The Wretched, USA 2019 • 95 Min • Regie: Brett Pierce & Drew T. Pierce • Mit: John-Paul Howard, Piper Curda, Jamison Jones, Azie Tesfai, Zarah Mahler • FSK: ab 16 Jahren • Kinostart: 13.08.2020 • Deutsche Website
Handlung
Ben (John-Paul Howard), ein Jugendlicher, dessen Eltern mitten in einer Scheidung stecken, wird nach einem versuchten Medikamenten-Diebstahl, bei dem er sich den Arm gebrochen hat, zu seinem Vater Liam (Jamison Jones) geschickt, um seine Sommerferien in einem Küstenstädtchen zu verbringen und weiterem Ärger fernzubleiben. Die Trennung seiner Eltern belastet den Jugendlichen, und dass sein Vater bereits eine neue Freundin hat, macht es auch nicht besser. Ben bekommt einen Ferienjob am Yachthafen und wird dort zu allem Überfluss von reichen Jugendlichen schikaniert. Doch es gibt auch einen Lichtblick: Seine fesche, hübsche und zum Flirten aufgelegte Kollegin Mallory (Piper Curda). Die Freude hält jedoch nicht lange an, denn etwas viel Gefährlicheres als verwöhnte, fiese Teenager lauert in den Wäldern vor der Stadt. Ein uraltes, bösartiges Wesen mit Appetit auf Menschenfleisch und einer besonderen Vorliebe für Kinder macht sich zunächst im Haus von Bens und Liams Nachbarn heimisch. Nachdem sich unheimliche Vorkommnisse häufen, versucht Ben seinen Vater zu warnen, doch weil er ein Teenager in einem klassischen Horrorfilm ist, schenkt ihm nur Mallory zögerlich Glauben. Als sie jedoch weitere Nachforschungen anstellen, nimmt die Hexe die beiden Jugendlichen und ihre Familien ins Visier.
Kritik
Vielleicht liegt es daran, dass andere Filmmonster wie Zombies, Werwölfe oder Vampire inzwischen ein wenig verbraucht sind, oder einfach an einem neuen kreativen Schub, doch in den letzten zehn Jahren ließ sich ein deutlicher Anstieg von Horrorfilmen über Hexen beobachten. Angefangen hat die aktuelle Welle des Hexenhorrors mit Rob Zombies hypnotischem Lords of Salem und wurde u. a. mit Álex de la Iglesias bunten Farce Die Hexen von Zugarramurdi, Tommy Wirkolas actionreichem Hänsel und Gretel: Hexenjäger, Robert Eggers' atmosphärischem The Witch, und sogar der Rückkehr der Blair Witch fortgeführt. Auch dieses Jahr treiben Hexen im Kino ihr Unwesen. Im März machte die russische Baba Yaga im gleichnamigen Film Jagd auf Kinder, erst vor wenigen Wochen interpretierte Gretel & Hänsel das bekannte Märchen aus feministischem Blickwinkel neu, und nun ist es The Witch Next Door, die einem Teenager die Sommerferien vermiest.

The Witch Next Door, dessen deutscher Titel keinerlei Zweifel an der Handlung lassen soll, spielt zwar, abgesehen von seinem Prolog, in der Gegenwart, lässt man aber die moderne Technik außer Acht, wirkt der Streifen wie ein vergessenes B-Movie-Artefakt aus den Achtzigern oder Neunzigern, einer einfacheren Zeit im Horrorgenre. Das bedeutet keineswegs, dass der Film versucht, auf einer Nostalgie- oder Retro-Welle zu reiten. Vielmehr greifen die Macher auf das Altbewährte zurück: Eine einfache Geschichte wird mit einfachen Mitteln, viel Herz- und etwas Kunstblut, und ohne jegliche Selbstironie erzählt. Dadurch erfindet der Film das Rad nicht neu und gewinnt keine neuartigen Einblicke in das Genre, doch obwohl er sich letztlich den meisten Genre-Konventionen beugt, wirkt er gerade dank seiner unprätentiösen Schlichtheit und völligen Hingabe an die Ernsthaftigkeit des Geschehens erfrischend im zunehmend effekthascherischen Horrorgenre.

Sympathisch sind auch die beiden Hauptdarsteller des Films, John-Paul Howard und Piper Curda, die spürbare Chemie miteinander haben und, wie auch der Rest der Besetzung, den meisten Zuschauer unbekannt sein dürften. Auch das hilft dabei, die Figuren weniger als Schauspieler, und mehr als echte Jugendliche wahrzunehmen. Ben ist rebellisch, wegen der Scheidung launisch, übertreibt es auch mal mit dem Alkohol, und ist in romantischen Angelegenheiten eher unbeholfen. Dass ihm die Hexe überhaupt erst auffällt, liegt daran, dass Ben, hormongesteuerter Teenager wie er ist, das gutaussehende Nachbarpärchen, das gerne Sex vor unverdecktem Fenster und bei Licht hat, durch sein Fernglas beobachtet. Insofern ist The Witch Next Door eine übernatürliche Variation von Hitchcocks Das Fenster zum Hof, oder, wenn man moderner und im Teenie-Thrillergenre bleiben will, Disturbia. Ein guter Schuss von Die Körperfresser kommen bzw. The Faculty ist auch dabei, denn die Hexe zieht sich buchstäblich die Haut ihrer Opfer über und nimmt deren Gestalt an, sodass man sich manchmal nicht sicher sein kann, von wem akute Gefahr gerade ausgeht.


Der erfahrene Genrefan wird von The Witch Next Door vermutlich weder schockiert noch beeindruckt werden, sollte aber die offensichtliche Liebe der Macher für das Genre wertschätzen, die in einen Film geflossen ist, von dessen simplen Art es heute nicht mehr viele gibt.
Fazit
Eine Gruselmär für Fans, die ihren Horror schlicht, klassisch und unprätentiös mögen: The Witch Next Door ist Hexenhorror alter Schule, der nicht viel neu macht und gelegentlich in die Klischee-Falle des Genres tappt, dafür aber mit liebevoll handgemachten Effekten, sympathischen jungen Protagonisten und einer immerhin über weite Strecken unheilvollen Atmosphäre aufwartet.

