Roger Corman, einer der einflussreichsten und produktivsten unabhängigen Filmemacher aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ist vergangenen Donnerstag zu Hause in Santa Monica im Kreise seiner Familie gestorben. Er wurde stolze 98 Jahre alt.
Seine Bezeichnung als König der B-Movies hat sich Corman redlich verdient und sie ist keineswegs abwertend zu sehen. Als Regisseur und Produzent wusste Corman, wie man aus denkbar geringen Mitteln möglichst viel machen kann. Er bezahlte seine Schauspieler stets nur 10% über dem vereinbarten Mindestlohn, verwertete Kulissen, Effekte und sogar ganze Szenen aus seinen Filmen mehrmals wieder und war dafür bekannt, aufstrebende Talente früh zu erkennen und ihnen eine Chance zu geben. Cormans B-Movie-Schmiede brachte einige der wichtigsten und erfolgreichsten Filmemacher der letzten 60 Jahre hervor. Oscargewinner Ron Howard (A Beautiful Mind), Martin Scorsese (GoodFellas), Francis Ford Coppolas (Der Pate), Jonathan Demme (Das Schweigen der Lämmer) und James Cameron (Titanic) begannen ihre Regiekarrieren mit Cormans Low-Budget-Filmen. Auch Hollywood-Legenden wie William Shatner, Dennis Hopper und Jack Nicholson haben ihre Karriereanfänge Corman zu verdanken.
Beim Dreh zu Friss meinen Staub (OT: Eat My Dust) klagte der junge Ron Howard seinerzeit über die knappen Mittel, woraufhin Corman zu ihm bekanntermaßen sagte, dass wenn er diesen Film gut hinkriege, er nie wieder für ihn arbeiten müsse. Das war häufig Cormans Motto. Er wusste, welche Filme und für welches Publikum er dreht bzw. produziert und wusste, dass sie für talentierte Schauspieler und Filmemacher ein Sprungbrett zu Größerem werden können. Corman trat gelegentlich selbst vor die Kamera, vor allem in späteren Filmen erfolgreicher Regisseure, denen er zum Karrierestart verholfen hatte. Corman absolvierte u. a. kurze Auftritte in Filmen wie Der Pate II, Apollo 13, Philadelphia, Das Schweigen der Lämmer und Das Tier. Dabei verlangte er dieselbe Gage, die er seinen Schauspielern selbst bezahlt hat – Mindestlohn plus 10%.
Cormans Karriere in Hollywood begann Anfang 20 bei 20th Century Fox, wo er jedoch mit dem Studiosystem schnell desillusioniert wurde. Er verließ Fox und beschloss, fortan nur sein eigenes Ding zu machen. Dass er dafür kaum Mittel hatte, hielt ihn nicht davon ab. Seinen Kultfilm Kleiner Laden voller Schrecken (OT: Little Shop of Horrors) drehte er bekanntlich innerhalb von zwei Tagen und einer Nacht komplett ab, weil er in dem Zeitraum noch die Kulissen seines vorigen Films Das Vermächtnis des Prof. Bondi (OT: A Bucket of Blood) nutzen durfte. Das Drehbuch über die Killerpflanze schrieb er an einem einzigen Abend. Kurz vor seinem Tod wurde eine Neuauflage des Films mit dem Titel Little Shop of Halloween Horrors angekündigt, die Corman produzieren und Joe Dante (Gremlins), dessen Karriere ebenfalls unter Corman begonnen hatte, inszenieren sollte.
Im Laufe seiner rund 70-jährigen Karriere führte Corman bei rund 70 Filmen selbst Regie und produzierte mehr als 300 weitere. Cormans Filme waren nie für die Oscars gemacht, viele Schauspieler und Filmemacher, die er gefördert hat, wurden jedoch zu Oscarpreisträgern. Er selbst wusste hochwertige Filme sehr zu schätzen. Bei einer Umfrage renommierter Filmemacher nach den besten Filmen aller Zeiten nannte er 2022 u. a. Der Pate, Citizen Kane, Chinatown, Die Blechtrommel und Das süße Leben. Mit seiner Produktionsfirma New Horizons vertrieb er Filme gefeierter europäischer und asiatischer Filmemacher wie François Truffaut, Akira Kurosawa, Ingmar Bergman und Federico Fellini in den USA.
Corman selbst wurde 2009 mit dem wohlverdienten Ehren-Oscar für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Mit ihm ist eine wahre Legende und ein Pionier des kreativen Low-Budget-Kinos von uns gegangen. Sein Vermächtnis wird ihn noch lange überdauern.
Quelle: Associated Press
