Death Wish, USA 2018 • 107 Min • Regie: Eli Roth • Mit: Bruce Willis, Vincent D’Onofrio, Dean Norris, Kimberly Elise, Camila Morrone, Elisabeth Shue • FSK: ab 18 Jahren • Kinostart: 8.03.2018 • Website
Handlung
Paul Kersey (Bruce Willis) ist ein erfolgreicher Chirurg in Chicago, der tagtäglich Opfer von Gewaltverbrechen auf seinem OP-Tisch vorfindet. Dabei erlebt er auch die Machtlosigkeit der Polizei mit, die selbst Opfer von bewaffneten Kriminellen wird. Pauls eigene Familienidylle wird eines Abends schlagartig zerstört, wenn ein Einbrecher-Trio Pauls Ehefrau Lucy Rose (Elisabeth Shue) ermordet und seine Tochter Jordan (Camila Morrone) schwer verletzt. Er versinkt in Depression und die Hoffnung, die Täter dingfest zu machen, schwindet mit jedem Tag, wenn die völlig überarbeiteten Polizeiermittler (Dean Norris und Kimberly Elise) keinerlei Fortschritte machen. Nachdem der desillusionierte Paul durch einen Zufall in Besitz einer Pistole gelangt, startet er einen Rachefeldzug gegen die Kriminellen der Stadt und bekommt dabei den Beinamen "Sensenmann". Während sich die Geister darüber scheiden, ob der einsame Rächer ein Schutzengel oder ein Verbrecher ist, findet Paul Hinweise auf die Identität der Täter, die sein Leben ruiniert haben.
Kritik
Kann man einen Film eigentlich besprechen, ohne die Zeit und die Umstände, unter denen er veröffentlicht wird, zu berücksichtigen? Lässt man diese außer Acht, ist Death Wish, die Neuverfilmung von Ein Mann sieht rot aus dem Jahr 1974, ein gelegentlich unterhaltsamer, völlig unrealistischer und leidenschaftslos gemachter Racheactioner, dessen sämtlichen Höhepunkte in den Trailern verraten werden. Wer sich bereits damit zufrieden gibt, Bruce Willis endlich wieder in einem halbwegs hochwertig produzierten Kinofilm zu sehen, in dem er bösen Buben den Garaus macht, wird bei Death Wish auf seine Kosten kommen.
Doch es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass der Zeitpunkt für diesen Film, der am aktuellen Zeitgeist vorbeischießt wie ein Blinder mit zwei linken Händen, kaum ungünstiger sein könnte. Zwei Wochen nach dem Schulmassaker von Parkland ist die Debatte um die Waffengesetze in den USA akuter denn je und lässt auch nicht nach. In diesem Kontext fühlt sich ein Film, in dem Waffenfetischismus im großen Stil betrieben wird, äußerst deplatziert an. Nicht dass es zu einem anderen Zeitpunkt viel vertretbarer gewesen wäre, doch vielleicht wäre man dann einfach nicht so sehr auf das Thema sensibilisiert. Es wird natürlich auch gewisse Schichten der US-Bevölkerung geben, die die Idee eines einfachen Mannes, der das Gesetz in die eigene Hand nimmt und seine Probleme mit Schnellfeuerwaffen löst, feiern werden. Nicht zuletzt US-Präsident Donald Trump, der kürzlich vorgeschlagen hat, Lehrer zu bewaffnen, um künftige Schulmassaker zu verhindern. Für ihn ist Willis’ Paul Kersey vermutlich das Musterbeispiel für einen gut angepassten Bürger.

Es ist kein Zufall, dass Joe Carnahans Drehbuch die Handlung des Remakes von New York nach Chicago verlegte. Die windige Stadt erlebte 2016 mit über 700 Morden ihr tödlichstes Jahr seit knapp zwei Jahrzehnten. Auftritt Bruce Willis, der als schießwütiger Chirurg mit Autoräubern und Drogendealern aufräumt und so Furcht und Schrecken unter den Kriminellen der Stadt verbreitet, indem er zum Richter und Henker wird. Wieder einmal versucht der Film, die Rachefantasien der Zuschauer zu erfüllen, doch die Zeiten haben sich verändert. Die Schwarz-Weiß-Malerei sowie die Verehrung der Waffengewalt als Allheilmittel gegen Kriminalität aber auch offenbar gegen Trauer (Paul fühlt sich sofort besser, nachdem er seine ersten Morde begangen hat) wirken einfach unangebracht. Rachefilme und Selbstjustizthemen haben durchaus Daseinsberechtigung im Kino, sei es zum Beispiel im karikaturhaft überzeichneten, satirischen Kick-Ass oder in James Wans ultradüsterem, pessimistischem Death Sentence. Beide Filme zeigen auf ihre Weise eindrucksvoll die Konsequenzen, die die entsprechenden Handlungen der Protagonisten auf ihr Leben haben. Doch Death Wish bleibt bierernst und zugleich völlig realitätsfremd.
Der Film unternimmt halbherzige Versuche, das Richtig oder Falsch von Pauls Handlungen als "Sensenmann" zu thematisieren (gibt es da wirklich einen Spielraum?!), indem er diverse Radiomoderatoren zu Wort kommen lässt, die unterschiedliche Positionen einnehmen. Auch sehen wir einmal eine Meldung von einem Nachahmer, der jedoch bei seinem Versuch, einen Kriminellen aufzuhalten, ums Leben kommt. Doch all das bleibt ohne jegliche Konsequenz und fühlt sich reingezwängt an, um ja keinen Zorn auf sich zu ziehen.
Während Paul Kersey weder im Roman noch im Originalfilm jemals die Täter findet, die seiner Familie großes Leid angetan haben, müssen die Zuschauer heutzutage natürlich diese Genugtuung erfahren. Da die Polizisten im Film völlig inkompetent sind, muss Paul die Sache eben in die eigene Hand nehmen. Dass er sich innerhalb kurzer Zeit von einem völligen Waffen-Amateur zu einem abgebrühten Actionhelden der Marke Bruce Willis wandelt, ist nur einer von vielen weit hergeholten Aspekten des Films. Als Chirurg, der augenscheinlich keine einzige seiner Operationen zu Ende bringt (achtet mal genau darauf!), ist Bruce Willis leider so unglaubwürdig besetzt, dass es mich nicht überrascht hätte, wenn auch noch Jason Statham als Onkologe und Steven Seagal als Chefarzt in Gastauftritten aufgetaucht wären. Die Kriminellen im Film sind dafür allesamt furchtbare Schützen, völlig blöd und lassen sich fast bereitwillig von Willis abknallen, sodass bei keiner der Konfrontationen echte Spannung aufkommen mag.


Fazit
Ein falscher Film zur falschen Zeit: Eli Roths Neuauflage von Death Wish ist eine leidlich unterhaltsame, jedoch fragwürdige Rachefantasie mit wenigen Höhepunkten, die den aktuellen Zeitgeist gänzlich verfehlt. Immerhin darf Bruce Willis endlich wieder richtig schauspielern.


