"Better Call Saul" S01E06 "Five-O" Kritik

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Better Call Saul Five O Kritik

Der Artikel enthält einige “Better Call Saul”-SPOILER zur besprochenen Folge!

You know what happened…the question is: can you live with it?

In Dantes "Göttlicher Komödie" folgen wir dem Protagonisten durch die Hölle, über den Läuterungsberg, bis zu seinem Aufstieg ins Paradies. Die entgegengesetzte Kurve verfolgen die letzten beiden Folgen von "Better Call Saul". Während der Beginn von "Alpine Shepherd Boy" mit seiner Ansammlung von saukomischen Klientenbesuchen unseres Titelhelden reines Comedy-Gold war, wurde die Folge in ihrem Verlauf ernster und schloss mit einem kurzen Einblick in Mikes (Jonathan Banks) tristen Alltag ab. Als Mikes ehemalige Polizei-Kollegen aus Philadelphia am Ende der Folge an seiner Tür klopfen, weiß man als Zuschauer, dass es nichts Gutes für den schweigsamen "Troll unter der Brücke" verheißt. "Five-O" (US-Slang für Polizei, entnommen der Polizeiserie "Hawaii Five-O") setzt den düsteren Ton konsequent fort. Der Zuschauer steigt immer tiefer ins Inferno hinab und landet gegen Ende der Episode in den dunklen Abgründen der Hölle. Es ist die Hölle eines Mannes, aus der es kein Entkommen gibt. Kein Fegefeuer, kein Paradies in Sicht, lediglich Selbstvorwürfe, Qual und Schmerz. Von der bisherigen größtenteils heiteren Atmosphäre von "Better Call Saul" findet man wenig.

Die Erinnerung an "Breaking Bad" wird in der Folge wach, obwohl es keinerlei direkte Referenzen oder Anspielungen gibt. Vielmehr trifft die Serie den stellenweise pechschwarzen Ton der Urpsprungsserie und Jimmy/Saul wird in seiner eigenen Serie erstmals zur Randfigur, die er auch häufig bei "Breaking Bad" war. Sein Auftritt beschränkt sich primär auf eine Szene, in der er von Mike (dem er seine "Need a will? Call McGill!"-Visitenkarte in der letzten Folge aufgedrückt hat) als Anwalt gerufen wird, jedoch nicht, um seine juristischen Kenntnisse einzusetzen. Vielmehr ist Mike in der Situation auf die "Slippin' Jimmy"-Seite von ihm angewiesen und trotz anfänglicher Weigerung, zieht Jimmy seinen ersten gemeinsamen Trickbetrug mit Mike durch – ist das der Beginn einer widerwilligen aber fruchtbaren Zusammenarbeit? So wie Mike schon bei "Breaking Bad" als einer der wenigen Walter Whites Manipulationen und Verlogenheit schnell durchschaut hat, erkennt er auch sehr schnell, aus welchem Holz Jimmy geschnitzt ist und setzt es gekonnt zu seinen Gunsten ein. Allwissend, eiskalt, clever und nicht aus der Fassung zu bringen – so kennen und lieben die Fans Mike seit "Breaking Bad". Doch was wussten wir eigentlich vorher über ihn? Nicht annähernd so viel, wie nach dieser Folge.

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Better Call Saul Five O Kritik Bild 2

Mike war ein Mysterium, der nie hinter seine wortkarge, No-Nonsense-Fassade blicken ließ. Das machte einen großen Teil der Faszination aus, die er auf die Zuschauer der Vorgängerserie ausübte und den Grund, weshalb er zum heimlichen Liebling vieler "Breaking Bad"-Fans geworden ist. Wenn man eine Figur wie diese entmystifiziert läuft man Gefahr, dass man ihr eben diesen Reiz nimmt. Doch den Machern gelingt ein Portrait von Mike, das absolut stimmig mit allem ist, was wir bislang gesehen haben. Es ist eine natürliche Erweiterung der Figur, die wir in "Breaking Bad" kennengelernt haben. Man denkt sich fast schon, dass Mikes Vorgeschichte, die wir ansatzweise in der Folge erfahren, bereits vor Jahren von Vince Gilligan und Peter Gould ausgearbeitet wurde. Vergangene Woche habe ich in meiner Kritik zur vorherigen Folge ein Interview von Jonathan Banks zu der Zeit von "Breaking Bad" erwähnt, in dem er mutmaßte, dass Mike einen Sohn hatte, dem etwas zugestoßen ist, was Mike wiederum auf den dunklen Pfad getrieben hat, der ihn schließlich zu Gus Frings' tödlichem Killer werden ließ.

Ob diese Annahme damals schon zum Kanon hinter den Kulissen wurde oder nicht, können wir nicht sagen, doch "Five-O" bestätigt sie. Die Folge abermals beginnt mit einem Flashback, neun Monate vor Beginn der eigentlichen Handlung von "Better Call Saul". Mike trifft in Albuquerque mit einer Schussverletzung an seiner Schulter ein, die er sorgfältig vor seiner Schwiegertochter (Kerry Condon) verbirgt. Einige Monate zuvor ist sein Sohn Matt, der ebenfalls Polizist in Philadelphia war, in einen Hinterhalt gelockt und erschossen worden. Man ahnt die wahren Hintergründe und bekommt im Laufe der Folge Bestätigung dafür. Als Grünschnabel kam Matt der Korruption und der Unterschlagung unter seinen Kollegen auf die Schliche und wurde dafür umgebracht. In einem weiteren Flashback sieht man dann, wie Mike durch einen ausgeklügelten Trick kurzen Prozess mit den beiden Verantwortlichen macht, wobei er sich eben die Schulterverletzung zuzieht, mit der wir ihn zu Beginn der Folge treffen.

Doch die wahre Tragödie offenbart sich erst am Ende der Folge in einer Szene, die Jonathan Banks mit Sicherheit als sein Bewerbungsvideo für eine Emmy-Nominierung einsenden kann. Mike gesteht seiner Schwiegertochter mit einer Mischung aus Selbsthass, Schmerz und Verzweiflung, dass er ebenso korrupt war, wie seine Kollegen und dass er Matt vor seinem Tod überredet hat, die Gelder ebenfalls anzunehmen. Dadurch zerstörte er die Illusion, die sein Sohn von ihm hatte. Er war sein Vorbild und durch das Eingeständnis ebenso "schmutzig" zu sein, wie die anderen, "brach" er seinen Sohn – für nichts, denn er zögerte, bevor er das schmutzige Geld annahm und wurde von seinen Kollegen als potenzielle Gefahr eingestuft und aus dem Verkehr gezogen.

Es ist eine sehr kraftvolle Szene, in der Mike endlich seine sorgfältig aufgebaute Fassade fallen lässt und Banks zieht es verdammt glaubwürdig durch, sodass Mike nichts von seiner vorherigen Anziehungskraft verliert, sondern einfach neue Facetten dazugewinnt, die sich perfekt ins Bild fügen. Man muss an dieser Stelle aber auch sagen, dass obwohl "Five-O" auch eigenständig eine gute Folge ist, sie den Fans von "Breaking Bad" ein deutlich tieferes und reichhaltigeres Erlebnis bietet. Jetzt macht es umso mehr Sinn, wieso Mike Jesse ins Herz geschlossen hat und das Potenzial dieses jungen Mannes erkannt hat, in dem er möglicherweise auch Schatten von seinem eigenen Sohn in ihm gesehen hat. Auch sehen wir in dieser Folge die Raffiniertheit und Effizienz, mit der Mike seine Ziele erreicht und die ihn bei "Breaking Bad" als eine Naturgewalt erscheinen ließ. Auch ohne direkte Referenzen ist "Five-O" deshalb eine Folge, die ohne "Breaking Bad" ein anderes Bild ergeben würde.

Besonders hervorgehoben werden muss an dieser Stelle auch die Episoden-Regie durch Adam Bernstein, der bereits mehrere "Breaking Bad"-Folgen inszeniert hat. Von der Anfangsszene, in der die Kamera dem in Albuquerque einfahrenden Zug folgt, bis zum aufwühlenden Ende, fesselt er mit virtuoser Kamera und dem Zusammenspiel von Licht und Schatten. Dadurch, dass ein großer Teil der Folge nicht im sonnengetauchten New Mexico spielt, sondern im düsteren Philadelphia, sieht "Five-O" auch entschieden anders aus als alle vorherigen "Better Call Saul"– oder "Breaking Bad"-Episoden.

"Five-O" hat immer noch nicht viel zu einem klaren roten Faden der Serie beigetragen, doch es war eine sehr interessante Abwechslung zum bisherigen Trott und rückte Mike endlich in das Rampenlicht, das Jonathan Banks sich schon lange verdient hat.