"Better Call Saul" S01E04 "Hero" Kritik

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Better Call Saul Hero Kritik

Der Artikel enthält einige “Better Call Saul”-SPOILER zur besprochenen Folge!

You’re the kind of lawyer guilty people hire

In der neusten Folge von "Better Call Saul" wird Jimmy mit der bitteren Wahrheit konfrontiert, der er vielleicht bis dahin zu entkommen versucht hat. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass Jimmy an irgendeinem Punkt in seinem Leben ein Unschuldslamm war. Schon seine "Slippin' Jimmy"-Geschichte, die er den Skater-Zwillingen in der Pilotfolge erzählt, warf ein Licht auf die kriminelle Vergangenheit des Anwalts, doch erst das Flashback zum Auftakt der letzten Folge zeigte, wie direkt Jimmy in seiner Vergangenheit in Konflikt mit dem Gesetz geraten ist und auf die Hilfe seines Bruders Chuck (damals noch ohne die Rettungsdecke oder Handyphobie) angewiesen war. Was genau damals vorgefallen ist, wissen wir noch nicht ("Chicagoer Sonnendach" und potenzielle sexuelle Belästigung sind die mageren, und sehr neugierig machenden Hinweise, die wir bekommen haben). Welche Betrügereien Jimmy aber noch betrieben hat, sahen wir in der Eröffnungsszene der neusten Folge diese Woche. Gemeinsam mit einem Kumpan hat Jimmy während seiner Zeit in Cicero, Illinois nichtsahnende Möchtegern-Kriminelle um ihr Geld gebracht und gab ihnen dabei noch das Gefühl, das Geschäft ihres Lebens gemacht zu haben. Ja, unser Jimmy hat es schon immer faustdick hinter den Ohren gehabt und sein "S’all good man"-Pseudonym fand wohl schon sehr früh Verwendung.

Irgendwann, womöglich durch Chucks Intervention, beschloss er aber, seinem alten Leben abzuschwören und auf ehrliche Weise sein Geld zu verdienen – indem er Seinesgleichen vor dem Gesetz vertritt. Doch es gelang Jimmy nie, aus dem übergroßen Schatten seines Bruders, eines scheinbar grundehrlichen, aufrichtigen Mannes, hinauszukommen. Einmal kriminell, immer kriminell – so ist die Einstellung hier. Man kann nur so lange davor fliehen, was in einem drinsteckt. Diese Lektion hat Walter White bei "Breaking Bad" gelernt und auf eine schmerzhafte Art und Weise wird sie auch Jimmy bewusst in dem Moment, als die Kettlemans, die er mit der gestohlenen Kohle im Wald aufgespürt hat, seine Hilfe als Rechtsanwalt ablehnen, obwohl sie von seiner Diskretion abhängen. Ungeachtet der Tatsache, dass auch sie schuldig sind, wollen sie nichts mit einem Anwalt zu tun haben, der eine "meine Klienten sind schuldig"-Aura ausstrahlt. Wenn sie sein Angebot ablehnen, steht Jimmy sein Schmerz ins Gesicht geschrieben. Wir erleben die Figur in einem ihrer menschlichsten Momente und dank Emmy-reifer Darstellung von Bob Odenkirk tut Jimmy einem aufrichtig leid. Er will das Richtige tun, seinen Bruder stolz auf ihn machen, doch in diesem einen Satz von der Frau, die eine Minute zuvor die kriminelle Unterschlagung ihres Mannes durch die Erwähnung der Tatsache, dass Sklaverei einst auch legal war, zu rechtfertigen versucht hat, erkennt er die Wahrheit über sich selbst.

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Widerwillig nimmt Jimmy das ihm angebotene Schweigegeld an und feilt an einem Plan, wie er es dazu nutzen kann, um endlich den Erfolg zu erreichen, der ihm auf ehrlichem Wege verwehrt geblieben ist. Walter Whites spezielle Stärke war sein Chemie-Wissen, das ihm besonders in den frühen Folgen der Serie aus diversen Klemmen geholfen hat. Jimmys Spezialität ist Betrug und auch er setzt seine Fähigkeiten erfolgsmaximierend ein.

Better Call Saul Hero Kritik 1

Ab diesem Punkt nimmt die bis dahin interessante Studie von Jimmys Figur leider einen recht vorhersehbaren Lauf. Jimmy fordert Hamlin, Chucks Partner aus dessen ehemaliger Kanzlei, heraus, indem er eine Reklametafel anbringt, auf der er das Logo und die Farben von Hamlins Kanzlei, sogar Hamlins Anzug kopiert. Natürlich will Hamlin das nicht auf sich sitzen lassen und lässt durch Kim, Jimmys "Freundin mit gelegentlichen Vorzügen", eine Unterlassungsaufforderung an ihn überbringen. Doch nach dem Flashback zu Beginn der Folge wissen wir, dass Jimmy nicht gerade auf den Kopf gefallen ist und als Betrüger stets mehrere Schritte im Voraus denkt. Mit diesem Wissen denkt man als aufmerksamer Zuschauer aber auch mit und so ist keine der darauffolgenden Handlungen von Jimmy eine wirkliche Überraschung. Der Effekt wäre vermutlich größer und die Wendung überraschender gewesen, hätte die Episode Jimmys Abgebrühtheit und Cleverness nicht direkt zu Beginn der Folge zur Schau gestellt. Es ist immer noch ein Spaß, Bob Odenkirk zuzusehen, wie er Jimmy überzeugend für Kameras schauspielern lässt, doch der Effekt ist nicht so stark, wie er hätte sein können.

So bleibt die Folge nach dem starken Auftakt bis zum Schluss relativ unaufregend, wobei an dieser Selle noch zwei Aspekten Respekt gebührt: Colin Buckseys toller Regie in der Szene, in der Chuck sich zwingt, das Haus kurz zu verlassen, und Jimmy auf die Schliche kommt und der lockeren, ungezwungenen Chemie zwischen Bob Odenkirk und Rhea Seehorn. Sie scheint neben Chuck die einzige Person zu sein, die Jimmy wirklich kennt und sie akzeptiert, ihn so wie er ist – mit seinen Fehlern und Unzulänglichkeiten – im Wissen, dass er ein guter Kerl ist. Auch Jimmy weiß, was er an ihr hat – schließlich schlägt sie ihm vor, sich John Carpenters Das Ding im Kino mit ihr anzuschauen. Neben gemeinsamer Vorgeschichte verbindet sie offensichtlich auch eine Liebe zu den älteren Filmen. Die Tatsache, dass ihre Figur bei "Breaking Bad" nicht zu sehen war oder gar erwähnt wurde, lässt mich allerdings Schlimmes die Beziehung der beiden befürchten.

Jede Serie hat irgendwann ihre etwas langsameren, unbeachtlichen Füller-Folgen und so eine liegt meiner Ansicht nach auch hier vor. Bloß können viele durchshcnittliche Serien nur davon träumen, dass ihre Füller-Folgen so gut sind wie diese. Hoffentlich wird das Tempo nächste Woche trotzdem wieder angekurbelt.