Halt auf freier Strecke (2011) Kritik

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Halt auf freier Strecke, DE  2011 • 110 Min • Regie: Andreas Dresen • Mit: Milan Peschel, Steffi Kühnert, Talisa Lilly Lemke, Mika Seidel, Thorsten Merten • FSK: ab 6 Jahren • Kinostart: 17.11.2011 • Offizielle Website

Handlung

Frank hat einen Hirntumor. Inoperabel. Die Lebenserwartung liegt bei wenigen Monaten. „Das heißt den zehnten Geburtstag meines Sohns…“ Er und Ehefrau Simone beschließen, dass sie die letzten Monate zuhause als Familie verleben wollen. Mit der Zeit bauen Franks geistige Fähigkeiten immer weiter ab. Monate zwischen Alltag und kräftezehrender Pflege beginnen.

Kritik

Halt auf freier StreckeWie verläuft der Alltag mit der Gewissheit, dass einer aus der Mitte der Familie sterben muss? Kräftezehrend, nervenraubend und niederschmetternd, nur durch wenige lichte Momente überhaupt erträglich gemacht. Andreas Dresen zeigt die letzten Monate von Frank (Milan Peschel). Wie er daran verzweifelt, seine Rolle als Familienoberhaupt nicht mehr schultern zu können. Wie sich Angst und Frust und Aggression verwandelt. Wie er körperlich und geistig immer stärker abbaut. Sein Videotagebuch wird von Eintrag zu Eintrag immer zusammenhangsloser. Der Tumor wirbelt Erinnerungen und Anekdoten durcheinander und raubt ihm schlussendlich die Sprache.

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Mutter Simone (Steffi Kühnert), eben noch frisch gebackene Hausbesitzerin, muss von nun an Mutter, Ernährerin, Pflegekraft und Psychologin in einem sein. Tochter Lilli (Talisa Lilly Lemke) verschließt sich und geht auf Abstand, zu einer Situation, die den Teenager heillos überfordert. „Kommt jetzt Krebs, oder was?“, kommentiert die 14-Jährige den ersten emotionalen Zusammenbruch ihres Vaters flapsig. Wie klar Nesthäkchen Mika (Mika Seidel) die Geschehnisse überhaupt begreift, bleibt bis zum Ende unklar. „Krieg ich Dein I-Phone, wenn Du tot bist?“

Dresen enthält sich jeder Wertung. Franks Mutter verkraftet den Zustand ihres Sohnes nicht, so dass zum letzten Treffen nur sein Vater anreist. Nach einem Wettkampf, den ihr Vater, mittlerweile im Rollstuhle, besucht, verkriecht sich Lilli erst in der Umkleide-Kabine und flieht anschließend zu einer Freundin. „Gute Besserung, Herr Langer!“, ruft diese dem Zurückgelassenen zu. Scheinbar konnte Lilli nicht einmal ihrem nächsten Umfeld eröffnen, wie ernst es um ihren Vater tatsächlich steht. „Manchmal denke ich, es wäre besser, wenn er einfach einschläft“, eröffnet Simone ihrer eigenen Mutter unter Tränen.

Halt auf freier Strecke (2)Halt auf freier Strecke schönt kaum und verzichtet auf erbaulichen Kitsch. Beim letzten gemeinsamen Weihnachtsfest, will Frank seinen Kindern die berühmten Lebensweisheiten des Sterbenden schenken. Die Krankheit hat seinen Geist und sein Sprachzentrum allerdings bereits so sehr beeinträchtigt, dass er nur Fragmente stammeln kann, eh er völlig erschöpft in die Kissen sinkt und einschläft. Ähnlich lapidar endet die Geschichte auch. „Ich muss zum Training.“

Obwohl Frank an Krebs erkrankt ist, liegt der Vergleich mit dem großartigen Still Alice – Mein Leben ohne gestern sehr viel näher. Wie in dem Alzheimer-Drama müssen Betroffene und Angehörige damit umgehen, dass ein geliebter Mensch nicht nur an körperlichen Gebrechen leidet, sondern sich auch sein Charakter unumkehrbar verändert. Durch den Verzicht auf Musik, die beobachtende Kamera und die Entscheidung Nebenrollen nicht mit Schauspielern, sondern mit tatsächlichen Ärzten und Pflegekräften zu besetzen, wirkt Halt auf freier Strecke beinah dokumentarisch.

Fazit

Halt auf freier Strecke (3)Halt auf freier Strecke ist kein angenehmer Film. Selbst Szenen, in denen Franks Gesundheitszustand visualisiert wird – als Frank Langes Tumor begrüßt Harald Schmidt in seiner Sendung Thorsten Mertens – dienen kaum der Auflockerung, sondern verdeutlichen das Unaufhaltsame. Mit einem entsprechend bedrückten Gefühl entlässt Andreas Dresen den Zuschauer in den Abspann. Kein Film, den man gerne sehen möchte. Aber ein Film, der viel über das Leben mit einem Todkranken in angemessenem Ton erzählt.

 

Trailer

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