Jackie Earle Haley im Interview zu RoboCop

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Jackie Earle Haley Interview

Heutzutage ist Jackie Earle Haley (52), der Schauspieler mit einem markanten Gesicht, vom Genrefilmen nicht mehr wegzudenken. Dabei begann seine Karriere in den Siebzigern und Achtzigern noch ganz anders. Diese legte er allerdings 1993 auf Eis und verschwand aus dem kollektiven Gedächtnis der meisten Kinogänger. Erst 2006 feierte er ein fulminantes Comeback mit einer fantastischen Darbietung in Little Children, die ihm eine Oscarnominierung als "Bester Nebendarsteller" einbrachte. Obwohl Little Children ein eher ruhiges Drama war, fiel Haleys intensives Spiel den Casting-Agenten so auf, dass er fortan häufig Rollen von psychisch labilen Charakteren angeboten bekam. Dass er im Genrekino so populär wurde, ist wohl seiner fabelhaften Leistung als der größtenteils maskierte Rorschach in Zack Snyders Watchmen zu verdanken Es folgten Rollen in Tim Burtons Dark Shadows, Martin Scorseses Shutter Island und natürlich im Remake von Nightmare on Elm Street. Nicht immer waren alle Filme, in denen er auftrat, gut, doch an seiner persönlichen Leistung war nichts auszusetzen. Dieses Jahr ist er Teil des starkräftigen Ensembles eines weiteren Genre-Reboots – von RoboCop (unsere Rezension), der ab heute in den deutschen Kinos läuft. Anlässlich des Films hatten wir die Gelegenheit, Jackie Earle Haley auf den Zahn zu fühlen. Er erzählte uns, warum RoboCop sich so gut für eine Neuauflage eignete, inwiefern die politischen Themen von Verhoevens Original für die heutige Zeit relevant sind und wie er selbst zu sehr stark technisierten Kriegen von heute steht.

Filmfutter: Nach NIGHTMARE ON ELM STREET sind Sie mit ROBOCOP schon im nächsten Reboot eines Kult-Films zu sehen. Was ist für ein gutes Reboot Ihrer Meinung nach entscheidend?

Jackie Earle Haley: Zunächst der Film. Für mich ist ROBOCOP das perfekte Werk für ein Reboot, denn ich finde es fantastisch, einen damals derart einflussreichen Film wie diesen einer neuen Generation aufzubereiten. Ich glaube ein gutes Reboot sollte das Original auffrischen, so wie es sich bei ROBOCOP anbietet. In den 80ern war dieser Film ein Must-Have-Seen und ich habe ihn geliebt, aber heute sieht er rein optisch etwas überholt aus, denn heutzutage sind in Animation, Computergrafik und Filmtechnik derart gewaltige Fortschritte zu sehen, dass ein 80er-Jahre-Film damit nur schlecht mithalten kann. Gerade ein so actionhaltiges und technologisch inspiriertes Werk wie ROBOCOP neu aufzulegen, ist in der heutigen Zeit daher  sehr naheliegend. Zwar habe ich den fertigen Film noch nicht gesehen, aber ich bin gespannt auf das Endergebnis, denn ich glaube, die Optik wird atemberaubend sein.

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FF: Wie hat sich der öffentliche Blick auf die ROBOCOP-Themen seit den 80er Jahren verändert?

JEH: Die Thematiken des Films sind Menschen heute deutlich bewusster, als noch während der 80er, weil sie zur Realität werden. Was damals fiktiv erschien, ist für die Menschen von heute längst sichtbar. Man kennt mittlerweile verschiedene Seiten der Technik und den Menschen ist klar, dass moderne Technologien mit der Kriegsführung interagieren: Besatzungslose Drohnen hat man beispielsweise längst gesehen und auch die Privatisierung von Militärdienstleistungen (Anm. d. Redaktion: Übertragung von Regierungsdienstleistungen und -besitztümern auf den privaten Sektor), die für ROBOCOP eine entscheidende Rolle spielt,  findet in den USA immer häufiger  statt. Für mich ist vor allem Letzteres ein wichtiges Thema, denn meiner Meinung nach wird damit ein riesengroßer Fehler begangen.

FF: Wie empfinden Sie den technischen Fortschritt im Allgemeinen?

JEH: Für mich ist die moderne Technik beides: Der Fortschritt hat viele wundervolle, aber genauso viele beängstigende Seiten. Was zum Beispiel die nationale Sicherheitsbehörde (NSA) heute tut, ist einschüchternd und extrem bedrohlich für eine Demokratie.

FF: Nutzen Sie die "wundervollen" Seiten der modernen Technologie?

JEH: Ich nutzte die modernen Technologien durchaus. Ich bin beispielsweise auf Social Networks aktiv, aber das lediglich in Maßen: Ich poste zum Beispiel ein paar Dinge auf Twitter und spiele ein wenig herum, aber ich halte mich nicht allzu häufig damit auf.

Jackie Earle Haley Interview RoboCop

FF: Viele Menschen klagen heute darüber, dass sich ihr Leben nicht mehr real anfühlt. Was würde diese Irrealität für einen  Krieg bedeuten?

JEH: Die Irrealität ist eine wirklich bizarre Seite des Fortschritts und die Frage nach der Bedeutung für einen Krieg ist absolut berechtigt. Wie fühlt es sich beispielsweise für die Piloten von unbemannten Drohnen an? Sie steuern diese Geräte vom Boden aus und sitzen nicht darin. Fühlt sich das echt an? Zumindest verliert es an Realität. Die Vorstellung, dass wir plötzlich ganze Armeen von Robotern besitzen und dabei einen Teil unseres Realitätsgefühls verlieren, ist wahnsinnig beängstigend, nicht wahr?

FF: Würden wir nur noch "unsterbliche" Maschinen in den Krieg schicken, wäre der Krieg dann je zu Ende?

JEH: Das ist ein guter Punkt: Ich gebe Ihnen Recht und glaube nicht, dass ein solcher Krieg je ein Ende hätte. In einem Krieg der Roboter würde niemand mehr fallen…

FF: Welche Auswirkungen hätte das auf eine Gesellschaft?

JEH: Wahrscheinlich hätte dieses Szenario durchaus Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft, aber ich glaube, es würde sich ganz ähnlich anfühlen wie sich die Konfliktsituation in unserer Zeit anfühlt. Auch heute haben wir sozusagen ununterbrochen Krieg: Zwar sind immer andere Staaten involviert, aber Kriege sieht man, wohin man sich wendet.

FF: Wichtige Themen  von ROBOCOP sind neben Technik und Krieg Bewusstsein und Verantwortung. Lässt sich Bewusstwerdung trainieren, um verantwortungsvolleres  Handeln zu initiieren?

JEH: Das ist eine schwere Frage, die ich kaum beantworten kann. Bewusstwerdung ist wahnsinnig komplex, denn zu Bewusstsein zu gelangen ist ein individueller Prozess, aber zugleich erfordert Bewusstwerdung die Bewusstmachung dessen, dass alle Menschen Individuen sind. Einig sind Menschen sich nie – das ist eines der natürlichsten Prinzipien der Welt. Wenn man sich zum Beispiel vorstellt, man setzt 10 verschiedene Menschen in ein Zimmer und stellt eine diskussionswürdige Problematik in den Raum, dann wird die eine Hälfte ihre Meinung haben und die andere wird an der gegenteiligen festhalten.

FF: Im Film treten Sie als Murphys Trainer Mattox in Erscheinung. In früheren Interviews sagten Sie, dass Emotionen im Schauspiel immer aus den eigenen Erfahrungen gezogen werden sollten. Wie ist Ihnen das in diesem Fall gelungen?

JEH: Mattox wird auf der einen Seite von dem Gedanken angetrieben, dass es keine gute Idee wäre, einen Menschen in eine Maschine zu integrieren. Er arbeitet mit Tausenden von Robotern überall auf der Welt. Sie alle werden als Polizisten eingesetzt und er vertraut ihnen, weil er genau weiß, wie sie auf welche Situation reagieren. Mit einem Menschen in der Maschine kann er nicht mehr sicher sein, welcher Stimulus was auslösen wird. Robocop ist für ihn nicht mehr berechenbar und er verliert Kontrolle. Gleichzeitig will Mattox seinen Job erledigen. Er möchte Murphy bestmöglich auf seine Aufgabe vorbereiten, obwohl er die Sache dahinter ablehnt. Diese Zerrissenheit kann ich durchaus nachfühlen.

von Sima Moussavian

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RoboCop läuft jetzt in den deutschen Kinos. Unsere Kritik zu dem Film ist HIER nachzulesen.

Das Bildmaterial aus RoboCop © 2014 Studiocanal