The Grand Budapest Hotel, USA/D 2014 • 100 Min • Regie: Wes Anderson • Mit: Ralph Fiennes, Saoirse Ronan, Tilda Swinton, Harvey Keitel, Bill Murray, Jude Law, Edward Norton, Léa Seydoux, Owen Wilson • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 6.03.2013 • Deutsche Website
„Grand Budapest Hotel“ ist jener wundervolle Klassiker der Literatur, dessen Autor (Tom Wilkinson) zu Beginn von Wes Andersons grandiosem Eröffnungsfilm zum Publikum spricht: Ist man ein bekannter Schriftsteller, bräuchte man seine Figuren nicht mehr zu suchen. Sie kämen von allein. Vielleicht sind Charaktere wie die Bewohner eines Hotels. Die einen sind exzentrisch, die anderen modest. Manche bleiben nur für einen kurzen Aufenthalt, andere sind Dauergäste. Und dann gibt es noch diese spezielle Kategorie, die auftaucht, um womöglich für immer zu bleiben: erst als Personal, dann als Genius loci. Vielleicht ist der im nicht ganz historischen Zubrowka gelegene Titelort, hinter dessen Fassade Anfang des 19. Jahrhunderts der Prunk der k. u. k.-Monarchie strahlt und zu Handlungsbeginn trister Sowjet-Chic allen Glanz erstickt hat, eine Allegorie für den Geist des Regisseurs, Drehbuchautors und Produzenten in Personalunion. Hier logierten kuriose Gestalten wie die betagte Madame D (Tilda Swinton), Gräfin von Schloss Lutz und Besitzerin eines kostbaren Gemäldes und einer Horde raffgieriger Verwandter. Der gealterte Hotelbesitzer Mr. Moustafa (F. Murray Abraham) erzählt in der Rahmenhandlung dem damals jungen Literaten (Jude Law) die tollkühne Geschichte seines Aufstiegs: vom Lobby Boy Zero (Tony Revolori) to hero.
Entscheidend trug dazu die Tutor- und Freundschaft des legendären Gustave H. (Ralph Fiennes) bei. Der galante Gedichtliebhaber ist der Concierge des Hotels, vor allem aber ist er dessen Seele. Deren Festigkeit wird auf die Probe gestellt, als die Gräfin – dem Concierge wie so manche faltige Blondine unter den Hotelgästen sehr zugetan – ermordet wird. Hauptverdächtiger ist aufgrund der Anschuldigung des Butlers Serge (Mathieu Amalric) Monsieur Gustave. Der reist begleitet von Zero und Militärschikanen (wenn Zubrowka nicht nur auf der Leinwand existierte, läge es in Österreich-Ungarn, wo es in jener Epoche recht ungemütlich wurde) zur Testamentsverkündung durch den korrekten Anwalt Kovacs (Jeff Goldblum) auf Schloss Lutz. Dort befinden sich die beiden inmitten einer Otternbrut. Deren übelstes Exemplar ist Madam D.s Sohn und aspirierender Erbe Dmitri (Adrien Brody), dessen Handlanger Jopling (Willem Dafoe) Perserkatzen so ungerührt aus dem Weg schafft wie, nun, etwa wie einen Hotelconcierge und dessen Lobby Boy. Beide fabulieren sich durch eine betont künstliche, zugleich von sardonischer Realitätsreferenz gezeichnete Fantasievergangenheit. Saoirse Ronan ist die fingerfertige Konditor-Gehilfin des Grand Budapest und große Liebe Zeros.
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Harvey Keitel ist ein Mithäftling im Gefängnis (dorthin verschlägt es den feingeistigen Gustav), Edward Norton ist Henckel von der Militärpolizei und Bill Murray ist Concierge des Hotels Excelsior Palace und Mitglied des Geheimbundes der gekreuzten Schlüssel. Wem das nicht reicht, um auf die skurrile Scheinschönheit, wie es Jude Laws Autor ausdrückt „gespannt wie ein Flitzbogen“ zu sein, der schwelgt in der opulenten Originalität des doppelbödig konstruierten Plotgerüsts des „Grand Budapest Hotel“. Hier herrschen tadelloses Timing, untrüglicher Stil und diskreter Pragmatismus angesichts tiefbewegender Tragödien. Krieg oder eine Grippeepidemie erscheinen trivial gegenüber den schillernden Charakteren, die trotzdem nicht immun gegen den Zwang ihrer Zeit sind. Trost spendet die Erinnerung an das, was war oder hätte sein sollen. Etwa die Romanvorlage „The Grand Budapest Hotel“, die Stefan Zweig oder Thomas Mann hätten schreiben können, aber niemand geschrieben hat.
Außer einem Gast im Kopf Andersons, dessen Kunststück Tilda Swinton anschließend auf der Presskonferenz perfekt umschreibt: „Es ist die beste Kostümparty, die ich mir jemals vorstellen könnte.“
Fazit
„Ich meine, seine Welt war verschwunden, bevor er sie betrat.“, resümiert Moustafa über seinen ingeniösen Arbeitgeber, „Aber er hielt mit bemerkenswerter Anmut die Illusion aufrecht.“ Das gleiche gilt für Andersons prachtvolle Hommage an die untergegangene Ära voller Grand Hotels und Grand Cinema./p>
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