Breaking Bad S05E12 “Rabid Dog” Kritik

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Breaking Bad Rabid Dog Kritik

Der Artikel enthält “Breaking Bad”-SPOILER, einschließlich einiger Spoiler zur neusten Folge!

Werbe-Platzhalter. Von irgendwas müssen wir auch leben ;-)

Mr. White is the devil

Diese Worte aus der neusten "Breaking Bad"-Folge fassen knapp und treffend zusammen, wie Jesse seinen Mentor/Ersatzvater/Ex-Boss mittlerweile sieht. Nachdem Walter Jesse vier einhalb Staffeln lang manipuliert, isoliert, mit seinen Gefühlen gespielt und schließlich nahezu gebrochen hat, kommt jetzt die Zeit der Emanzipation und der Einsicht. Endlich blickt Jesse durch das Lügengeflecht und die Manipulationsversuche von Walter hindurch. Lange genug hat Walt Jesse für dumm verkauft, hat das Vertrauen und die Sehnsucht des jungen Mannes nach Halt und so etwas wie einer Familie für mangelnde Intelligenz gehalten – denn Jesse ist alles andere als dumm und mit Vertrauen gegnüber Walter (oder irgendjemand anderem) ist vorbei.

Mehr denn je, stellt "Rabid Dog" klar, was eigentlich im Zentrum von "Breaking Bad" steht. Es war nie nur eine geniale Serie über den Aufstieg (und unvermeidlichen Fall) eines Vorstadt-Scarface. Es ging nie hauptsächlich darum, wie Walt sein Doppelleben in Einklang mit seiner Familie bringt und auch nicht um das unausweichliche Katz-und-Maus-Spiel zwischen Walter und seinem DEA-Schwager Hank. Die Beziehung zwischen Walt und Jesse ist der Kern der Serie und ich kann mir momentan kein anderes Ende vorsellen als eins, an dem sowohl Jesse als auch Walter auf die eine oder andere Art beteiligt sind. Wichtig ist bei dieser Einsicht, sich auf die Anfänge der Serie zu besinnen – auf die anfängliche Zusammenarbeit und die Beziehung zwischen Jesse und seinem ehemaligen Chemielehrer – letzteres eine Tatsache, die man als Zuschauer gerne vergisst, bevor Jesses "Mr. White" einen daran erinnert. Denn für Jesse blieb Walter immer sein ehemaliger Lehrer und somit eine Autoritätsperson. Es bedurfte vieles, um aus diesem Verhältnis auszubrechen.

Um sich noch einmal die Anfänge der Manipulation und der Beziehung der beiden vor die Augen zu führen, empfehle ich, diesen Ausschnitt aus der 7. Folge  der 1.Staffel anzusehen

Ja, so fröhlich war die Serie einst. "Today, is the first day of the rest of your life" verspricht Walter mit seiner Binsenweisheit. "But what kind of life will it be?". Was damals nach einer (wenn auch hohlen) Motivationsrede klang, so weiß man, dass Walt nichts ferner lag, als Jesse zu einem selbstbewussten Leben zu bewegen. Jesse wurde sein Werkzeug, bis er von ihm das größte Opfer verlangte – Gale zu töten und damit auch einen Teil seiner eigenen Seele.

Das bedeutet aber nicht, dass Walt auf seine eigene kranke Art und Weise an Jesse nichts liegt. Wie Hank Jesse klar zu machen versucht, mag Walt ihn. Jesse ist der einzige, der mit ihm den ganzen Weg gegangen ist, der einzige, mit dem er all seine Erlebnisse als Drogenbaron von Albuquerque geteilt hat. In gewisser Hinsicht, ist Jesse der Mensch, der Walt am nächsten steht. Als Saul (in einem seiner weiteren brillanten Momente) durch eine bunte tollwütiger-Hund-Metapher Walt nahelegt, Jesse nach Belize zu entsenden, nimmt Walts Stimme die drohenden, heisenberg’schen Züge an und warnt ihn, das Thema nie wieder vorzubringen. Diese Warnung klingt aber zugleich auch so, als würde Walt dabei einen inneren Kampf austragen, denn so sehr er Jesse auch mag, er weiß, dass niemand ihm jetzt so gefährlich werden könnte.

Breaking Bad Rabid Dog Kritik
Nice try, asshole

Doch gehen wir nochmal zum Anfang. Die vorherige Folge endete mit Jesse, der drauf und dran war, das Haus der Whites abzufackeln. Dass es nicht passieren würde, wissen wir aus dem Flash-Forward, in dem das Haus zwar verlassen, aber nicht abgebrannt ist. Doch was kam ihm dazwischen? Das erfahren wir nicht direkt. Zunächst wird uns eine spannungsgeladene Szene serviert, in der Walter bewaffnet und auf das Schlimmste gefasst, ein Zimmer nach dem anderen in dem Haus absucht. Die makellose Regiearbeit in dieser Szene, die die Spannung gekonnt bis zum Äußersten treibt, ist ein erneuter Beweis dafür, dass "Breaking Bad" schon längts kinotaugliches Niveau erreicht hat.

Doch Jesse ist nicht im Haus. Auch jegliche Versuche ihn zu finden, scheitern. Walter tischt seiner skeptischen Familie eine hanebüchene Geschichte von einer kaputten Benzinpumpe auf und verfrachtet Frauchen und Kinder zu ihrer eigenen Sicherheit (vor den Benzindämpfen natürlich!) in ein Hotel. Während Walter Jr. dahinter die Versuche seines Vaters sieht, seine voranschreitende Erkrankung zu verdecken, lässt sich Skyler nicht mehr in die Irre führen und stellt ihn zur Rede. Als sie die Wahrheit (bzw. eine Version ihrer) erfährt, schockiert Skyler die Zuschauer mit einer skrupellos düsteren Seite, wie man sie von ihr noch nicht gesehen hat. Ja, Walter White ist wie ein Gift, der alles um sich herum verdirbt.

Auch Hank, für den sich ein gewisses Maß an Sympathie in den letzten drei Folgen aufgebaut hat, verspielt diese schnell. Die Folge wird nämlich nach etwa 20 Minuten aufgepeppt, indem die Ereignisse "zurückgespult" werden und der Zuschauer die alles noch einmal aus Jesses Sicht erleben kann. Hank, der ihn seit geraumer Zeit beschattet, erwischt ihn in Walt Haus und überzeugt den verzweifelten und am Rande des kompleten Zusammenbruchs stehenden Jesse, das Haus nicht anzuzünden, sondern sich stattdessen mit ihm gegen Walt zu verbünden. Lässt Hank anfangs noch die beschützende, sich um Jesse sorgende Seite zum Vorschein kommen, merkt man, dass ihm Jesses Schicksal herzlich egal ist. In der Tat wäre er durchaus froh, wenn Walt diesen "Mörder-Junkie" umlegen würde, solange dies zu Walts Verhaftung führt. Letztlich kümmert Jesses Schicksal Hank noch weniger als Walt. Durch diese fantastisch platzierten Charaktermomente, macht "Rabid Dog" deutlich, wie weit die Ereignisse der letzten viereinhalb Seasons die Charaktere getrieben haben. Jesse bleibt als einziger eindeutiger Sympathieträger bestehen und er lässt sich von Hank nicht länger wie eine Bauernfigur in seinem Schachspiel gegen Walt ausnutzen. Stattdessen schmiedet er eigene Pläne. Dass er durchaus dazu in der Lage ist, weiß man spätestens seit:

Ganz ehrlich, wer würde Jesse nicht noch einmal einen solchen Triumph gönnen? Doch die letzten zehn Sekunden der Folge lassen seine Zukunft erst einmal düster aussehen…

"Rabid Dog" ist vielleicht vom Tempo her, nicht die Art Folge, die man nach den sich überschlagenden Ereignissen der letzten drei Episoden erwartet, insbesondere angesichts der Tatsache, dass nur noch vier Folgen übrig sind, doch es war eine notwendige Folge, um all die Figuren in die richtige Stellung zu bringen und noch einmal zu verdeutlichen, dass Walts Handlungen nicht nur ihn, sondern auch alle um ihn herum zerstört haben. Das Spiel kann losgehen.