"Rush"-Special – Daniel Brühl im Interview

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Daniel Brühl Interview

Wenn es nächstes Jahr bei den Oscars mit rechten Dingen zugeht, so wird Daniel Brühls Name auf der Liste der Nominierten stehen. Es wäre nicht übertrieben, seine Performance als der dreifache Formel-1-Weltmeister Niki Lauda als die Rolle seines Lebens zu bezeichnen. Zwar ist Rush selbstverständlich die Geschichte der Rivalität zwischen James Hunt und Niki Lauda, jedoch ist Brühls Lauda der wahre Star des Films. Im Interview, das wir mit ihm anlässlich der Deutschlandpremiere des Films geführt haben, erzählte uns das deutsche Ausnahmetalent von seinem Austausch mit Niki Lauda, von seinem Wunsch einmal auch Regie zu führen und davon, warum es ihm besonders wichtig war, den österreichischen Akzent von Lauda zu verinnerlichen.

Filmfutter: Wie lange hat es gedauert, bist du gedacht hast: „Ich habe ihn, den Niki“?

Daniel Brühl: Es war eine lange Vorbereitung, weil wir nicht so wahnsinnig viel gemein haben. Ich war aber so angefixt von dem Drehbuch und fand es so toll, dass ich die Rolle unbedingt spielen wollte. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es beim Casting klappen würde und bin daher entspannt hingefahren. Die Zusage kam in dem Moment, als ich in Spanien auf der Landstraße LKWs überholte und meine Freundin schon schimpfte: „Du bist kein Rennfahrer, bleib hinter dem LKW!“. Nach der riesengroßen Freude über die Zusage, setzte im nächsten Moment auch schon die Panik ein. Doch dann folgten ein Formel-3-Kurs in Spanien und intensives Training mit meinem Dialect Coach in Wien. Das war mir ganz wichtig. Einerseits für die Leute, die wissen, wie er spricht, andererseits aber auch weil der österreichische Akzent sich von unserem so unterscheidet und die Figur schön ironisch und ein bisschen arrogant und selbstbewusst erscheinen lässt. Ganz wichtig waren natürlich auch die Gespräche mit Niki Lauda. Zum Glück war er die ganze Zeit sehr offen und hat mir alles beantwortet, was ich wissen wollte. Wir haben über sehr sensible Dinge wie Todesnähe, Furcht und Eitelkeit geredet und das hat mir sehr geholfen…

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FF: Hattest du viel Bammel vor seinem Urteil?

DB: Klar. Ich meine, er ist der undiplomatischste Mann der Welt. Er hätte ja auch sagen können: „It’s bullshit! Komm nie wieder nach Wien!“. Natürlich ist es eine extreme Erleichterung für mich und für uns alle, dass er, aber auch die Formel-1-Welt den Film so hoch gelobt hat. Das zeigt uns allen, dass wir gute Arbeit geleistet haben.

FF: Du bekommst eine sehr gute Ambivalenz hin. Ich würde sagen, dass es der ambivalenteste Charakter ist, den Du je gespielt hast und eine Erweiterung Deines Rollenspektrums. Empfindest Du das auch so und zeigst gerne andere Seiten von Dir?

DB: Ja, absolut. Es ging vor zwei Jahren los, als ich plötzlich Bücher auf dem Tisch hatten, die in eine andere Richtung gingen. Das hat vielleicht auch etwas mit dem Alter zu tun. Ich hatte schon länger Sehnsucht nach solchen Rollen gehabt. Diese Rolle ist ein Geschenk. Das liegt natürlich auch an dem tollen Drehbuch von Peter Morgan. Es war unglaublich gut recherchiert und man merkte, dass er engen Kontakt mit Niki hatte.

FF: Trotzdem hattest Du irgendwie die „falsche“ Rolle. Hunt hatte die Frauen, du hattest eben das Auto…

DB: Ja, es war nicht immer einfach. Es gab auch die Tage, an denen ich das Prosthetic Makeup bekommen habe, das dann 6-7 Stunden gedauert hat. Ich wurde um 3 Uhr früh abgeholt. Dann schaute ich manchmal auf die Dispo und da stand: „Chris Hemsworth wird um 10 Uhr abgeholt. In der ersten Szene knutscht er mit einer Krankenschwester, in der zweiten vergnügt er sich mit einer Stewardess und in der dritten checkt Niki seine Reifen“. Das war schon nicht ohne (lacht) Wir hatten aber eine sehr gute Beziehung, und haben uns auch intensiv ausgetauscht.

Daniel Brühl Interview zu "Rush"

FF: Die Rennfahrer haben doch irgendetwas an sich, was wir nicht ganz verstehen können. Niki Lauda nennt sie „Egomane“, Marlene „Arschloch“ im Film. Was hast Du während der Dreharbeiten von der Charakteristik der Rennfahrer im Allgemeinen verstanden? Was treibt sie an?

DB: Die Leidenschaft für den Rennsport habe ich schon nach einer Runde begriffen. Ich habe nach diesem Film gelernt, dass ich selber kein guter Rennfahrer wäre, aber es macht sehr viel Spaß und kann geradezu süchtig machen. . Ich verstehe, warum ein junger Mann Rennfahrer werden möchte, denn es ist ein absolutes Adrenalinerlebnis. Niki (Lauda) war von Anfang an dazu gezwungen, Einzelkämpfer und tough zu sein, weil er von seiner Familie keinerlei Unterstützung bekam. Er musste schon als Teenager lernen, hart zu sein und auch Egomane zu werden. Darüber hinaus musste er nicht nur physische Risiken auf sich nehmen, sondern auch ökonomische. Aber man kann sich der Person nie vollkommen annähern, weil manche Aspekte einfach unvorstellbar sind. Beispielsweise, dass jemand 40 Tage nach einem solchen Unfall wieder in den Rennwagen steigt. Ich habe Niki (Lauda) gefragt, ob er denn Angst hatte und er erzählte die folgende Geschichte: Damals in Monza hat er den Wagen getestet und war plötzlich blockiert. Er konnte nicht mehr vom zweiten in den dritten Gang wechseln und zitterte, weil er eine Panikattacke bekam. Daraufhin hat er sich kurz umgeschaut, ob ihn jemand gesehen hat, ging in einen Raum, zog die Vorhänge zu, legte sich hin und analysierte im Bett eine Stunde lang seine Angst. Und dann war es in Ordnung! Er ist das Rennen gefahren und ist Vierter geworden. Es ist unvorstellbar, wie geht das? (lacht).

FF: Hast Du denn noch Angst, wenn du mit allen Filmstars über den roten Teppich gehst?

DB: Nein, ich bin manchmal überfordert, aber Angst habe ich nicht. Es ist ja ein belebendes Gefühl, wenn man eine gewisse Ehrfurcht und Nervosität hat und man merkt, dass man sie überwindet. Niki hat mir dabei geholfen. Als ich am Anfang in Wien Zeit verbracht habe, um in die Rolle hineinzuwachsen, haben es einige Leute mitbekommen, dass ich Lauda, den Nationalhelden Österreichs, spiele. Ich bekam durchaus zu hören: „Du als Deutscher? Niki? Na dann toi, toi, toi“. Von ihm habe ich gelernt, ein bisschen darauf zu pfeifen, was Leute von einem denken oder über einen sagen.

FF: Niki Laudas Familie, im Besonderen sein Großvater, wollte ihn ja davon abhalten, Rennfahrer zu werden. Das sieht man auch im Film. Hast Du auch ähnliche Erfahrungen in Deiner Familie gehabt, als Du Schauspieler werden wolltest?

DB: Ja, am Anfang hat mein Wunsch nach Schauspielerei keine Begeisterungsstürme ausgelöst. Nur weil ich beharrlich daran festgehalten habe, irgendwann die ersten kleinen Erfolge kamen und meine Karriere sich schnell gut entwickelt hat, konnte ich alle davon überzeugen. Ich musste aber nicht gegen solch extreme Widerstände ankämpfen wie Niki.

Daniel Brühl Interview zu "Rush" 2

FF: Gab es einen Moment, an dem Du dir als Schauspieler gedacht hast: „Ja, ich habe es geschafft!“?

DB: Ich bin ehrgeizig und selten zufrieden mit mir selbst. Es gibt Momente, in denen es auch gesund ist, den Erfolg zu genießen. So ein Moment ist gerade, denn ich kann wirklich sagen, dass ich mit dem Endresultat von Rush sehr zufrieden bin. Das bezieht sich sowohl auf meine Arbeit als auch auf den gesamten Film. Alle Bausteine stimmen. Das ist nicht immer der Fall. Manchmal ist man mit seiner eigenen Arbeit unzufrieden oder man ist mit dem Film nicht ganz zufrieden. Rush ist aber so geworden, wie ich ihn mir erträumt habe, als ich das Drehbuch gelesen habe.

FF: Niki Lauda, Peter Morgan, Ron Howard und, wie man den Eindruck hat, auch Du scheint nach handwerklicher Perfektion zu streben und seid neugierig auf neue Dinge. Kann man sagen, dass Ihr diese Euphorie gemeinsam habt?

DB: Absolut. Für mich sind solche Leute wie Peter und Ron Idole. Ron erfindet sich als Regisseur ständig neu. Ich glaube, das hält ihn auch so jung und dynamisch. Er hat ein unglaublich breites Spektrum und springt ständig von Genre zu Genre. Rush war laut seiner Aussage, einer der kompliziertesten Filme für ihn und das aufregendste Unterfangen seit Apollo 13. Nach Frost/Nixon wusste ich auch, dass die Arbeitsbeziehung von Ron und Peter sehr fruchtbar ist. Ich habe mich total gefreut, dass die beiden wieder als Duo an Rush gearbeitet haben. Sie haben sich gegenseitig angestachelt, um alles noch besser zu machen.

FF: Ron hat als Schauspieler angefangen, der sehr erfolgreich ins Regiefach wechselte. Wäre das auch etwas, was Dich interessieren könnte?

DB: Je länger ich das mache, desto mehr Ehrfurcht habe ich davor. Ich könnte es mir aber in ein paar Jahren durchaus vorstellen, eine persönliche Geschichte, die mir auch am Herzen liegt, zu verfilmen. Ich habe auch schon eine Idee und habe ein schlechtes Drehbuch geschrieben (lacht). Am besten frage ich Peter (Morgan), ob er mir mal hilft… (lacht) Ich schließe Regieführen also nicht aus, aber es ist im Moment nicht mein Ziel.

Daniel Brühl Interview zu "Rush" 3

FF: Wenn Du dich jetzt hinter das Steuer eines Autos setzt, hast Du ein anderes Gefühl als vorher? Hat deine Arbeit am Film vielleicht auch dein Fahrverhalten beeinflusst?

DB: Ich hatte einen kleinen Unfall mit meinem Formel-3-Wagen während des Drehs. Ein Reifen hatte sich gelöst und ich machte einen Spin. Das war für ein paar Sekunden ein sehr mulmiges Gefühl. Ich drehte mich um und sah plötzlich Chris (Hemsworth) mit seinem Mechaniker lachen und dachte mir direkt paranoid, dass er oder Ron (Howard) vielleicht den Wagen manipuliert hätten, damit ich besser in die Rolle komme. (lacht) Ich glaube, es ist beides nicht der Fall. Ich habe auf jeden Fall mehr Respekt vor schnellem Fahren, denn es ist schwierig, den Wagen wirklich zu kontrollieren. Gas zu geben ist einfach, aber wenn dann etwas Unvorhergesehenes passiert, muss man schnell reagieren. Wie gesagt, ich weiß nach dem Film, dass ich kein guter Rennfahrer geworden wäre.

FF: Dafür bist Du ja ein toller Schauspieler!

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