinkenden, brennenden Schiff ausgetragen wird. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass der Großteil der Zuschauer zwischen den einzelnen Actionsequenzen aus dem letzten Akt der beiden Filme nicht unterscheiden können wird, wenn sie ohne weiteren Kontext präsentiert werden.
Natürlich spielt sich das alles auf technisch höchstem Niveau ab. Cameron und sein Team scheuen keine Kosten und Mühen, um das Publikum zu überzeugen, dass 3D in den richtigen Händen und mit genug Aufwand eine Zukunft hat. Sie erschaffen ein immersives Erlebnis für die größtmögliche Leinwand mit dem besten Soundsystem und den hellsten Projektoren, das die atemberaubende Welt von Pandora zum Greifen nah erscheinen lässt. In dieser Hinsicht ist die Avatar-Reihe weiterhin der Goldstandard, an dem sich andere Filme messen müssen, und die Effektspezialisten des Films sollten ihre Oscar-Dankesreden bereits schreiben. Doch letztlich wirkt Avatar: Fire and Ash weniger wie ein richtiger Film und mehr wie eine überlange Zusammenstellung von beeindruckenden Cutscenes eines Videospiels oder – um es weniger schmeichelhaft auszudrücken – wie die teuerste Seifenoper der Welt.
Es gibt natürlich auch einen Grund, weshalb sich Seifenopern weltweit großer Beliebtheit erfreuen, und das macht sich Cameron zunutze. Er macht keinen Hehl daraus, dass die Charaktere und ihre Motive einfach gestrickt sind und die Handlung vorhersehbar ist. Aus der Einfachheit macht er eine Tugend: Der Zuschauer hat ja schon genug damit zu tun, die audiovisuelle Wucht, die von der Leinwand aus über ihn hereinbricht, zu verarbeiten, als dass er sich auch noch mit komplexen Figuren auseinandersetzen muss. Getreu Camerons Motto, dass nur mehr wirklich mehr ist, ist natürlich alles noch größer und die Effekte noch beeindruckender als zuvor, doch während der Bombast in Terminator 2 und Aliens im Vergleich zu ihren jeweils minimalistischen Vorgängern wirklich herausstach und dem unvorbereiteten Publikum den Atem stocken ließ, hält sich der Wow-Effekt diesmal in Grenzen. Schließlich übten sich die ersten beiden Avatar-Filme auch nicht gerade in Zurückhaltung. Bei einer ausufernden Laufzeit von 197 Minuten – länger als Camerons Titanic – können letztlich auch die spektakulärsten Actionszenen die Redundanz der Handlung nur bedingt kaschieren.
Diese bewegt sich nämlich auf ausgetretenen Pfaden. Jake Sully – ein langweiliger Protagonist wie eh und je – versucht weiterhin, seine Familie vor der Militärmacht der kapitalistischen Ausbeuter zu beschützen, Colonel Quaritch jagt ihn unerbittlich und lässt sich auch vehement nicht über die zweite Chance belehren, die ihm sein neues Leben im Avatar-Körper bietet. Spider ist weiterhin im Konflikt zwischen seinem Vater und seiner Adoptivfamilie gefangen, während Neytiri in ihrer Trauer um ihren verstorbenen ältesten Sohn Spider als Menschenjungen immer wieder abweist. Kiri baut ihre besondere Verbindung zu Eywa weiter aus, und Lo’ak bleibt der Rebell der Familie. Skrupellose "Walfänger" jagen die hochintelligenten und pazifistischen Tulkuns, und die Armee rückt wieder an, um den Widerstand der Na’vi endgültig zu brechen, unterschätzt jedoch mal wieder die vereinten Kräfte der Lebewesen von Pandora, die ihnen die Stirn bieten. Man würde meinen, sie sollten es inzwischen besser wissen.
Wenn das alles vertraut klingt, dann habt Ihr vermutlich Avatar: The Way of Water gesehen. Cameron verriet einst, dass das Drehbuch zum zweiten Avatar-Film so lang war, dass es in zwei Filme aufgeteilt wurde. Allerdings fühlt sich Fire and Ash stellenweise nicht wie eine konsequente Fortführung, sondern wie eine Wiederholung an.
Für frischen Wind sorgt immerhin Franchise-Neuzugang Oona Chaplin als Varang, die grausame Anführerin des "Asche-Clans" Mangkwan, der sich nach einer Tragödie von Eywa abgewandt hat und Feuer über alles verehrt. Das neue Na’vi-Volk räumt etwas mit dem Mythos der "edlen Wilden" auf, wie die Na’vi bislang präsentiert wurden. Ihr Angriff auf die Luftschiffe der Windhändler – ein weiterer Clan, der im neuen Film kurz vorgestellt wird – bildet die beste Actionsequenz des neuen Films, die daran erinnert, dass Cameron sein Handwerk definitiv nicht verlernt hat. Letztlich bleiben der Clan und ihre Anführerin eindimensional, doch Chaplin hat sichtlich Spaß in der herrlich bösen Rolle, die Stephen Langs Quaritch eine ebenbürtige Partnerin und Zoe Saldaña als Neytiri eine gute Widersacherin gibt. Die frischgebackene Oscarpreisträgerin Saldaña ist derweil weiterhin das Highlight der Besetzung und liefert mit einer Mischung aus Trauer, Verletzlichkeit und Wut ein überzeugendes Argument dafür, dass Motion-Capture-Performances nicht weniger wert sind als Darbietungen von Schauspielern aus Fleisch und Blut. Letztere sind in Fire and Ash, wie schon beim zweiten Film, nebensächlich. Insbesondere die wundervolle Edie Falco ("Die Sopranos") ist als RDA-Generälin sträflich unterfordert.
Wer drei Stunden lang dem tristen Alltag entfliehen und in eine fremdartige, farbenfrohe Welt eintauchen möchte, in der Mensch, Na’vi und Natur noch im Einklang leben, wird von Avatar: Fire and Ash bestens bedient. Beim Worldbuilding wurde ganze Arbeit geleistet, die Action ist packend inszeniert und die (3D-)Effekte sind makellos. Doch die Story ist nicht nur dünner als der Heroin-Chic-Look der Neunziger, sie dreht sich auch im Kreis, sodass nach einem dreistündigen Déjà-vu-Erlebnis die Frage aufkommt, wie Cameron (mindestens) zwei weitere episch lange Fortsetzungen daraus pressen will.
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