
Am fünften Tag des Fantasy Filmfests 2014 gehörte jeder der drei von mir gesichteten Filme einer gesonderten Kategorie an – es gab den Actionthriller The November Man als Special Premiere Screening (was auch immer die Bezeichnung bedeuten mag), den blutigen Retro-Horrorfilm Among the Living im Director’s Spotlight (Co-Regisseur Julien Maury war auch vor Ort und gab uns ein Interview, das Ihr später hier lesen könnt) und als Centerpiece, wo in der Regel einige der größten Festival-Highlights gezeigt werden, lief What We Do in the Shadows. Doch obwohl alle drei Filme besonders hervorgehoben waren, war es wieder ein solider, aber kein überragender Tag beim Fantasy Filmfest. Eine richtige "Gurke" (wie die schlechtesten Filme beim Fantasy Filmfest gerne bezeichnet werden), ist mir weiterhin noch nicht begegnet (wobei Wer am Eröffnungstag da schon sehr nah dran war), doch auch keine neuen Highlights kamen hinzu. Das ist insbesondere im Falle des im Vorfeld stark gehypten Vampir-Mockumentary What We Do in the Shadows (in Deutschland mit dem blöden Titel 5 Zimmer Küche Sarg abgestraft) etwas enttäuschend gewesen. Nichtsdestotrotz hatte trotzdem jeder Film am fünften Tag auch seine Stärken und verdiente zumindest eine Sichtung.
TAG 5

The November Man ist ein Spionage-Actionthriller alter Schule und basiert auf einem Roman aus Bill Grangers "November Man"-Reihe, die in den Siebzigern ihren Anfang nahm. Die Handlung wurde natürlich auf den heutigen Stand gebracht und so gibt es neben üblicher Haudrauf-Action auch High-Tech-Überwachungsdrohnen. Dass sich bei Brosnan in der Hauptrolle automatisch James-Bond-Vergleiche aufdrängen, ist nur zu verständlich und nicht zu vermeiden. Peter Deveraux ist von Brosnans aalglattem Bond ziemlich weit entfernt. Er säuft wie ein Loch und zögert auch nicht, die eine oder andere moralische Grenze zu überschreiten und das Leben einer unschuldigen Person (ernsthaft) zu bedrohen, wenn es seinen Zielen dienlich ist. Letzteres sorgt für die mit Abstand beste und intensivste Szene des Films, die zwischen Deveraux und seinem Schüler Mason ausgetragen wird und zeigt, wie weit The November Man von James Bond entfernt ist.
Wenn Deveraux dann auf einen Schlag ein Dutzend Gegner erledigt, liegt der Vergleich natürlich deutlich näher, doch durch eine höhere Altersfreigabe darf hier auch ordentlich Blut fließen und die Auswirkungen der Gewalt sind deutlich zu sehen. Einen sehr großen Fehler macht der Film allerdings durch den starken Fokus auf Luke Braceys Figur. Auch wenn der Streifen versucht, ihn als einen zwischen Moral, Pflicht und Loyalität hin- und hergerissenen Actionhelden darzustellen, fehlen ihm Charisma, Ausstrahlung oder jegliche Tiefe, um den Zuschauer auf die Seite seines Charakters zu ziehen. Viel lieber hätte man Brosnan in der alleinigen Hauptrolle gesehen. Durch den ständig wechselnden Fokus zwischen den beiden Figuren, schwankt auch stark das Tempo des Films und insbesondere das Finale gerät enttäuschend anti-klimatisch. Die politischen Implikationen, die der Film mit sich bringt, sind insbesondere für einen Regisseur wie Roger Donaldson (Dreizehn Tage) eigentlich zu simpel und platt. Jeglicher Realismus bleibt auch auf der Strecke (kann man in Belgrad auf der Straße wirklich jemanden mit einer Schaufel niederschlagen und dann einfach mir nichts, dir nichts weitergehen?!) Am besten funktioniert der Film, wenn Brosnan sein Ding durchziehen kann und allein deswegen hat er sich mit The November Man ein neues Franchise verdient (Teil 2 wurde bereits angekündigt), bei dem hoffentlich nur er als zentraler Charakter bleiben wird. Hier wurde ordentlich, doch definitiv unter dem Potenzial gewerkelt. 3/5

Die drei Freunde Victor, Dan und Tom wurden am letzten Schultag zum Nachsitzen verdonnert, doch stattdessen nehmen sie Reißaus und stiften allerlei Unfug an. Dabei landen sie irgendwann in einem verlassenen Gelände eines Filmstudios, wo sich vor ihren Augen eine schreckliche Szene abspielt, die sehr real ist. Im Kofferraum eines Autos entdecken sie eine gefesselte junge Frau, doch bevor sie ihr helfen können, taucht eine vermummte Gestalt mit Clownmaske auf und verschleppt die Frau in einen Kellerverlies. Der Versuch, der Frau zu helfen, scheitert, doch nun hat das Böse es auf die Kinder abgesehen.
Das größte Problem von Among the Living ist, dass der Aufbau in der ersten Stunde so toll ist, dass wenn der wahre Horror dann endlich beginnt, es bis auf eine wirklich fiese Tötungsszene (Fußfetisch-Alarm?) ziemlich unbeeindruckend bleibt und dann auch sehr schnell vorbei ist. Die verunstaltete maskierte Gestalt wird im Laufe des Films nur sehr langsam enthüllt. Das ist ein sehr effektiver Ansatz, der die Spannung steigen lässt, doch wenn man den Mörder dann endlich zu sehen bekommt, ist das Ergebnis freilich unspektakulär. Es ist, als ob die Macher vor allem damit beschäftigt waren, ihren Vorbildern unter Coming-of-Age-Filmen Respekt zu zollen und am Ende recht lustlos den Horroranteil des Films heruntergekurbelt haben. Schade, denn die erste Stunde macht wirklich Lust und man investiert auch einiges in die drei (ziemlich guten!) Kinderschauspieler, ohne dass ihre so gut etablierte Freundschaft später im Film zum Tragen kommen – und das ist eben der Unterschied zu Filmen wie Stand By Me, ES oder Die Goonies.
Netter Bonus zum Filmbeginn: Béatrice Dalle in einer Szene, die sofort Erinnerungen an Inside wach werden lässt. 3/5
What We Do in the Shadows (5 Zimmer Küche Sarg)

Der Mockumentary-Ansatz bei Horrorfilmen ist nicht gerade neu. Mit Vampire – Verstecken war gestern lief bereits vor vier Jahren eine belgische Vampir-Mockumentary beim Fantasy Filmfest. Zum Glück ist die neuseeländische Produktion, die im Oktober hierzulande unter dem wirklich unglücklichen Titel 5 Zimmer Küche Sarg in die Kinos kommen wird, deutlich gelungener und lustiger geraten. Zu verdanken ist das dem tollen Cast, allen voran Taika Waititi als friedfertiger Viago, der leicht verlegen von seiner Vergangenheit als Nazi-Vampir unter Hitler berichtet und nach über 300 Jahren immer noch nicht gelernt hat, wie man ohne eine Saurei ein Opfer aussaugt. Waititi war mit Jemaine Clement (den er bereits in der schrägen Romcom Eagle vs. Shark in Szene gesetzt hat) auch für das Drehbuch und die Regie verantwortlich. Als absoluter Partykracher von der Festival-Leitung angekündigt, schafft What We Do in the Shadows es jedoch nicht, den Witz über die eigentlich kurze Laufzeit von 86 Minuten stets aufrecht zu erhalten. Nach einer wirklich herrlichen Einführung, schleichen sich hin und wieder längere Stellen mit Leerlauf ein und der Mockumentary-Ansatz nutzt sich leider auch relativ schnell ab, insbesondere da es überhaupt keine Interaktion zwischen den Kameraleuten und den Subjekten der "Dokumentation" gibt. Zum Glück gibt es doch in regelmäßigen Abstanden immer wieder gelungene Einfälle (teils clever, teils albern), sodass Langeweile niemals aufkommt. Zu den tollen Momenten gehören die Vorgeschichten der drei Haupt-Vampire und deren erste Begegnung mit moderner Technologie wie Skype, Handy, YouTube und Facebook. Viel von dem Humor funktioniert jedoch über Wortwitz ("We are werewolves, not swearwolves!"), sodass hier die Sichtung der Originalfassung ein absolutes Muss ist. Einen wirklichen Höhepunkt hat der Film leider nicht, endet aber mit einer schönen humorvoll-romantischen Note. Vampire sind ja auch nur Menschen! 3,5/5
____________________________________________________________
Morgen ist die erste Hälfte des Fantasy Filmfests 2014 in Köln rum und mich erwarten wieder vier Filme. Neben zwei belgischen (Ko-)Produktionen (The Brotherhood of Tears und The Treatment), stehen für mich mit Marjane Satrapis schräger Psycho-Komödie The Voices und der restaurierten und musikalisch innovativ begleiteten Fassung von Jean Epsteins Stummfilm-Klassiker The Fall of the House of Usher (Der Untergang des Hauses Usher) zwei potenzielle Highlights an. Es wird auf jeden Fall vorerst wieder weniger horrorlastig.
Bisherige Ausgaben:








