Unhinged, USA 2020 • 90 Min • Regie: Derrick Borte • Mit: Russell Crowe, Caren Pistorius, Gabriel Bateman, Jimmi Simpson • FSK: ab 16 Jahren • Kinostart: 16.07.2020 • Deutsche Website
Handlung
Rachel (Caren Pistorius) ist hat einen ganz beschissenen Tag. Die junge Mutter steckt mittendrin in einer hässlichen Scheidung. Sie leidet unter Geldsorgen, und ihr künftiger Ex-Mann fordert zudem das gemeinsame Haus ein. Rachels Mutter musste kürzlich ins Altenheim verlegt werden; ihr Bruder (Austin P. McKenzie) ist samt Freundin (Lucy Faust) bei Rachel eingezogen, an der Miete beteiligen sie sich jedoch nicht. Weil sie ihren Sohn Kyle (Gabriel Bateman) zur Schule bringen muss und dabei in einen Stau gerät, wird Rachel zu allem Überfluss von ihrer Chefin am Telefon kurzerhand gefeuert. Rachels Nerven liegen blank und ihr sympathischer Scheidungsanwalt Andy (Jimmi Simpson) ist der einzige, der ihr noch Halt gibt. Doch schlimmer geht’s immer. Auf dem Weg zu Kyles Schule fährt ein Pick-up-Truck trotz grüner Ampel nicht weiter und blockiert ihr den Weg. Rachel hupt ihn entnervt an, bevor sie ihn überholt. Empört von dieser gefühlten Respektlosigkeit, holt der Fahrer des Pick-ups (Russell Crowe) Rachel ein und stellt sie zur Rede. Als sie ihm eine Entschuldigung verweigert, brennen bei ihm endgültig die Sicherungen durch. Er beschließt, der jungen Frau mit sehr rabiaten Mitteln Manieren beizubringen, und beginnt, ihr Leben systematisch zu zerstören.
Kritik
Ein Filmplakat zu Unhinged – Ausser Kontrolle bewirbt den Streifen mit dem Zusatz "Ein brandneuer Film" über seinem Startdatum. Was vor einem halben Jahr noch seltsam geklungen hätte, ist jetzt ein valides Verkaufsargument. Unhinged ist die erste nennenswerte, internationale Produktion, die nach dem weltweiten Corona-Shutdown in die deutschen Kinos kommt, ohne dass sie vor der Krise schon irgendwo im Kino gelaufen ist oder über Video-On-Demand veröffentlicht wurde. Tatsächlich müssen sich US-Amerikaner aufgrund der negativen Entwicklung in ihrem Land noch länger auf den Film warten als wir. Insofern ist die Bezeichnung völlig richtig: Unhinged ist ein brandneuer Film. Das ist aber auch das Einzige, was an dem Film neu ist, denn seine Handlung nach Schema F und alle seine Wendungen hat man in einer abgewandelten Form schon etliche Male gesehen.
Mit Duell hat Steven Spielberg schon vor fast 50 Jahren den ultimativen Road-Rage-Actionthriller gedreht, in dem ein unbescholtener Durchschnittskerl von einem Tanklaster verfolgt wird, dessen Fahrer bis zum Schluss gesichtslos bleibt. Aus demselben Holz war auch der kurzweilige Joyride – Spritztour geschnitzt. Unhinged nimmt sich Anleihen aus diesen Filmen und versetzt sie mit einer guten Portion von Hitcher, der Highway Killer.

Doch keine Sorge, Unhinged nimmt keine politische Seite ein, möchte kein sozialkritisches Statement abgeben und erhebt auch keinerlei Anspruch auf eine vertiefte Analyse des Gewaltpotenzials in Menschen. Er will nicht mehr sein als ein schnörkelloses B-Movie mit einem Oscarpreisträger in einer wirklich, wirklich bösen Rolle.


Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass Unhinged auch etwas von Falling Down hat. Wie viel kann ein Mensch ertragen, bis er durchdreht und mit der Gesellschaft abrechnet? Bei näherer Betrachtung ist der Film jedoch so ziemlich das Gegenteil von Joel Schumachers bitterböser Satire. Hier ist es Rachel, der die ganze Zeit übel mitgespielt und der Teppich unter den Füßen weggezogen wird, die sich aber trotzdem immer wieder zusammenreißt und versucht, die beste Mutter für ihren Sohn zu sein. Russell Crowes Charakter ist wiederum einfach ein astreiner Psychopath, der förmlich nach einer Ausrede für seinen Amoklauf gesucht hat. Es ist daher umso befriedigender zu sehen, wie Rachel im Laufe des Films selbstbewusster wird und ungeahnte Kräfte in sich entdeckt, sobald ihr Sohn bedroht wird.

Die fehlende Kreativität und Anspruchslosigkeit des Films sind Mankos, mit denen man im Zweifel ganz gut leben kann. Wer sich in den nächsten Tagen nicht 186 Minuten von Berlin, Alexanderplatz im Kino beanspruchen lassen möchte, findet im halb so langen Unhinged genug kurzweilige Unterhaltung für einen Filmabend, auch wenn der Film bereits beim Verlassen des Kinosaals in der grauen Masse vergleichbarer Psychothriller zu verschwimmen droht.
Fazit
Euphemistisch ausgedrückt, erfindet Unhinged – Ausser Kontrolle das Rad im Subgenre der Stalker- oder Killerfahrer-Thriller nicht neu. Doch seine fehlende Kreativität und Glaubwürdigkeit macht der Film mit einem halsbrecherischen Tempo, einigen überraschend fiesen Gewaltspitzen, einer sympathischen Hauptdarstellerin und Russell Crowe in einer der bösesten Rollen seiner Karriere wieder wett.

