Schlechte Projektion, überteuerte Preise: Logan-Regisseur James Mangold klagt über heutige Kinos

James Mangold und Hugh Jackman am Set von Logan – The Wolverine © 2017 20th Century Studios

Quelle: Discussing Film

Auch wenn die Kinos in einigen Ländern der Welt langsam und mit begrenzten Kapazitäten wieder aufmachen dürfen, bangen dennoch viele Kinobesitzer um ihre Zukunft. Die Corona-Krise hat den Kinos schwer zugesetzt. Doch die Wahrheit ist, dass es großen Teilen der Branche auch vor der Krise nicht besonders gut ging. Viele Kinos wirtschafteten am Existenzminimum, sie existierten von Monat zu Monat. Streaming-Dienste mit attraktiven, exklusiven Angeboten und einer technisch meist einwandfreien Präsentation bei deutlich geringeren Kosten sind für viele Menschen, insbesondere für größere Familien, zu einer verlockenden Alternative geworden. Aber auch die steigende Ton- und Bildqualität der Heimkinoanlagen spielt eine große Rolle.

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Ich bin Kinofan mit Herz und Seele, doch ich verstehe auch die Argumente vieler, die dem Kino den Rücken gekehrt haben. Mitmenschen, die sich nicht zu benehmen wissen, ständig auf ihren hellen Smartphone-Bildschirmen tippen, quatschen und schmatzen, gepaart mit  häufig nur mittelprächtiger Bild- und Sound-Qualität und immer steigenden Eintrittspreisen werden häufig als Gründe gegen den Kinobesuch genannt. Es ist wahr, dass viele Kinos heute leider nur halbherzig geführt und gepflegt werden und das Personal so schlecht entlohnt wird, dass sie ihrer Arbeit auch nur lieblos nachgehen. Das ist in aller Regel kein Ausdruck der Gleichgültigkeit der Kinobesitzer, sondern eben das Ergebnis der schlechten wirtschaftlichen Lage. So entsteht ein Teufelskreis, der sich immer weiter verstärkt.

Regisseur James Mangold, der mit der Vielfalt seiner Filme – von Identität über Walk the Line und Logan – The Wolverine bis Le Mans 66 – seit vielen Jahren die Kinogänger begeistert, ging in einem neuen Interview sehr ausführlich und unverblümt auf minderwertige Filmpräsentationen ein, die in vielen Kinos dargeboten werden: (aus dem Englischen)

Für mich, ist Filmemachen Filmemachen. Was wir immer als Präsentation auf einem kleineren Bildschirm gesehen haben, ist heutzutage nicht zwingend ein so viel kleinerer Bildschirm (als die Leinwand). Die Realität der Filmprojektion in den Kinos ist in so vielen Fällen so tragisch schlecht geworden. Man kämpft dafür, dass der eigene Film in ein Kino kommt, das stinkt und in dem jemand eine Enchilada neben dir isst  – die Hälfte der Leinwand ist nicht im Fokus oder zu dunkel. Kinos haben ihre eigenen Probleme. Wenn man keine Präsentation in höchster Qualität bieten kann, an die man zu Hause nicht herankommt, dann schaufeln sich die Kinos ihr eigenes Grab, ohne dass irgendeine andere Darbietungsform mit ihnen konkurrieren muss. Wenn ich mit den Kinobesitzern oder Betreibern von Kinoketten rede, ist das die große Sache.

Ich hatte ein Erlebnis bei Le Mans 66 als ich zu einem berühmten Kino in New York für eine Art Academy Q&A ging. Ein großes Kino im Zentrum von Manhattan, große Leinwände für prestigeträchtige Vorführungen. Sie haben ihre… eine der Sachen, die passieren, ist, dass es unterschiedliche Linsen für 3D-Filme und für normale Filme gibt. 3D-Linsen teilen die Prismen auf, die das Licht spalten, die Lichtintensität wird um die Hälfte reduziert. Faule Kinobesitzer lassen die 3D-Linsen einfach die ganze Zeit drin, die die Filme in ein blaues Licht tauchen und sie auf der Leinwand abdunkeln – auch wenn es kein 3D-Film ist. Es ist streng finanzielle oder körperliche Faiuheit, jemanden hochzuschicken, um eine andere Linse in den Projektor einzusetzen.

Ich habe festgestellt, dass beide Vorführungen mit 3D-Linsen abgehalten werden, obwohl es kein 3D-Film ist. Ich betone, es ist ein vom Studio gebuchtes, prestigeträchtiges Screening in einem großen, namhaften Kino in New York gewesen. Mein Punkt ist, dass Kinos aktuell eine Einöde von wirklich beschissener Präsentation von Filmen an ein Publikum ist, das einen hohen Ticketpreis zahlt, um die Filme auf der Leinwand zu sehen. Das ist etwas, was man in der Zukunft beheben muss.

Mangold fügte jedoch hinzu, dass auch die Position der Kinobetreiber nachvollziehbar ist, weil sie die Abstriche häufig aus Geldnot machen müssen:

Kinos, wie alle kapitalistischen Unternehmungen, befinden sich in einem immerwährenden Zyklus des Davonlaufens von der Insolvenz. Sie zahlen den Leuten so wenig, wie sie können. Sie stellen so wenige Leute an, wie sie können. Sie verkaufen Snacks, die ihnen 45 Cent in der Herstellung kosten für das 22-fache der Produktionskosten. Sie stecken dich in einen Kinosaal, der möglichst passabel bei möglichst geringen Ausgaben ist. Ab und zu wird ein Kino renoviert und holt sich neue Technik. Aber wenn die Leute, die die Technik bedienen, nicht gut, nicht ausgebildet oder einfach gleichgültig sind, weil sie so schlecht bezahlt werden – das Ergebnis wird immer fragwürdig sein. So einfach ist das. Es ist egal, was die Filmemacher sagen, wenn sich die Kinobesitzer Sorgen machen, ob sie nächsten Monat die Pacht bezahlen können. Das kümmert sie mehr, als ob ein verwöhnter Filmemacher denkt, dass der Ton zu leise ist oder die Helligkeit des Bildes nicht hoch genug. Ihre Köpfe sind woanders.

Dennoch glaubt Mangold, dass das Kino, wenn man es richtig anstellt, weiterhin eine Zukunft hat:

Ich denke nicht, dass das Kinoerlebnis tot ist. Ich bin sicher, es wird Opfer der aktuellen Lage geben und die Kinoketten werden leiden, aber ich denke auch, dass viele Menschen rausgehen und ein besonderes Erlebnis auf einer großen, großen Leinwand haben wollen, das nirgendwo sonst verfügbar ist…. Das wird es weiterhin geben. Aber ich denke, dass die glorreiche Zeit, die ich während der Neunziger erlebt habe, als es noch blühendes Independent-Kino auf den Leinwänden in Großstädten gab, bereits vorüber ist. Sie war noch vor dem Virus vorüber. In vielerlei Hinsicht kann man Streaming als die Frage nach der Henne und dem Ei sehen – entweder als Mörder oder als Retter.

[…] Kleine Filme haben es immer schwerer, ein Publikum zu finden. Die Leute haben sich größtenteils daran gewöhnt, zu Hause zu bleiben. Kinos sind zu einem Ort für großes Eventkino geworden. Und vielleicht für einen oder zwei kleinere Filme, die entweder so provokant sind oder so den Zeitgeist getroffen haben, dass die Leute sie möglichst schnell konsumieren wollen.

Ich finde die Punkte durchaus alle nachvollziehbar und es ist eine schwierigere Situation als viele einsehen wollen. Die Kinogänger wollen bessere technische Präsentation, ausgebildete Mitarbeiter, zugleich aber niedrigere Ticketpreise und weniger Werbung vor den Filmen. Doch wie sollen sich die Kinos das leisten, wenn die Verleihe bzw. Studios weiterhin 50% der Einnahmen oder mehr einbehalten?

Wie jeder andere Filmfan liebe ich auch guten Sound und entsprechende Bildqualität. Aus diesem Grund unternehme ich immer wieder weite Reisen zu einem IMAX-Kino – ein Erlebnis, das man auch mit der besten Technik heutzutage daheim noch nicht hinbekommt. Doch letzten Endes ist Kino für mich mehr als nur extrem hoch aufgelöstes Bild und Ton, der den Saal zum Beben bringt. Kino ist für mich ein gemeinschaftliches Erlebnis und ein kulturelles Event, das man so in den eigenen vier Wänden einfach nicht replizieren kann.

Wie seht Ihr das?

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