"Es ist auch ein Film für Erwachsene" – Peter Kraus im Interview

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Peter Kraus Interview

Peter Kraus ist eine deutsche Musiklegende. Musikalisch angesiedelt zwischen Schlager und Rock ’n' Roll, hat er seit seinem Debüt 1957 mehr als 17 Millionen Tonträger verkauft. Alleine in den ersten vier Jahren seiner Karriere gingen 12 Millionen von Schallplatten mit seinem Namen über die Ladentheke. Seitdem blieb Peter Kaus im Musikgeschäft aktiv – bis heute. Ihn jedoch lediglich auf Musik zu reduzieren, würde dem All-Round Entertainer Unrecht tun. Seit den Fünfzigern ist er auch als Schauspieler tätig, wobei seine Filmeauftritte deutlich seltener geworden sind. Legendär sind seine Auftritte mit Cornelia "Conny" Froboess ("Wenn die Conny mit dem Peter"). Auch im Fernsehen war er tätig, so beispielsweise als Showmaster von "Bäng-Bäng" und bei der von seinem Vater produzierten Sendung  "8 x 1 nach Noten". Nach über 50 Jahren im Showgeschäft lässt sich Peter Kraus keine Müdigkeit anmerken und verlässt sich nicht auf seine alten Hits, sondern ist ständig dabei neues Material zu produzieren. Zu seinem 75. Geburtstag nächstes Jahr ist bereits eine große Tournee geplant. Mit "Systemfehler – Wenn Inge tanzt" feiert Peter Kraus nach mehr als 25 Jahren Pause seine Rückkehr ins Kino – als alternder Schlagerstar Herb König – ist dabei der heimliche Star des Films.

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Zum Kinostart des Films hatte ich die Gelegenheit, gemeinsam mit drei Radio-Kollegen, an einem Roundtable-Interview mit Peter Kraus teilzunehmen (unsere Fragen sind im Folgenden mit "Filmfutter" bzw. mit "FF" gekennzeichnet). Dabei verriet uns der Altstar, wieso er die Rolle im Film angenommen hat, obwohl er eigentlich nicht gerne Schlagersänger spielt. Dazu sprach er mit uns über die Anfänge seiner Karriere, die Schlagersänger von heute und seine erstes Erlebnis in einem geschlossenen Sarg.

Wird eigentlich ein Soundtrack zum Film mit deinem Lied „Rosen aus Hawaii“ veröffentlicht? Das Lied ist ja ein echter Ohrwurm.

Peter Kraus: Da kommt bestimmt ein Soundtrack, aber ich bin nicht gut informiert. (Anm.: Soundtrack seit 12.07. von Very Us Records im Handel). Ich habe die Rechte, das Lied auf meiner nächsten CD als Special anzuhängen. Ich hoffe den Leuten geht es so. Das Lied kommt ja erst am Schluss des Films vor und vielleicht gehen die Zuschauer wirklich raus und sagen: „Wo ist der nächste Plattenladen?“ Wenn der Film ein großer Erfolg wird, dann kommt das Lied auch sicher bei der nächsten Tournee.

Wie bist Du an eigentlich an die Rolle gekommen und was hat Dir am meisten Spaß gemacht?

PK: Der Produzent hat mich angerufen und gefragt, ob ich gerne wieder was in einem Kinofilm spielen würde. Und es war ganz lustig, weil ich dann gesagt habe: „Na, was soll ich denn spielen? Einen Schlagersänger wieder?“. Als der Produzent darüber erstaunt war, dass ich es wusste, meinte ich nur, dass mir nichts anderes angeboten wird. Mir werden nur alte Schlagersänger angeboten und darum sieht man mich in Filmen nicht, weil ich das eigentlich nicht spiele. Aber ich habe mir das Drehbuch trotzdem schicken lassen. Dann habe ich es gelesen und war sehr begeistert, weil es eben nicht nur ein Schlagersänger ist, sondern eine echte Figur, in die man Herzblut reinhängen kann. Man kann die Figur selbst kreieren und das nenne ich Schauspielerei, nicht wenn man sich selber darstellt. Deshalb hat mir das sehr viel Spaß gemacht.

Peter Kraus Interview 1

Peter Kraus als Herb König in "Systemfehler – Wenn Inge tanzt" (2013)

 

 

Wie stehst du zu der Sterbethematik im Film. Setzt Du dich damit auseinander?

PK: Nein, überhaupt nicht. Herb König hat überhaupt nichts mit Peter Kraus zu tun. Ich denke an so etwas noch nicht. Deshalb werde ich mich an diese Szene auch am längsten erinnern (Anm.: in einer Szene testet sein Charakter mehrere Särge aus). Als man bei den Proben den Sarg zumachte und ich zum ersten Mal in meinem Leben in einem geschlossenen Sarg lag, hab ich den Deckel ziemlich schnell wieder aufgerissen und musste erst einmal durchatmen. Das ist schon ein sehr eigenartiges Gefühl. Aber das ist eben Herb (König), der da drin auch noch ein Lied singt.

Filmfutter: Ich habe gehört, der Satz, der direkt danach kam, über die schlechte Akustik im Sarg, sei von Dir improvisiert gewesen.

PK: Ja, früher habe ich ja auch Kabarett gemacht und Comedy. Ihr seid zu jung und wisst das vielleicht nicht, aber ich habe die erste Comedy-Show überhaupt im deutschen Fernsehen gemacht. „Bäng-Bäng“ hieß sie, im ZDF. Es sind ein Paar Gags von mir, wie zum Beispiel der mit der Akustik.

Können Sie eigentlich nachvollziehen, dass es heute so gut wie gar keine Musikshows mehr gibt, die den Künstlern die Gelegenheit geben, aufzutreten, so wie früher? Es gab ja zig Sendungen.

PK: Eine Erklärung dafür habe ich nicht. Mitleid habe ich aber. Es ist traurig, es war eine ganz andere Zeit. Sie müssen es sich mal vorstellen. Ich habe zum Beispiel eine Sendung gehabt, sie hieß „8×1 in Noten“. Es war wirklich eine Spezialsendung für Musikliebhaber. An der haben wir drei Wochen gearbeitet. Die meisten Leute, die mitwirkten, waren drei Wochen mit mir im Studio beschäftigt. Das geht heute nicht mehr, weil wenn eine Sendung heute am Samstag läuft, will jeder am Samstagvormittag im letzten Moment erscheinen. Es ist eine andere Zeit geworden. Mein Vater hat noch Regie geführt. Er hat mit jungen Schlagersängern einstudiert, wie sie sich bewegen müssen, hat mit ihnen geprobt und sie quasi „gestartet“. Heute werden sie einfach fix und fertig abfotografiert. Traurig ist es, dass es eben für die Lieder, die nicht unbedingt zu (Florian) Silbereisen passen, keine Show gibt.

Wäre überhaupt eine Karriere wie Deine ohne die mediale Präsenz, die Du damals hattest, heute überhaupt möglich? Schließlich haben damals bei ARD/ZDF 16-17, gar 20 Millionen Menschen zugeschaut, die ja heute „entzogen“ werden.

PK: Ich glaube die Radio-Wirksamkeit war noch bedeutender, also Radio Luxemburg usw. Für meine Anfangskarriere, mit Teenage-Musik und Rock ‘n Roll war die Musikbox entscheidend. Es waren weder das Fernsehen noch das Radio. Ich bin praktisch von der Jugendzeitung „Bravo“ und von der Musikbox groß geworden. Übrigens, ein Grund, warum die meisten Lieder von damals nur 2:15 oder 2:20 lang waren und nicht länger sein durften, war, weil es sich für die Musikbox-Aufsteller über den Abend sonst nicht rechnete. Sie hätten weniger Geld verdient, wenn die Nummern immer länger als drei Minuten gewesen wären.

Nochmal zurück zum Film. Herb ist ja wirklich die einzige ständig präsente Erwachsenen-Figur. Wie war es, in diesem Pulk von jungen Menschen die einzige Erwachsenen-Figur zu sein?

PK: Schon spannend. Aber ich muss auch sagen, dass ich in meinem Umfeld, außer einem einzigen Freund, der mit mir zur Schule ging, keinen Menschen in meinem Alter kenne. Das hängt mit meiner Arbeit zusammen. Meine Band, mit der ich seit 15 Jahren Tournee mache, gehört auch zu einer anderen Generation. Bei „Systemfehler“ war das jetzt natürlich eine noch jüngere Generation, aber für mich war es spannend. Es war auch insofern lustig, weil es eigentlich nichts anderes ist als der erste Teenager-Film, den ich mit der Conny (Cornelia Froboess), gemacht habe – „Wenn die Conny mit dem Peter“. Nur spiele ich nicht mehr den Jungen, sondern den Alten. Im Grunde genommen hat mich das aber sehr an die Zeit erinnert. Es ist eigentlich eine sehr klassische, romantische Filmgeschichte. Zwei können nicht zusammen  und werden zusammengebracht. Was mich begeistert hat, war die Idee, die Jugend so zu zeigen, wie sie heute ist. Es wirkt nicht verfälscht. Zu Beispiel, dass der Charakter von Tim (Oliver Schultz) von mir schon geführt wird, aber ich das eigentlich hintergründig und vorsichtig mache. Er ist ja ein junger Punker ist und sagt sonst gleich: „Scheiße, ich will nichts hören“, dreht sich um und geht weg. Das gab es zu unserer Zeit nicht. Das war einfach anders. Da sagte man zu einem jungen Menschen: „So, pass auf, du setzt dich hin, legst die Hände auf den Tisch, hältst den Schnabel und ich erzähle eine halbe Stunde lang, wie es geht“ und dann hat er sich das angehört. Aber das war eine andere Zeit. Das finde ich gerade gut, dass Herb es clever anstellt. Mit wenigen Worten und Aktionen bringt er die beiden zusammen; sie würden sonst nicht darauf kommen, dass sie für einander bestimmt sind.

Peter Kraus Interview 2

Peter Kraus bei der Premiere von Systemfehler – Wenn Inge tanzt

 

 

FF: Ein Katalysator also?

PK: Ja, genau. In dem Fall, ist es auch eine Figur, die die Menschen wahrnehmen. Nicht einfach jemand, der einen lustigen Gag gemacht hat. Er ist dramaturgisch auch wichtig. Das fand ich sehr gut.

FF: Wenn die Arbeit bei dem Film Dir so viel Spaß gemacht hat, hast Du jetzt wieder mehr Lust noch häufiger in Filmen aufzutreten? Oder lieber erst auf die anstehende Tournee nächstes Jahr konzentrieren?

PK: Ich glaube nicht, dass jetzt ein Wunder passiert. Die letzten Kinofilme, die ich gemacht habe, waren so um 1987, mit (Hans-Christoph) Blumenberg und Barbara Rudnik. Dann ist eigentlich nichts mehr passiert (lacht). Ich hatte noch eine große Serie mit „Die glückliche Familie“. Das war eine sehr schöne Rolle und hat irrsinnig Spaß gemacht, weil der Charakter so ein Unsympath war. Dann haben mir die Produzenten auch auf die Schulter geklopft und gesagt, wie toll ich einen Unsympathen spielen kann und trotzdem habe ich nie wieder eine unsympathische Rolle angeboten bekommen. Wahrscheinlich, weil ich der Sympathische sein muss (lacht). Die Wahrheit ist, ich habe mich nie um Filmrollen bemüht, aber es würde mich sehr freuen, wenn da was passiert. Es wäre eine schöne Beschäftigung im reifen Alter und eine Klammer für meine Karriere. Ich habe ja mit dem Film angefangen.

FF: Also gerne auch einen Unsympathen wieder?

PK: Ich würde alles gerne spielen, was mit der Person „Peter Kraus“ nichts zu tun hat. Wir neigen ja heute immer mehr zu Selbstdarstellungen als zu Schauspielerei.

Herb ist ja ein ziemlich karikierter Schlagersänger.

PK: Ich hatte ja 50 Jahre lang die Möglichkeit, Schlagersänger zu beobachten und ich hätte noch viel mehr einbauen können.

Peter Kraus Interview 3

Peter Kraus im Interview

 

 

Jetzt kam ja wieder Costa Cordalis wieder ins Rampenlicht. Kannst Du Kollegen verstehen, die vielleicht nicht mehr auf die Bühne sollten?

PK: Man hätte gewissen Schlagersängern einen Rat geben können. Ich habe mich nie darauf verlassen, mein Publikum mit dem zu bedienen, was sie hören wollen. Stattdessen sehe ich das als meine Visitenkarte. Ich mache Rock ‘n Roll- Nummern, ich singe die Hits von damals, die die Zuschauer gerne hören wollen und dann verlange ich von meinem Publikum, dass es sich das anhört, was ich jetzt im Kopf habe und was ich jetzt gemacht habe. Das ist schwieriger, ist aber auf lange Sicht der bessere Weg. Ich glaube viele Schlagersänger haben es sich einfach leicht gemacht und gesagt: „Ich gehe raus und singe, was die Leute gerne hören möchten“. Dann wirst du natürlich eine langweilige Figur, die niemanden mehr interessiert. Ich bin natürlich sehr stolz darauf, dass man meine Lieder nach 50 Jahren noch hört. Ich glaube nicht, dass man die Lieder von heute in 50 Jahren noch gerne hören wird. Aber man muss auch was daraus machen. Sehr geschickt macht das Udo Jürgens. Er sagt bei seinen Auftritten am Anfang: „Erster Teil ist neu und in der zweiten Hälfte kommen die Klassiker“. Ich mische immer, aber das Prinzip ist das Gleiche.

FF: Und das unterscheidet Dich, Peter Kraus, von Deinem Filmcharakter. Herb König hat sich nie umorientiert.

PK: Ja, das ist der typische Schlagersänger aus der Zeit, der gesagt hat: „So, jetzt habe ich einen Hit und so geht es immer weiter“. Aber es ging nicht weiter. Dafür gibt es sehr viele reale Beispiele.

Ist „Systemfehler – Wenn Inge tanzt“ auch ein Film für Erwachsene?

PK: Ich glaube ja. Das liegt daran, dass Wolfgang (Groos, der Regisseur) die Jugend so darstellt, wie sie heute ist und das ist für die Erwachsenen unheimlich interessant, für mich jedenfalls. Ich habe das Buch gelesen und war zunächst von der Jugendsprache etwas enttäuscht – das Wort „Scheiße“ kam zu häufig vor. Aber im Film hat es mich gepackt. Ich empfehle den Film deshalb zu den älteren Leuten. Zu der Generation hat man ja kaum noch Kontakt in meinem Alter.

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Systemfehler – Wenn Inge tanzt läuft seit dem 11.07. in den deutschen Kinos (unsere Filmkritik)