Fantasy Filmfest 2013 Tagebuch – Tag 2

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Fantasy Filmfest 2013

Nach einem nur bedingt erfolgreichen Einstieg, ging es gestern für mich weiter mit sechs Filmen, wobei ich nur fünf davon auf dem Fantasy Filmfest selbst gesehen habe. Der sechste war nämlich Riddick, der zwar thematisch zum FFF wie die Faust aufs Auge passt, dennoch aber außerhalb des Fests von mir gesehen wurde (ein guter Film, doch dazu ein anderes Mal mehr). Es war erst das zweite Mal in meinem Leben, dass ich sechs Filme an einem Tag im Kino gesehen habe (das erste Mal war ebenfalls im Zusammenhang mit dem Fantasy Filmfest) und nach fünf Filmen am Vortag (zwei davon auf dem FFF) stellte sich das doch als eine eher anstrengende Angelegenheit heraus. Belohnt wurde ich aber dafür mit einem filmisch ziemlich guten Tag. Dass es unten sechs und nicht nur fünf Kurzkritiken zu lesen gibt, liegt daran, dass ich Miserere – Choral des Todes bereits vor einiger Zeit gesehen habe und es sich nun anbietet, auf ihn auch einzugehen. Ein wenig getrickst – aber was soll’s.

 

TAG 2

The Banshee Chapter

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Fantasy Filmfest 2013 - The Banshee ChapterWie angenehm ist es doch, mit einer positiven Überraschung in einen langen Fantasy-Filmfest-Tag zu starten. Denn genau das war der von Zachary Quinto (Star Trek) produzierte knackige Horrorfilm. Ohne auch nur einen Funken aufrichtiger Originalität in seinem Gerüst, schafft es The Banshee Chapter dennoch, über die gesamte Laufzeit Spannung aufzubauen und tatsächlich sehr gekonnte und wohldosierte Gruselmomente zu bieten. Den Ausgangspunkt der Handlung bietet das echte und sehr umstrittene MK Ultra-Programm der CIA aus den Fünfzigern, Sechzigern und Siebzigern, bei dem nichts ahnende Probanden Tests mit LSD und anderen Drogen ausgesetzt wurden. Eine solche geheimnisvolle Substanz probiert auch der Nachwuchsautor James (Michael McMillian bekannt als Reverend Steve Newlin aus "True Blood") an sich selbst aus und lässt sich dabei von seinem Kumpel filmen. Doch etwas Seltsames geschieht. Plötzlich hört James merkwürdige Geräusche und eigenartige Radiofrequenzen und spürt ein Etwas sich nähern. Was dann geschieht, kann niemand erklären. James verschwindet und hinterlässt nur eine Blutspur. Sein Freund, der das Ganze gefilmt hat, wird zwar festgenommen, doch die Polizei kann ohne Leiche nichts nachweisen. Nur 48 Stunden später verschwindet auch er spurlos. Anna (Katia Winter aus "Dexter"), eine Journalistin und James' ehemalige Kommilitonin, die möglicherweise mehr als nur freundschaftliche Gefühle für ihn hegt, macht sich auf die Suche nach der Wahrheit. Was sie findet, ist erschreckend.

The Banshee Chapter ist ein Horrorfilm, wie es sie jedes Jahr au dem Fantasy Filmfest anzutreffen gibt – doch das soll in diesem Film keine Negativwertung sein. Geheime Experimente, eine neugierige Journalistin, zwielichtige Charaktere – das alles sind Elemente, die man in Horrorfilmen abertausende Male gesehen hat. Es ist der inszenatorischen Stärke des Regisseurs Blair Erickson zu verdanken, dass die Redundanz dem Zuschauer nur selten auffällt. Ohne sich für die "Found Footage"-Herangehensweise oder einen "normalen" Film, eindeutig zu entscheiden, setzt er bei The Banshee Chapter beide Methoden ein, je nachdem, was in den Szenen gerade wirkungsvoller ist und dem Vorankommen der Geschichte dient. Der Film befolgt das Motto, dass das Unsichtbare häufig gruseliger ist als das Sichtbare, bietet aber dennoch genug visuellen Horror. Vor allem ist aber lobenswert, dass der Film sich die Zeit nimmt, die Spannung aufzubauen und zu einem Höhepunkt zu bringen, der sich meist in einem gelungenen Schockmoment entlädt, anstatt nur auf laute Soundeffekte und billige Jump-Scares zu setzen. Zudem wartet der Film mit einigen interessanten (wenn auch teilweise vorhersehbaren) Wendungen auf und hat mit Ted Levine als Hunter S. Thompson-Verschnitt einen Schauspielveteran an Bord, den man immer gerne sieht. Als Randnotiz: der Film wurde in 3D gedreht, wird aber auf dem Fantasy Filmfest nicht in dieser Fassung präsentiert – und ich kann mir nicht vorstellen, dass dabei etwas verloren ging. 3,5/5

 

Welcome to the Jungle

Fantasy Filmfest 2013 - Welcome to the JungleDass Jean-Claude Van Damme Sinn für Humor und Selbstironie besitzt, hat er bereits in dem einstigen "Fresh Blood"-Fantasy-Filmfest-Gewinner JCVD bewiesen. In Rob Meltzers harmloser Komödie darf er dieser Seite von sich weiter ausbauen. Darin spielt er Storm Rothschild, einen Überlebensexperten und den Muskel-Macho schlechthin, der eine Gruppe Büroangestellter eines Toilettenpapier-Herstellers bei einem Betriebsausflug der besonderen Art auf eine abgelegene Insel bringt. Dort sollen die Bürohengste einem rigorosen Survival-Training unterzogen werden – so stellt sich das jedenfalls der von Dennis Haysbert (für mich immer Präsident Palmer aus "24") gespielte Chef der Firma vor, der aber selbst nicht mitfährt. Auf der Insel angekommen, geht jedoch einiges gehörig schief. Der senile Pilot stirbt und auch Rothschild hat eine unglückliche Begegnung mit einem Tiger. Von der Außenwelt abgeschnitten, sind die Büroheinis auf sich alleine gestellt. Während der schüchterne Loser Chris (Adam Brody), der sich stets seine Ideen klauen lässt, als ehemaliger Eagle Scout sich am besten mit dem Überleben in der Wildnis auskennt, wittert der arrogante Büro-Bully Phil seine Chance, in eine Machtposition zu gelangen.

Was ab da folgt ist eine Comedy-Version von "Herr der Fliegen" mit Erwachsenen, bei der Adam Brodys Chris beweisen kann, was in ihm steckt und am Ende über sich hinaus wachsen muss. Dass dabei auch ein Mädchen im Spiel ist, ist selbstverständlich. Nach Fantasy-Filmfest-Maßstäben ist Welcome to the Jungle eine sehr zahme Komödie nach dem üblichen "smarter-Loser-zeigt’s-seinem-Unterdrücker"-Strickmuster, von dem er keine Sekunde lang abweicht. Nette Unterhaltung ist es schon und Van Damme stiehlt als muskelbepackte Dumpfbacke eindeutig die Show, doch die komödiantischen Höhen eines anderen Teambuilding-Hits vom Fantasy Filmfest, Severance, erreicht er nie. 3/5

 

Fresh Meat

Fantasy Filmfest 2013 - Fresh Meat"We are not Maori cannibals. We are cannibals, who happen to be Maori". Hier hätten wir meinen frühen Höhepunkt des Fantasy Filmfests – die rabenschwarze, politisch absolut inkorrekte neuseeländische Komödie Fresh Meat serviert fast alles, was das Herz (eines Fantasy Filmfest-Fans) begehrt: eine lesbische Heldin (samt Duschszene selbstverständlich), Kannibalen, einen Gangster in Mädchenunterwäsche und viel Blut, Blut, Blut. Rina ist gerade von einem Mädcheninternat nach Hause gekommen und ist drauf und dran der Familie zu enthüllen, dass sie für Jungs nicht viel übrig hat, als ihre Eltern sie plötzlich mit einer weitaus schockierenderen Neuigkeit konfrontieren. In ihrrer Abwesenheit, wurden sie und ihr Bruder Mitglieder eines von ihrem durch Misserfolg als Uni-Professor frustrierten Vater gegründeten Kult, dessen Hauptmerkmal darin besteht, Menschenfleisch zu verzehren. Rina bekommt aber nicht die Gelegenheit, die Nachricht zu verarbeiten, denn in ihr Haus fällt plötzlich eine Verbrecherbande ein, die auf der Flucht von der Polizei ist. Prompt verguckt sich Rina in Gigi, die Freundin des Anführers. Die Kriminellen müssen schnell feststellen, dass sie an die falsche Familie geraten sind – doch auf wessen Seite steht Rina?

Fresh Meat ist respektlos, frech, flott und geizt nicht mit bizarren Einfällen. Temuera Morrison ist als durchgeknallter pater familias ein früher Anwärter auf die männliche Performance des Jahres beim diesjährigen Fantasy Filmfest, doch die Newcomerin Hanna Tevita trägt als Rina den Film mindestens genau so gekonnt auf ihren Schultern. Wirkt der Einstieg noch etwas zu gewollt cool und scheint nach gewohntem Muster abzulaufen, steigert sich der Film immer weiter bis zu seinem fulminanten Finale. In der Zwischenzeit wird in einen Penis gebissen, ein Zeigefinger wird gegessen, ein armes Opfer wird mehrmals überfahren (und bleibt immer am Leben) und Morrison darf einen Chinesen imitieren (mehrmals!). Der Humor ist nicht für Jedermann, doch wer die Geschmacklosigkeit einer Kannibalen-Komödie schätzt, wird voll und ganz auf seine Kosten kommen. 4/5

Europa Report

Fantasy Filmfest 2013 - Europa ReportIn nicht allzu ferner Zukunft wird eine bemannte Mission zum Jupiter-Mond Europa geschickt, um dort nach möglichen lebenden Organismen zu suchen. Mit an Bord: sechs Spezialisten für verschiedene Fachgebiete. Alles verläuft nach Plan bis 16 Monate nach dem Start plötzlich jegliche Kommunikation zur Kommandozentrale auf der Erde abbricht.

Europa Report ist der neuste Beitrag zu "Found Footage"-im-Weltraum. Die gute Nachricht: Es ist besser als Apollo 18. Die schlechte: nicht viel besser. Man merkt, dass aus wissenschaftlicher Sicht der Film gut recherchiert ist und statt auf billige Schockeffekte (meistens) auf realistische Gefahren setzt, die eine Weltraumreise von solcher Tragweite mit sich bringt. Der Nachteil dabei – es ist zäh. Man verbringt viel Zeit mit den Charakteren, doch durch das ständige Springen in der Zeit, kommt man ihnen nicht näher. Als die von Anamaria Marinca gespielte Pilotin über eine haarige Situation in die Kamera erzählt, dass sich jede Sekunde so lang wie noch nie angefühlt hat, so war das der einzige Moment, bei dem ich mit einem Charakter mitfühlen konnte – wenn auch anders als beabsichtigt. Zudem ärgert es schon, dass bei einem Film, der so sehr aus Realismus setzt, die angeblichen Super-Spezialisten mitunter einfach nur dämliche Fehler machen. Visuell bietet der Film einige interessante Ansätze, auch wenn der Großteil sich in der engen Kabine abspielt. Vor allem hat der Film bei mir die Sehnsucht nach Alfonso Cuaróns Gravity noch weiter erhöht. 2,5/5

Miserere – Choral des Todes

Fantasy Filmfest 2013 - MiserereEin Film, der einem weismachen will, dass Gerard Depardieu einen jungen, körperlich fitten Mann verfolgen und dann auch irgendwann einholen kann, hat inhärent große Logikprobleme. Erschreckend ist, dass dies nicht einmal der am weitesten hergeholte Aspekt des Films ist. Nazis, tödliche (im wahrsten Sinne des Wortes) Schreie und kirchliche Verschwörungen kommen in dem auf Jean-Christophe Grangés Roman basierenden Film zusammen. Als kürzlich pensionierter Kripo-Polizist und ein Interpol-Agent mit einer Neigung zu gewalttätigen Ausrastern, ermitteln Depardieu und Joey Starr bei einer bizarren Mordserie, die irgendwie im Zusammenhang mit einem Kinderhändlerring in Verbindung steht.

Depardieu und Starr haben gute Chemie miteinander und beide auch eine starke filmische Präsenz. Auch atmospährisch wird der Film in der ersten halben Stunde sehr gut aufgebaut und erinnert in bester Art und Weise an Die puprurnen Flüsse. Doch dann hat er ein ähnliches Problem wie der ebenfalls auf Grangés Werk basierende Das Imperium der Wölfe. Je näher der Zuschauer den zahlreichen Enthüllungen und Wendungen kommt, desto haarstäubender und, schlicht gesagt, blöder wird das Ganze – bis man beim Finale anstatt die Spannung zu erleben, die der Film mit seinem Lauf gegen die Zeit gerne vermitteln möchte, nur noch die Augenbrauen hochzieht und sich fragt, wie jemand auf eine solche Auflösung kommen konnte und diese dann auch noch für gut hielt. 2/5

Raze

Fantasy Filmfest 2013 - Raze"Exploitation pur" verspricht das Programmheft zu Raze. In gewisser Hinsicht trifft das voll und ganz zu. Gleichzeitig aber auch nicht. Das Szenario orientiert sich komplett an den Frauenknastfilmchen, wie diese in den Siebzigern und Achtzigern populär waren – junge, hübsche (und kämpferisch begabte) Frauen werden von einer geheimen Organisation entführt und gezwungen, mit bloßen Händen im Zweikampf gegeneinander zu kämpfen. Der "Anreiz": weigert sich eine Frau zu kämpfen, wird eine ihr nahe stehende Person getötet. Verliert sie, wird diese Person ebenfalls getötet. Nur eine kann am Ende übrig bleiben. Unsere Protagonistin ist Sabrina, gespielt von Zoe Bell, der Stuntfrau, der Quentin Tarantino mit Kill Bill und Death Proof zu B-Movie-Ruhm verhalf. Frauen und Gewalt, viel Gewalt (die FSK wird  Kopfschmerzen haben bei dem Film). Doch die schmierig-sexuelle Komponente der frühen Exploitation-Filme fehlt in Raze vollkommen. Um es auf den Punkt zu bringen: hier geht es wirklich (fast) nur um Frauen, die sich gegenseitig die Köpfe einschlagen und eintreten. Ich schätze dafür existiert der Begriff "Neo-Exploitation".

Zwar versucht der Film auch eine Message von Emanzipation und Frauen-Power an den Zuschauer zu bringen, doch diese geht schnell in dem Strudel aus unmenschlicher Gewalt unter. Oh ja, der Film wird viele provozieren und einige werden ihn schnell als frauenverachtend und gewaltverherrlichend abstempeln, wobei hier von Verherrlichung meiner Meinung nach nicht die Rede sein kann. Ich denke jedoch, dass bei Raze erst gar nicht so viel nachgedacht wurde, wie ihm vorgeworfen wird. Der Gedanke ist immer nur beim Konzept geblieben, Frau gegen Frau kämpfen zu lassen. Dem Zuschauer werden Sympathieträger geboten (wobei die von Bell sehr intensiv gespielte Sabrina nicht zwingend dazu gehört) und natürlich auch eine fiese Psychopathin, der das Ganze einfach nur verdammt viel Spaß macht. In dieser Rolle stiehlt Rebecca Marshall allen anderen die Show. In einem überraschenden Kurzauftritt ist auch Rosario Dawson (!) zu sehen, die mit Bell bereits in Death Proof mitgespielt hat. Auch Rachel Nichols lässt sich in einer Rolle blicken, die vermuten lässt, sie sei die Protagonistin des Films, bis die Karten umgedreht werden. Besondere Erwähnung gilt Doug Jones, der als Organisator der "Spiele" widerwärtiger kaum sein könnte.

Ja, der Sinn des Ganzen ist fraglich bis nicht existent, doch der Film schafft es sehr schnell, die Aufmerksamkeit des Zuschauers aus seine Seite zu ziehen und nicht mehr loszulassen. Ein Plus sind die knallharten und gut choreografierten Kampfsequenzen, in denen Zoe Bell mal wieder ihr Können  unter Beweis stellen darf. 3,5/5

Bisherige Ausgaben:

Tag 1