La Vénus à la fourrure, F/PL 2012 • 96 Min • Regie: Roman Polanski • Mit: Emmanuelle Seigner, Matthieu Amalric • FSK: n. n. b. • Kinostart: 21.11.2013 • Deutsche Website
Nach seiner brillanten Adaption von „Der Gott des Gemetzels“ nimmt sich Roman Polanski erneut eines Bühnenstücks an. So fern Yasmina Rezas bissige Gesellschaftssatire und David Ives erotische Analogie einander äußerlich scheinen, so nah rückt sie die intime Inszenierung. Sie flirtet mit ihren Motiven ähnlich raffiniert wie mit dem Hintergrundwissen des Publikums. Die Handlung des in einem Theater angesiedelten Stück entfaltet sich auch auf der Leinwand ausschließlich in jenem diffusen Zwischenreich Wirklichkeit, Wunsch und Wahn.
Der süße Wahn einer (selbst)obsessiven und possessiven Lust umgarnt den Regisseur Thomas Novachek (Mathieu Amalric) in Gestalt der zu einem verspäteten Vorsprechen auftretenden Schauspielerin Vanda (Emmanuelle Seigner). Wie die Regennässe, die sie von draußen mitbringt, ist sie irdisch bis zum Ordinären: das Gegenstück des Bühnenautors, der von einem Tag erfolgloser Vorsprechen für sein neues Werk frustriert ist. „Venus im Pelz“ ist der Titel dieses Stücks, des Broadway-Erfolgs von David Ives und des berüchtigten Romans Leopold von Sacher-Masochs, der beiden zugrunde liegt. Und es ist der Titel des zweikämpferischen Kammerspiels, das erotisch so subtil ist wie psychologisch explizit. Das schäbige Pariser Theater, in das zu Beginn eine lange Kamerafahrt führt, symbolisiert die Phantasie des Regisseurs. Ob dessen vor der Kamera, ein optisches Double des jüngeren Polanski, oder dessen dahinter, der sein Alter Ego mit seiner realen Ehefrau Seigner paart, bleibt wie der Sieger des sexualisierten Duells, „ambig“. So sei die Novelle, wiederholt Thomas. „Ambivalent“, korrigiert Vanda, die den blasierten Regisseur zum Co-Darsteller degradiert, bevor sie die Zügel – im wörtlichen Sinne – ganz in die Hand nimmt.
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Thomas wird, wie die Romanfigur Severin von Kusiemski, Opfer seines Fantasiegeschöpfs. Vanda wiederum wird Opfer seines Fetischs, der sie nie als Individuum, sondern ewig als Lustobjekt sieht. Beide sind Gefangene in Thomas‘ wollüstigen Angstwunschtraum, aus dem sie und die Zuschauer anfangs mokante Brüche in der prolongierten Theaterprobe in die Realität holen. Ganz im Sinne des Urwerks von 1870, ist es eine grausame Verführung im Wechselspiel kühlen Intellekts und schwüler Suggestion. Vanda adaptiert von der Namensschwester im Roman deren knisternde Laszivität und forsche Argumentation, die Thomas chauvinistischen Künstlerhabitus tief erschüttert. Umso vehementer er sich der vulgären Bewerberin um seine Gunst als Regisseur und womöglich auch Gespielen verweigert, desto unwiderruflicher verfällt er ihr. Während Vanda ihre Triebe in ihre Persönlichkeit integriert hat, kämpft er, den seine bürgerliche Verlobte am Telefon verfolgt, hilflos gegen seine verleugnete Begierde. Wie wenig er sie begreift, zeigt sich darin, dass er Lust als Liebe hinstellt, um sie moralisch zu entschuldigen. Dabei ist die verurteilende Moral lediglich seine eigene. Darin liegt die wahre Perversion der Konstellation, die sich heimlich zur surrealen Groteske wandelt.
Gefesselt an einen phallischen Marterpfahl, von einer durch Grimassen und Pelzüberwurf animalisierten Bacchantin umtanzt, wird der gehemmte Künstler zum Sklaven der erbarmungslosen Muse. In der Auslieferung triumphiert der Diener über die Herrin. Sie ist, wie Vanda anprangert, tatsächlich sein Sexobjekt, dem er sich gezielt unterwirft und den Part der skrupellosen Verführerin zuweisen kann. Gemeinplätze über Weltliteratur und „emotionale Tiefe“ dienen ihm nur dazu, die Auseinandersetzung mit der Materie zu umgehen. Das Gegenextrem ist Polanskis sublimierte Identifikation mit dem Hauptcharakter, der bis zu Letzt der wahre Regisseur der privaten Fetisch-Fantasie mit seiner „Venus im Pelz“ bleibt. Wo Ives den Krieg auf das (Berufs)Feld zwischen Inszenator und Inszenierter erweitert, hebt ihn Polanski auf eine Metaebene von Sozialhierarchie und (Auto)Biografie.
Fazit
Qual wird unabdingbar zur Inspiration, deren Verlust schrecklicher wäre als der Schmerz. Ihn erbittet der Regisseur, unisono mit dem von Lou Reed besungenen Anti-Helden: „Severin, your servant comes in bells, please don’t forsake him. Strike, dear mistress, and cure his heart.“
La Vénus à la fourrure, F/PL 2012 • 96 Min • Regie: Roman Polanski • Mit: Emmanuelle Seigner, Matthieu Amalric • FSK: n. n. b. • Kinostart: 21.11.2013 • Deutsche Website
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