Fantasy Filmfest Nights 2014 – Tag 1

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Fantasy Filmfest Nights 2014 Tag 1

Liebe Filmfutter-Fans,

Nachdem wir in den letzten zwei Jahren immer mit unserem Fantasy-Filmfest-Tagebuch von Deutschlands größtem Festival für Science-Fiction, Horror, Fantasy (und alles abseits des absoluten Mainstreams) berichtet haben, werden wir dieses Jahr erstmals auch den kleinen Bruder des FFF in Augenschein nehmen – die Fantasy Filmfest Nights. Dieser Frühlings-Ableger wurde 2003 erstmals unter dem Namen "Die Nacht der 1000 Schreie eingeführt" und feiert dieses Jahr seine 12. (und angesichts des gut gefüllten Saals heute) erfolgreiche Ausgabe. Die FFF Nights haben immer den Vorteil, dass dadurch, dass die Filmauswahl hier dank der zweitägigen Laufzeit verdichtet wird, noch weniger qualitative Ausfälle als im Sommer zu erwarten sind. In unserer Vorschau zu den Fantasy Filmfest Hights 2014 haben wir die zehn Filme ausführlich vorgestellt. Im Vorfeld schon fand ich, dass es sich um die beste Filmauswahl handelte, seit ich die Nights besuche (das wäre seit 2006). Ob die Filme aber auch das halten, was sie versprechen, werden wir in unserem zweiteiligen Bericht Euch erzählen. Heute konnte ich bereits fünf Filme sichten und mein kurzes Urteil könnt Ihr unten sehen.

TAG 1

In Fear

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Fantasy Filmfest Nights 2014 Tag 1 - In FearEin sehr häufiges Problem bei Mystery-Filmen  ist es, nach einem spannenden Aufbau der Geschichte, in dem die Protagonisten in etwas hineingeraten, was sie sich nicht erklären können und die Zuschauer auch nicht mehr wissen als die Hauptcharaktere, dem Ganzen auch eine würdige Auflösung zu geben. Es ist eine Wanderung auf einem sehr schmalen Grat – lässt man zu viel offen, läuft man der Gefahr, dass sich die Zuschauer verarscht fühlen, erklärt man hingegen alles bis ins kleinste Detail, ist es gut möglich, dass die Erklärung verglichen mit der aufgebauten Spannung und dem Rätselraten antiklimatisch und schlichtweg enttäuschend ist. Viele Filme scheitern gerade an der Auflösung der Fragen, die sie zuvor aufstellen und leider ergeht es Jeremy Loverings Kino-Debüt nicht anders. Darin befindet sich das junge Paar Tom (Iain DeCaestecker) und Lucy (Alice Englert), das sich gerade erst seit zwei Wochen kennt, auf dem Weg zu einem Musikfestival. Vorher steht noch ein Zwischenstopp in einem romantischen Hotel auf dem Lande an, doch auf der Suche nach diesem verfahren sich die beiden in der irischen Provinz. Während es draußen immer dunkler wird, der Wald die schmalen Landstraßen bedrohlich umschließt und die Nerven der Protagonisten langsam aber sicher blank liegen, schleicht sich offensichtlich eine reale Gefahr in der Dunkelheit herum.

Genau bis zu diesem Punkt präsentiert sich der Film als ein sehr atmosphärischer und teilweise beklemmender Gruseltrip mit einer tollen Kameraführung und natürlich agierenden Hauptdarstellern, die genau die richtige Chemie von einem frischen Paar miteinander haben. Doch leider beugt sich In Fear in seiner zweiten Hälfte dem Druck der Konventionalität. Erklärungen und recht vorhersehbare Wendungen lassen das zuvor sorgfältig aufgebaute Konstrukt aus Ungewissheit und böser Vorahnung in sich zusammenfallen, während die Story einen banaleren und actionreicheren Pfad betritt. Schade, aber immerhin verhielt es sich bei meinem Tag genau andersherum – schwacher Start und eine deutliche Verbesserung. 2,5/5

The Green Inferno

Fantasy Filmfest Nights 2014 Tag 1 - The Green InfernoEli Roth ist wieder da! Obwohl der einst als neues Wunderkind des Horrors gehandelte Filmemacher mit The Green Inferno seine erste Regiearbeit seit sieben Jahren in die Kinos bringt, ist diese Abwesenheit nicht wirklich aufgefallen. Vielleicht liegt es daran, dass Roth in der Zwischenzeit alles andere als untätig war. Als Schauspieler (Piranha 3D, Inglourious Basterds), Produzent (Der letzte Exorzismus) und Drehbuchautor (Aftershock, The Man with the Iron Fists) – und gelegentlich in allen drei Fukktionen zugleich – war er alles andere als untätig. Dass es dann doch anders aussieht, wenn Roth selbst hinter dem Steuer sitzt, zeigt sich daran, dass The Green Inferno qualitativ deutlich besser ist als Aftershock oder The Man with the Iron Fists. In seiner (kranken) Liebeserklärung an den Italo-Kannibalen-Horror der Siebziger und frühen Achtziger (à la Cannibal Holocaust, bei uns auch bekannt als Nackt und zerfleischt) schickt Roth eine Gruppe an Umweltaktivisten und Gutmenschen in den peruanischen Dschungel, um einen Bautrupp daran zu hindern, den Lebensraum von einem indigenen Stamm zu zerstören. Schnell ist die Mission erfüllt (oder auch nicht) und es kann wieder zurück in die Zivilisation gehen… Leider macht hier unseren Charakteren (darunter Lorenza Izzo als Justine, die Neue in der Gruppe und Ariel Levy aus Aftershock als Alejandero, der charismatische, aber auch zwielichtige Anführer der Truppe) das Schicksal einen Strich durch die Rechnung und lässt das Flugzeug abstürzen. Die entbehrliche Hälfte der Gruppe stirbt sofort, die anderen haben weniger Glück – sie werden nämlich von demselben Indianer-Stamm gefangen genommen, den sie versucht haben zu retten. Bei diesen Ureinwohnern steht Menschenflesch auf dem Speiseplan und die Gringos sehen besonders lecker aus…

Wer auch nur einen Eli-Roth-Film gesehen hat, kann sich gut vorstellen, wie es ab diesem Zeitpunkt weitergeht. So viel sei nun gesagt – die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Film bei der FSK eine Freigabe erhält ist, ungefähr so groß, wie dass Eli Roth einen Teletubbies-Film inszenieren wird. Es beginnt mit herausgeschnittenen (und prompt verspeisten) Augen und geht danach noch den einen oder anderen Schritt weiter. Wer ein Meer aus Blut und Gedärmen erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein. Ja, der Film kann extrem hart sein, doch die Gewaltszenen werden sehr gezielt und wirkungsvoll eingesetzt – wie man es von Eli Roth eigentlich gewohnt ist. Als Filmemacher ist Roth auf jeden Fall gereift und bietet mit The Green Inferno etwas, was keiner seiner vorherigen Filme hatte – eine sympathische Protagonistin mit der man mitfiebert und ihr auf jeden Fall wünscht, aus der grünen Hölle zu entkommen. Leider lässt sich Roth trotzdem hin und wieder zu den absurd-infantilen Momenten seiner früheren Filme hinreißen (Durchfallszene, öffentliche Masturbation und eine Tarantel, die dem Geschlechtsteil eines Charakters beim Urinieren gefährlich nahe kommt). Das hat der Film nicht nötig und es schmälert leide seine Kraft. Auch zeigt Roth in der zweiten Hälfte seines Films eine überraschende Neigung zum Mainstream (trotz der zahlreichen Gewaltakte) und eine recht einfache Auflösung der Geschichte. In gewisser Hinsicht ist Roth also sogar softer geworden. Insgesamt ist ihm eine solide Hommage an die alten Italo-Filme gelungen, doch der Film weist einfach zu viele kleine und größere Makel auf, um als ein wirklich guter Horrorfilm durchzugehen. Allerdings graut es mir jetzt schon vor Beyond the Green Inferno, dem Sequel, das unter der Regie von Roths Kumpels Ncolás Lopez (Aftershock) angekündigt wurde. 3/5

The Returned

Fantasy Filmfest Nights 2014 Tag 1 - The ReturnedSeufz! Schon wieder ein Zombiefilm. Das dachte ich mir jedenfalls, als The Returned erstmals für die Fantasy Filmfest Nights 2014 angekündigt wurde. Schon seit Jahrzehnten ist der Zombie-Horror ein beliebtes Subgenre, doch spätestens seit dem durchschlagendnen Erfolg von "The Walking Dead" gibt es Zombiefilme wie Sand am Meer. Glücklicherweise ist The Returned so sehr ein typischer Zombiefilm wie So finster die Nacht ein typischer Vampirfilm ist. Ja, es kommen Zombies vor, aber diese treiben weder die Handlung unmittelbar an noch erwarten einen viele Kopfschüsse, abgehackte Gliedmaßen und zerfleischte Körper. Es gibt Blut, doch die Gewaltfanatiker werden bei diesem Film ganz gewiss nicht auf ihre Kosten kommen. Zombies sind hier sekundär, primär ist eine Liebesgeschichte. Die spanisch-kanadische Produktion spielt in einer alternativen Version unserer Zeit, in der die Welt in den Achtzigern eine Zombieplage durchlebte und dieser nach 100 Millionen Opfern auch Einhalt gebieten konnte. Ein Serum wurde entwickelt, mit dem die gebissenen Zombie. Opfer vor der Verwandlung gerettet werden können. Allerdings bleibt das Virus immer im Blut und nur tägliche Injektionen des Serums bewahren diese sogenannten "Zurückgekehrten" (die titelgebenden Returned) davor, zu wilden Bestien zu werden. Einer von diesen Returned ist auch der Gitarrenlehrer Alex ("Lost Girl"-Star Kris Holden-Ried). Seit sechs Jahren spritzt er sich schon das Serum, das ihm seine Freundin Kate (Emily Hampshire), eine Ärztin in der Klinik für die Returned, heimlich besorgt. Die Vorräte des Serums werden allerdings immer knapper und die Regierung ergreift Maßnahmen, um alle Returned in Kontrollzentren zusammenzubringen und damit einen Ausbruch der Gewalt zu vermeiden, wenn das Serum endgültig ausgehen sollte. Kate und Alex begeben sich auf die Flucht. Nicht nur vor der Polizei müssen sie sich in Acht nehmen, sondern auch von der Anti-Returned-Bewegung, deren Meinung nach die Zurückgekehrten endgültig ins Jenseits befördert werden sollen…

The Returned wurde als "bester Zombiefilm seit Jahren" im Vorfeld angekündigt. Hält er das Versprechen? Vielleicht, doch das würde eher daran liegen, dass die letzten Jahre das Genre zwar durch Masse, aber nicht durch Qualität glänzte. An die Sensibilität, die Emotionen und die Ästhetik des eingangs erwähnten So finster die Nacht reicht The Returned bei weitem nicht heran. An und für sich ist aber dem Regisseur Manuel Carballo eine schöne Liebesgeschichte mit Horror-Hintergrund gelungen, die vor allem von der Chemie der beiden Hauptakteure lebt und zeigt, dass dem Zombiegenre doch der eine oder andere kleine frische Aspekt abzugewinnen ist. Das Ende, das an eine gewisse Stephen-King-Verfilmung erinnert, wirkt zwar teilweise etwas konstruiert, erreicht aber sein Ziel.  3,5/5

Enemy

Fantasy Filmfest Nights 2014 Tag 1 - EnemyMein erster Gedanke nach der letzten (und extrem unheimlichen) Szene dieses Films war: "Ach so, das ist also diese Art von Film". Und damit meine ich ein gänzlich bizarres Werk in bester David-Lynch-Tradition, das einem so gut wie gar nichts vorkaut und stattdessen den Zuschauer am Ende mit einer Million Fragen und einer Handvoll vager Indizien für die Antworten zurücklässt. Die Handlung ist schnell zusammengefasst. Adam (Jake Gyllenhaal) führt ein tristes Leben als Geschichtsdozent, der über Totalitarismus lehrt und dessen Alltag zwischen routinierter Arbeit und routiniertem Sex mit seiner kalten Freundin (Mélanie Laurent) verläuft. Bis er eines Tages in einem Film einen Schauspieler entdeckt, der ihm bis aufs Haar gleicht. Fasziniert und verwirrt von seiner Entdeckung, spürt Adam seinen Doppelgänger auf, der mit seiner schwangeren Ehe Frau (David Cronenbergs neue Muse Sarah Gadon) lebt. Adam wagt den Kontakt und ab diesem Punkt gerät alles außer Kontrolle.

Denis Villeneuve hat mit seinem (fast)-Meisterwerk Prisoners letztes Jahr einen meiner absoluten Lieblingsfilme von  2013 abgeliefert. Enemy, den er noch vor Prisoners abgedreht hat, ist weit entfernt von der Mainstream-Sensibilität seines Hollywood-Films. Hier herrschen Symbolik, Metaphorik und eine gute Portion an "What the fuck?!". Jake Gyllenhaal, den Villeneuve auch in Prisoners zu Höchstleistungen antrieb, glänzt auch hier in der anspruchsvollen Doppelrolle. Doch der Star ist hier die Regie von Villeneuve, der auch ohne Kameramann Roger Deakins atemberaubende Bilder auf die Leinwand bannt und eine wirklich unter die Haut gehende Atmosphäre erschafft. Das Problem von Enemy ist, dass er sich mit den diversen unterschwelligen Themen von Politik und Individualität sich in seiner 90-minütigen Laufzeit etwas übernimmt. Hier wäre vielleicht weniger auch mehr gewesen. Teilweise wird man als Zuschauer mit Bildern und Motiven überfrachtet. Nichtsdestotrotz ist Enemy ein gelungener, gelegentlich zutiefst verstörender und stets fesselnder Psychotrip gelungen, der gleichermaßen fasziniert, verwirrt, erschreckt, ärgert, erstaunt und schockiert. Nichts für Arachnophobiker! 4/5

Snowpiercer

Fantasy Filmfest Nights 2014 Tag 1 - SnowpiercerNach dem vergleichsweise "kleineren" Mother, kehrt der südkoreanische Regisseur Bong Joon-Ho (The Host) wieder zum großen, effektegeladenen Kino zurück und feiert mit Snowpiercer gleich sein englischsprachiges Debüt. Dabei umgibt er sich mit einer sehr internationalen Besetzung aus Chris Evans, John Hurt, Tilda Swinton, Song Kang-Ho, Jamie Bell und Ko Ah-Sung. Snowpiercer spielt 20 Jahre in de Zukunft. Zwanzig Jahre, nachdem die Menschheit bei einem fehlgeleiteten Versuch, die Erderwärmung zu stoppen, den Planeten in eine neue Eiszeit versenkt hat. Ein Leben auf der Erde ist so gut wie unmöglich. Die letzten Überlebenden leben in einem überdimensionalen Zug (der titelgebende Snowpiercer), der auf einer Strecke von über 30,000 Meilen stets in Bewegung bleiben muss und einmal im Jahr die Erde umrundet. Wie die wenig subtile Symbolik des Films es so mag, ist der Zug wie die Gesellschaft vor der Eiszeit organisiert. Die Armen leben in Slum-artigen Verhältnissen in den hinteren Waggons und werden mit undefinierbaren Proteinblocks gefüttert, während die oberen Schichten das Luxusleben der vorderen Waggons genießen. Eines Tages reicht die Schikane endgültig und die hinteren Zugabteile organisieren unter der Führung von Gilliam (John Hurt) und Curtis (Chris "Captain America" Evans) eine  Aufstand. Waggon nach Waggon dringen die Aufständischen im Zug vor, um den Maschinenraum und damit den ganzen Zug (und in Folge die existierende Welt) in ihre Kontrolle zu bringen. Doch so leicht lässt sich die Obrigkeit nicht zurückdrängen.

Der erste Schlüssel dazu, Snowpiercer zu genießen, besteht darin, seine nach näherer Betrachtung gänzlich unlogische Prämisse zu akzeptieren – und zwar, dass ein Zug tatsächlich irgendwie 20 Jahre lang die Erde umrunden kann, ohne dass jemand sich um die Instandhaltung der Gleise kümmert (dies ist aufgrund der extremen Kälte außerhalb des Zugs unmöglich). Hey, diese Ingenieure sollte die Deutsche Bahn, die in der Rebel bereits nach einer Stunden bei Minustemperaturen völlig zusammenklappt, unbedingt anwerben! Wie beispielsweise auch bei Zeitreisefilmen, muss man einfach annehmen, dass es irgendwie funktioniert und versuchen, nicht mit zu viel Logik an die Sache heranzugehen. Schafft man das, bekommt man einen handwerklich sehr gut gemachten dystopischen Film serviert, in dem Chris Evans sein Schauspiel überraschend eindrucksvoll unter Beweis stellt und Bong sich erneut als ein visuell sehr starker Filmemacher erweist. Die Ausstattung des Zuges ist grandios umgesetzt, die zahlreichen Actionszenen sind immer unterschiedlich und spannend in Szene gesetzt. Der gesamte Cast kann sich wirklich sehen lassen, wobei hier neben Evans die nicht wiederzuerkennende Tilda Swinton glänzt.  Die Frau hat es wirklich drauf! Lediglich die schwachen CGI-Effekten bei Außenaufnahmen des Zugs und ein etwas unausgegorenes und für mich persönlich recht unbefriedigendes Ende trüben leicht das Gesamterlebnis des Films, der in gewissen Kreisen schnell zum Kult avancieren wird.  4/5

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es bislang zwar keinen Totalausfall gab, aber auch kein großes Meisterwerk. Mal sehen, was Tag 2 bringen wird.