Get Out (2017) Kritik

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Get Out, USA 2017 • 104 Min • Regie & Drehbuch: Jordan Peele • Mit: Daniel Kaluuya, Allison Williams, Bradley Whitford, Catherine Keener, Caleb Landry Jones, Stephen Root, LilRel Howery, Lakeith Stanfield • Kamera: Toby Oliver • Musik: Michael Abels • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 4.05.2017 • Deutsche Website

Get Out 9Political Correctness ist in Hollywood hoch angesagt. So werden besonders gern Filme mit Themen über beispielsweise Schwarze, Schwule und Menschen aus prekären Lebensverhältnissen in das jährliche Preisrennen geschickt – auf diese Weise klopft man sich dann zwischen all den leichten Popcorn-Produktionen gegenseitig auf die Schulter und gibt zu verstehen: „Seht her, wie wir uns um die Minderheiten der Welt sorgen!“ Leider hat das dann oft nur sehr wenig mit der Qualität des letztlich ausgezeichneten Werkes zu tun, sondern lediglich mit der gewünschten Message. Und die hat einen schalen Beigeschmack – denn müssen Minderheiten wirklich stets als Mündel für die Traumfabrik herhalten, damit sich diese mit einer vermeintlich edlen Schutzmission dekorieren darf? Mit seinem cleveren Horrorthriller „Get Out“ sendet der durch seine Comedy-Sendung „Key & Peele“ vor allem in den USA populäre Jordan Peele ein frisches Signal aus: Ist es nicht auch gruselig und unangenehm für einen Afro-Amerikaner, wenn dieser plötzlich in ein deutlich kaukasisch geprägtes Umfeld gerät, das sich penetrant auf dessen Hautfarbe stürzt und ständig explizit anfügt, wie toll es schwarze Menschen findet? „Schwarz ist das neue Weiß“ heisst es sogar in einer Szene.

Get Out 11Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Fotograf Chris (Daniel Kaluuya), der sich in einer Beziehung mit der attraktiven Rose (Allison Williams) befindet. Chris ist schwarz, Rose ist weiß. Ein erstes Treffen mit Roses Familie steht kurz bevor und ihr Partner ist ein wenig besorgt, da sie ihren Eltern bisher nichts von dessen Ethnie erzählt hat. Die Anmerkung führt zu Unverständnis. Es soll nicht das letzte Mal bleiben. Auf der Fahrt kommt es zu einem Unfall und ein Polizist kreuzt auf. Routine. Obwohl Rose am Steuer saß, bittet der Gesetzeshüter auch Chris um seinen Ausweis – für den Angesprochenen keine große Sache, doch der jungen Frau platzt aufgrund des ihrer Meinung nach rassistischen Hintergrundes der Kragen. Auch im idyllischen Wohnsitz der Eltern geht in dieser Hinsicht die Post ab. Papa Dean (Bradley Whitford) nimmt gemessen an seinen Aussagen an einem Toleranzwettbewerb teil, während Mama Missy (Catherine Keener) nicht weniger verständnisvoll daherkommt. Lediglich Sohnemann Jeremy (Caleb Landry Jones) wirkt latent aggressiv, aber hey: Gibt es nicht in jeder Familie ein – ähm – schwarzes Schaf? Mit Georgina (Betty Gabriel) und Walter (Marcus Henderson) verfügt der Haushalt außerdem über zwei farbige Bedienstete, die ausnahmslos gutes über ihre Arbeitgeber zu sagen haben, dabei aber äußerst seltsame Formulierungen und Gefühlsregungen an den Tag legen. Hier ist einiges nicht geheuer. Als sich auf einem Fest am Folgetag Chris' verstörende Beobachtungen zuspitzen, gewinnt er den Eindruck, dringend aus diesem Szenario verschwinden zu müssen – doch da ist es bereits zu spät …

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Get Out 10Als Inspiration für sein Regiedebüt nennt Jordan Peele mit George A. Romeros Klassiker „Die Nacht der lebenden Toten“ (1968) und der Ira Levin-Adaption „Die Frauen von Stepford“ (1975) zwei Werke, die klar dem Horror-Genre zuzuordnen sind, dabei aber gleichzeitig auch politische wie gesellschaftliche Themen in ihren Handlungen verarbeiten. „Get Out“ ist nun ebenfalls ein Film, der einerseits eine fast schon widerlich intensive Atmosphäre aufbaut, bei der sich die Nackenhaare langsam aufstellen, und andererseits auf satirische Weise die sogenannte „positive Diskriminierung“ (oder „Affirmative Action”) aufs Korn nimmt. Während die meisten Werke Minoritäten als Opfer gewalttätiger Unterdrückung darstellen, bricht Peele sehr sympathisch und selbstbewusst mit diesem Muster: Zwar wird auch Chris ein Opfer aufgrund seiner Hautfarbe, allerdings auf eine ganz andere Weise. Hypnose wird in dem zwischen Schrecken und böser Komik geschickt balancierenden Hybriden noch eine bedeutende Rolle spielen, auf die aber nicht näher eingegangen werden soll – „Get Out“ wird im Verlauf extrem abgedrehte Züge annehmen und mit einer Pointe abschließen, die frech, smart und schlicht genial ist. Lediglich das etwas zu standardmäßige Finale enttäuscht minimal.

Get Out 7Als neuer Stern am Genre-Himmel verdankt der Regisseur und Drehbuchautor den Erfolg seiner Arbeit nicht zuletzt seinen Schauspielern, die sich hier richtig ins Zeug legen. Daniel Kaluuya („Sicario“) stellt als von den Erlebnissen verwirrter und zunehmend beunruhigter Chris natürlich den Blickwinkel dar, von dem die Zuschauer den Film betrachten. Die größte Wirkung entfalten aber vielleicht die anderen Charaktere, allen voran die Familienmitglieder: Dass an dieser Zusammenkunft etwas faul ist, nimmt nicht bloß die Anfangsszene, in der ein junger Schwarzer zu dem Song „Run Rabbit Run“ von einem Unbekannten überwältigt und ins Auto verfrachtet wird, vorweg. Die freundlich-lauernde Art, mit der Bradley Whitford und Oscar-Nominee Catherine Keener als mysteriöses Ärzte-Paar ihrem potentiellen Schwiegersohn gegenübertreten, verursacht erst ein Gefühl von Befremdung, dann Unbehagen und schließlich Angst, während Allison Williams' Darstellung der idealistischen Tochter und Freundin erst mit der Zeit in einem gewissen Zwielicht erscheint. Den fiesesten Schauder jagt einem aber Caleb Landry Jones als reichlich abgefreakter Jeremy über den Rücken – einer der wohl prägnantesten Charaktere in jüngster Horror-Historie!

Wer auf intelligente und reflektierte Schocker steht, einen Fokus auf beklemmende Stimmung und ein Gefühl von Paranoia mag und die als Referenz genannten Filme sowie Joe Dantes grandiosen „Meine teuflischen Nachbarn“ (1989) liebt, sollte sich „Get Out“ keinesfalls entgehen lassen. Beide Daumen hoch für dieses famose Grauen mit Grips!


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