"Better Call Saul" S01E01 "Uno" Kritik

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Der Artikel enthält einige “Better Call Saul”-SPOILER zur besprochenen Folge!

Als am 29. September 2013 die letzte Folge von "Breaking Bad" ausgestrahlt wurde, hat sie es geschafft, was nicht vielen Serien gelingt, und den meisten Fans ein wirklich befriedigendes und endgültig abgeschlossenes Ende gegeben (unsere Kritik). Doch das Ende von "Breaking Bad" hat eine klaffende Lücke hinterlassen – bei Serienfans, die durch "Breaking Bad" zum Binge-Watching gebracht wurden und bei denen fortan alle Serien sich an deren himmelhohen Messlatte gemessen werden, aber auch beim US-Sender AMC, für den damit seine am meisten gefeierte Serie gerade in dem Moment zu Ende ging, als sie am absoluten Höhepunkt der Popularität angelangt ist.

Zum Glück für alle Beteiligten brütete der Serienschöpfer Vince Gilligan gemeinsam mit dem Co-Produzenten und Autor Peter Gould noch vor dem Ende der Serie eine Idee aus, wie das Universum fortbestehen kann, ohne jedoch das starke Ende der Serie in irgendeiner Art und Weise zu kompromittieren – ein Spin-Off über den heimlichen Star der Sendung, der auch die schwermütigsten und dunkelsten Momente der Serie durch seinen Humor auflockern konnte. Die Rede ist natürlich von Saul Goodman, dem schmierigen Rechtsverdreher, dem kein Gesetz heilig ist und der Walter und Jesse bei der Gründung ihres Meth-Imperiums begleitet hat. In gewisser Hinsicht hat der nur an der Kohle interessierte Saul damit die Weichen für all das gestellt, was Walter White alias Heisenberg ereicht hat – und damit auch für seinen eigenen Untergang. Das letzte Mal, als wir Saul sahen, fuhr er in mit einer neuen Identität in eine ungewisse Zukunft; seine Tage als Rechtsanwalt der Kriminellen waren gezählt. Resigniert sagte er noch zu Walt, dass wenn er Glück habe, er bestenfalls als Mitarbeiter einer Cinnabon-Filiale (eine Bäckerei-Imbisskette) in Omaha enden würde.

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Better Call Saul Kritik Bild 1

Vorahnungen waren schon immer ein beliebtes Mittel von Vince Gilligan, denn genau dort landen wir im schwarz-weißen, dialogfreien Prolog der Pilotfolge von "Better Call Saul", der den Zuschauern einen Einblick in Sauls triste Zukunft nach dem Ende von "Breaking Bad" gewährt. Mit Schnauzer und Brille ist Bob Odenkirk als Saul (oder wie auch immer sein neuer Name lautet) kaum wiederzuerkennen. Er ist Lichtjahre entfernt von dem extravertierten, überschwänglichen, sich stets selbst vermarktenden Saul, den wir kennen und lieben gelernt haben. Dieser verschlossene Mann arbeitet tatsächlich in einer Filliale von Cinnabon in Omaha und von den ersten Augenblicken an, erinnert uns "Better Call Saul" an die Wurzeln der Serie. Es wird gekocht, man sieht glänzende Apparaturen. Doch es ist nicht Crystal Meth, sondern harmloses Gebäck. Trotz dieser so ruhigen und unaufregenden Umgebung ist Saul alles andere als ruhig. Paranoid suchen seine Augen sein Umfeld ab, in der Angst, dass ihn jemand holen wird – sei es die Polizei oder die Gangster aus seinem früheren Leben. Auch in seinem kargen Zuhause verschließt er die Jalousien und fühlt sich nie wirklich wohl – zumindest bis er eine Videokassette mit seinen alten, billigen Werbespots anmacht. Der Mann, der er mal war, ist Vergangenheit.

Die Anfangssequenz ist ein Geniestreich von Gilligan, der die Pilotfolge selbst inszeniert hat. Der Zuschauer wird dort abgeholt, wo er den Charakter verlassen hat und stellt die Möglichkeit in Aussicht, dass wir vielleicht noch mehr von Sauls Zukunft zu sehen bekommen werden, auch wenn diese zunächst nicht im Fokus der Serie stehen soll. Neben den offensichtlichen "Breaking Bad"-Anspielungen erinnerte mich der Prolog stark an Walters tristes Dasein in der eingeschneiten Hütte in "Granite State", der vorletzten Folge von "Breaking Bad" – zwei Männer, die sich an ihre Tage der Glorie nur noch mit Wehmut erinnern können.

Nach dem Prolog geht die Handlung zurück in das Jahr 2001, wie uns die Zeitmarkierung einer Videoaufnahme im Gerichtssaal verrät. Wir treffen auf einen jüngeren Saul, der aber ebenso noch weit von Erfolg entfernt ist und eigentlich noch nie den Namen Saul gehört hat (dass es ein Pseudonym ist, wissen alle aufmerksamen "Breaking Bad"-Fans längst). Denn er heißt noch McGill, James "Jimmy" McGill, und arbeitet für einen kleinen Lohn als Strafverteidiger in Albuquerque, wo er kaum über die Runden kommt, weil er keine "echten" Klienten an Land ziehen kann. Sein aktueller Fall: drei Schüler, die einer Leiche den Kopf abgeschnitten und damit unzüchtige Dinge getrieben haben – den makabren Humor hat "Better Call Saul" also von seinem Vorgänger geerbt. Jimmy ist noch nicht so selbstsicher, wie sein "Breaking Bad"-Ich, doch nach einer nervösen Vorbereitungsphase feuert er auch hier wieder ein virtuoses Wortfeuerwerk ab, das mit einer Videoaufnahme auf eine trocken humorvolle Weise zunichte gemacht wird. Jimmy muss noch lernen, Saul zu sein.

Im Verlauf der Episode folgen dann zahlreiche "Breaking Bad"-Referenzen – vielleicht sogar zu viele – mal sehr offensichtlich, mal äußerst subtil. Ich werde nicht alle davon an dieser Stelle verraten, denn die Ostereier-Suche wird den Fans sicherlich viel Spaß machen. Ich nenne nur drei Stichworte: Auto, Mülleimer und Nagelstudio.

Mit Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks) feiert auch eine allseits beliebte "Breaking Bad"-Figur ihre Rückkehr als Pförtner zum Parkplatz des Gerichtsgebäudes. Die Folge setzt ihn sehr sparsam ein, doch seine trockene und von Jimmys Ausführungen unbeeindruckte Art verrät, dass die beiden Charaktere noch viel "Spaß" miteinander haben werden.

Wie wir schnell erfahren, hat Jimmy neben dem mies laufenden Job auch noch ein anderes Problem am Hals – seinen Bruder Chuck (Michael McKean), Mitbegründer einer sehr erfolgreichen Anwaltskanzlei, der sich aber aufgrund einer wahrscheinlichen psychischen Störung (die mit großer Angst vor elektromagnetischen Wellen einhergeht) seit fast einem Jahr aus seinem Job in sein verwahrlostes Haus zurückgezogen hat. Seine Partner (Patrick Fabian wird als potenzieller aalglatter Widersacher von Jimmy in den kommenden Folgen vorgestellt) weigert sich, Jimmys Drängen nachzugeben und Chucks millionschweren Anteil auszuzahlen und leider ist Chuck dabei nicht sehr behilflich. Hier entsteht eine interessante Dynamik, denn offensichtlich hat es Chuck im gleichen Beruf wie Jimmy zu all dem gebracht, wovon Jimmy nur träumen kann, doch nun ist er derjenige, der auf Jimmys Unterstützung angewiesen ist (ob es ihm bewusst ist oder nicht).

Better Call Saul Kritik Bild 2

Was später passiert, setzt die Ereignisse in Gang, die möglicherweise die Handlung dieser Staffel bestimmen werden. Jimmy wendet sich an zwei junge, naive skateboardende Möchtegern-Betrüger, die früher versucht haben ihn abzuzocken und bietet ihnen an, vom Meister (also ihm) zu lernen und dabei fett abzukassieren – ein Plan, um so über einen Umweg an einen neuen Klienten zu kommen. Alles was einer von ihnen dafür tun muss, ist, sich vor ein bestimmtes fahrendes Auto zu werfen, während der andere es beobachtet und mitfilmt. Durch eine einfache Verwechselung kommt es dazu, dass die beiden Trottel am letzten Ort landen, den sie erwarten und wenn Jimmy ihnen folgt, gibt es ein sehr überraschendes Wiedersehen mit einer weiteren bekannten Figur.

Die Pilotfolge von "Better Call Saul" weist all die Markenzeichen von Gilligans sicherer Regie auf, die sich im Verlauf von "Breaking Bad" herausgebildet haben – das Spiel mit Licht und Schatten, mit Farben und ungewöhnliche Kameraeinstellungen. Auch Bob Odenkirk spielt Saul/Jimmy wieder mit viel Herzblut und gewinnt ihm eine neue, erbärmliche Seite ab, in die wir zuvor nur sehr flüchtige Einblicke bekommen haben. Vergleiche zwischen Walt und Jimmy zu Beginn ihrer jeweiligen Serien drängen sich schnell auf – beide sind mit ihren Leben nicht zufrieden, sehnen sich nach mehr, während die Welt ständig auf sie einprügelt – symbolisch oder wortwörtlich. Doch vielleicht liegt in all diesen Vergleichen und Referenzen noch ein kleines Problem. "Better Call Saul" stolpert zu Beginn noch gelegentlich unter der Last seines überpräsenten Vorgängers. Die besten Momente der Pilotfolge funktionieren vor allem deswegen so gut, weil wir die Hauptfigur bereits gut kennen. Gute Ansätze dies zu ändern sind bereits vorhanden, sei es denn der Kampf um Chucks Anteil der Firma oder das Cliffhanger-Ende der Folge (welches aber wiederum erst durch die "Breaking Bad"-Referenz so cool wirkt), doch die Serie hat noch einen langen Weg vor sich, um aus dem Schatten ihres großen Bruders herauszukommen. Ich lege mein vollstes Vertrauen in Gilligan und sein Team, dass es ihnen gelingen wird.

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