Rocky V ist ein Desaster von einem Film. Er versucht krampfhaft die Milieustudie des Originalfilms wieder aufleben zu lassen, probiert auf Biegen und Brechen Emotionen aufzubauen und wird dazu noch platter und generischer erzählt, als der dritte und vierte Teil. Hinzu kommt, dass in diesem Film versucht wird, einen wichtigen Punkt auf die Beziehung zwischen Rocky und seinem Sohn zu legen, was aber auf ganzer Linie misslingt. Der Versuch, Rocky V emotional zu erzählen und eine Brücke zum ersten Teil zu schlagen, schlägt völlig fehl und Liebhaber der Boxfilm-Reihe sind sich einig, dass man über den fünften Teil den Mantel des Schweigens legt, denn dieser Film bildet das qualitative Schlusslicht der Reihe, dessen Flackern man kaum erkennen kann.
Bis 1992 hat die Filmreihe eine interessante Reise hinter sich gebracht, von einem Milieudrama mit einer erstklassigen Fortsetzung, über zwei Filme, die sich vom ernsten Original weit entfernten, bis hin zu einem Film, über den man lieber gar nicht erst spricht.
Es sollte vierzehn Jahre, bis die Filmreihe sich von dem Niederschlag namens Rocky V erholen konnte und 2006 ihr Comeback feiern konnte mit Rocky Balboa.
Im Boxsport ist es üblich, darüber zu diskutieren, welcher Boxer vergleichsweise der Beste ist oder war. Um diese Prämisse dreht sich auch Rocky Balboa, denn in einer Computersimulation wird gezeigt, wie Rocky zu seinen besten Zeiten den aktuellen Champion Mason „The Line“ Dixon besiegt hätte. Dies regt Diskussionen an und es wird ein Kampf zwischen dem mittlerweile verwitweten und gealterten Rocky und dem farbigen Schwergewichtschampion angesetzt.
Mit diesem Film schafft die Rocky-Reihe ein filmisches Kunststück. Das inzwischen fünfte Sequel ist eine gekonnte Kombination aus einer hochemotionalen Handlung, der beeindruckenden Performance von Sylvester Stallone und einem Rückblick auf die bisherige Lebensgeschichte des titelgebenden Boxers.
Rocky Balboa verliert nicht die Bodenhaftung wie noch der dritte oder vierte Teil, sondern schafft das, was bereits der erste Teil bravourös bewerkstelligte. Rocky wird nicht als übermenschlicher Boxer dargestellt, sondern als ein Mensch, der tief verletzt ist, viel durchmachen musste und vom Schicksal gebeutelt ist. Seine Frau Adrian ist mittlerweile verstorben und während nur in dem ersten Rocky-Film diese Beziehung stark beleuchtet wird, geht dieser Teil wieder darauf zurück. Der Witwer Rocky wird sitzend vor ihrem Grabstein gezeigt, wie er ihr aus der Zeitung vorliest. Tatsächlich schafft der machomäßig wirkende Stallone eine sehr eindringliche und glaubwürdige Leistung, die auch den Zuschauer mitnimmt.
Doch Rocky Balboa ist mehr als nur eine Bühne, auf der sich ein gealterter Schauspieler nochmal beweisen kann. Zwar ist auch in diesem Film der Plot nichts, was man nicht zuvor schon gesehen hätte, doch dafür sind die Dialoge passend und sinnvoll geschrieben und auch die Darsteller neben Stallone wissen zu überzeugen. Tatsächlich schafft es dieser Rocky-Film aus der tiefen Grube namens Rocky V herauszuklettern und dieses Mal wirklich einen Bogen zum Ursprungsfilm zu schlagen.
Doch neben den emotionalen Tönen kommt die unterhaltsame Seite in Rocky Balboa keineswegs zu kurz. Zwar mag die Trainingsmontage nicht an die aus dem dritten oder gar vierten Film herankommen, motivierend und gelungen ist sie dennoch. Auch der finale Kampf gegen Dixon hat nicht mehr die komplett übertriebene Inszenierung, wie es noch die Boxkämpfe der Teile zuvor hatten, sondern hat fast schon eine glaubwürdige Bodenhaftung. Die Geschichte des zurückgezogenen und eingerosteten Ex-Champion gegen den jungen und erfolgreichen Titelträger ist zwar nicht unbedingt realistisch, doch diese Komponente passt zum Rocky-Franchise, das schon immer etwas dick auftrug.
Mit Bravour schafft es die Reihe sich wieder von dem fünften Niederschlag zu erholen und legt ein wirklich sehr gutes, wenn auch unerwartetes Comeback hin. Emotional, äußerst spannend und zugleich treu seinem Ursprung gegenüber, Rocky Balboa ist im Kontext seiner Saga gesehen ein wahres Glanzstück.
Rocky, Rocky II, Rocky III – Das Auge des Tigers, Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts und Rocky Balboa. Für sich gesehen und in ihrer jeweiligen Filmepoche sind es allesamt gute bis sehr gute Filme, die ihre Zeichen in der Filmlandschaft hinterlassen haben und ein ganzes Filmgenre nachhaltig geprägt haben. Ohne diese Reihe wäre Stallone nicht der hochkarätige Actionstar, der er mittlerweile ist, selbst mit der Rambo-Reihe.
Doch 2015 schaffte die erfolgreiche Filmreihe ein weiteres Kunststück, dieses Mal jedoch nur indirekt mit einem Rocky-Film.
Creed – Rocky‘s Legacy dreht sich nicht um den „Italian Stallion“, sondern um den unehelichen Sohn seines ehemaligen Kontrahenten und Freund Apollo Creed. Adonis „Donnie“ Johnson, so dessen Name, ist ein höchst ambitionierter Boxer, der sich jedoch selbst trainiert. Natürlich kreuzt sich sein Weg mit dem Rockys und er bittet ihn darum, sein Trainer zu werden, doch der stark gealterte Schwergewichtsboxer ist nicht allzu angetan von dieser Idee.
Regisseur Ryan Coogler schafft mit seinem erst zweiten abendfüllenden Spielfilm den Namen der Rocky-Filme von jeglichem Staub zu befreien und etabliert zugleich den Namen einer potentiellen Creed-Reihe. Zudem hat Coogler dem Film eine frische und persönliche Note gegeben, denn seit dem ersten Rocky-Film konnte man nicht abstreiten, dass Stallone die Zügel in der Hand hatte und sich mit Vorliebe selbst äußerst gerne in Szene setzte, ganz gleich ob junger, aufstrebender Boxer oder gealterter Mann, der es sich noch einmal beweisen will. Doch hier verhält es sich anders, denn Stallone spielt diesmal nur die zweite Geige. Apollos Sohn Adonis wird genauestens charakterisiert und beleuchtet, was es dem Publikum leicht macht, mit ihm zu sympathisieren. Auch sein love interest, die Sängerin Bianca, wird nicht stumpf abgehandelt, sondern gefühlvoll und nachvollziehbar aufgebaut.
Vergleicht man Creed – Rocky’s Legacy mit den vorangegangenen Filmen, meint man fast, dass es sich hier um verschiedene Werke handelt. Während Stallones Kämpfe weit entfernt von einem realistischen Boxkampf waren und fast schon komödiantisch anmuteten, wirken die Auseinandersetzungen in Cooglers Boxdrama hingegen real, hart, schnell und sind stets optimal inszeniert. Auch den Trashfaktor, den man besonders im dritten und vierten Teil in jedem einzelnen Frame noch erkennen konnte, sucht man hier vergebens, stattdessen bekommt man Realismus und eine durch und durch ernsthafte Geschichte.
Obwohl Balboa nicht mehr dieselbe Screentime hat wie noch in seinen vorherigen Filmen, ist seine Rolle dennoch eine tragende. Natürlich entscheidet er sich im Verlaufe des Films dazu, den Sohn Apollos zu trainieren und auch deren Beziehung wird herausragend erzählt und weiterentwickelt.
Zwar mag das Finale und auch die Erzählweise an die typische Rocky-Formel angelegt sein, dennoch schafft es Creed – Rocky’s Legacy auf eigenen Beinen zu stehen und kann sich auch gegen den originalen Rocky behaupten. Qualitativ ist das indirekte siebte Sequel ein hervorragender Film, der seine Charaktere und seinen Plot ernst nimmt und inszenatorisch durchweg gelungen ist. Zudem schafft er es, die alten Filme zu würdigen und kann zugleich etwas Eigenständiges kreieren, das dem ersten Rocky in nichts nachsteht.
Ich muss zugeben, dass mir die Rocky-Reihe persönlich sehr am Herzen liegt, doch ich habe mich darum bemüht, einen objektiven Blick auf diese Filmreihe zu werfen. Die Reihe ist durch Höhen und Tiefen gegangen, konnte sich aber selbst neuerfinden und ist mit Creed – Rocky’s Legacy fulminant auf die Leinwand zurückgekehrt. Stallone schafft es von einer fast schon karikierten Figur zurückzutreten und sie in einen ernsthaften und realistisch gezeichneten Charakter umzuwandeln und kann damit an alte Erfolge anzuknüpfen, sowohl kommerziell, als auch vom Kritikerecho.
Die Filmsaga um den „Italion Stallion“ ist für sein Genre wegweisend, auch wenn sie nicht durchweg die beste Qualität aufwies. Nur wenige Filme sind solche Zeitkapseln wie es Rocky III – Das Auge des Tigers und Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts sind und so trashig die Reihe auch sein mag, einen gewissen Charme kann man ihr nicht absprechen.
Die jüngste Idee der Actionikone Stallone war es, in dem potentiellen Nachfolger des Creed-Films Apollos Sohn Adonis gegen den Sohn Ivan Dragos, den Mörder seines Vaters, im Seilgeviert antreten zu lassen. Diese Idee würde der Reihe eine zusätzliche dramatische Note geben und man könnte erneut eine Brücke zu den vorherigen Teilen schlagen, die sinnvoll aufgebaut ist.
Wie auch immer sich die Reihe entwickeln wird, sie teilt die Eigenschaften des Schwergewichtsboxers, nämlich dass sie sich auch von schweren Schlägen erholen kann und immer wieder aufsteht.