Montag, der 3. Oktober, Feiertag. Das heißt vor allem eins: es wird schwieriger, etwas zu essen zu finden. Als wäre das nicht schlimm genug, muss man auch noch ins Hostel umziehen, zwar in ein Einzelzimmer, aber sollte ich hier Post bekommen, steht auf dem Brief als Adresszusatz sicherlich "Im Schrank unter der Treppe." Deprimierende Krankenhausbeleuchtung inklusive. Es war trotzdem ein recht schöner, sonniger, wenn auch kalter Tag, die Filme wollten nur leider in einer Schublade mit der neuen Unterkunft landen.
Ich und Wes Anderson (Grand Budapest Hotel) sind bisher keine großen Freunde geworden und doch verschlug es mich am Montagmorgen trotz der gut gemeinten Drohung auf der Webseite des Filmfestes "In Stil und Tonart ähnelt sie Filmen von Wes Anderson" in die verschrobene Komödie Hortensia, um den deprimierenden Stoffen, die ich bisher sehen durfte, etwas entgegenzusetzen. Ich hätte lieber etwas von Wes Anderson gucken sollen. Der Vergleich zu den Filmen des texanischen Regisseurs ist zwar berechtigt, die Regisseure Álvaro Urtizberea undDiego Lublinsky umarmen die tapezierten Puppenhaus-Kulissen, den morbiden Humor und die Verschrobenheit der Charaktere mit einer unangenehmen Bemühung, dass Hortensia als Anderson-Replik-Kino dessen Schwächen stärker ausbaut als die Stärken: "Sieh her, ich bin so quirky", scheint der Film in jeder Einstellung rufen zu wollen, seine Figuren und die Gefühle gehen dabei unter.
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Ein paar nette Gags hat der Film aber, die ihn davor retten, einem durchgehend auf die Nerven zu gehen. Dazu gehört eine Szene in einer Bar, wo Hortensia (Camila Romagnolo) einen Punkt von ihrer To-Do-Liste abarbeiten möchte, die sie nach dem Tod (durch Kühlschrank) ihres Vaters erstellt hat: Einen Freund finden, der blondes Haar hat wie ihr Vater. Sie an der Bar mit einem Drink, hinter ihr die Männer, abgelenkt von der Sportübertragung. Doch wie ihre Barbekanntschaft Hortensia versichert hat, kommen die Kerle von ganz allein an, wenn die Werbepause beginnt. Die Werbung läuft, einer der Männer sieht sich wie aus einer anderen Welt gerissen etwas verwirrt um und entdeckt mit einem Lächeln die Frauen vor sich. Einen kurzen Moment fühlte ich mich auch so, nur dass nach der erfrischenden Werbepause ein blöder Film weiterlief. 2/5
In Olivier Assayas' (Die Wolken von Sils Maria) Personal Shopper ist alles ein Geist. Maureen (Kristen Stewart) ist, wie ihr kürzlich verstorbener Zwillingsbruder, ein Medium. In ihrem alten Haus versucht sie, ein Zeichen von ihm aus dem, was auch immer nach dem Tod kommt, zu erhalten, wie er es versprochen hatte. Selbst die Kamera scheint eine Art Geist zu sein, so wie sie schwerelos in langen Trackingshots durch das unheimliche Haus schwebt. Es ist faszinierend, wie Assayas den Dingen um seine Protagonistin herum zunehmend einen spirituellen Schleier überwirft, aber auch so frustrierend, mit welch konventionellen Auflösungen er seinen Film auf gewisse Weise entmystifiziert. Auf der Suche nach einer spürbaren Verbindung zu ihrem toten Bruder begegnet Maureen im Spukhaus ein tatsächlicher Geist und eine Tasse schwebt buchstäblich von Geisterhand getragen durch die Gegend. Uninspiriert wirkt auch der im Kern interessante Ansatz, Maureens sich entfaltende Seite, die sich vom Verbotenen angezogen fühlt, als Geist zu interpretieren, mit dem sie fortan im iMessage-Zwiegespräch ist – das Internet ist natürlich auch ein Geist. Denn bis auf die zittrigen Finger der groß aufspielenden Kristen Stewart, die beim Tippen auf der Smartphone-Tastatur mehr Aussagekraft besitzen als jede Nachricht, die wir mitlesen, findet Assayas keinen originellen Weg, den knapp 30 Minuten langen stummen Dialog in anregende Bilder zu verpacken. Der nette Desktop-Horror-Flick Unkown User bewies letztes Jahr, dass dies auch in einer visuell monotonen Umgebung möglich ist. Dort löschte die Protagonistin beispielsweise noch nicht abgesendete Nachrichten und ließ uns auf ungezwungene Weise etwas über ihr Innenleben erfahren, ohne dass ein Wort gesprochen werden musste.
Das wortlose Erzählen stellt für Assayas eigentlich kein Problem dar, seinen Bildern scheint er aber nicht gänzlich zu vertrauen. Anders lässt sich die kathartische Endszene und der Hang zur Exposition nicht erklären. Für sein (Ghost)worldbuilding, dass die Thematik mit einem gewissen Realismus unterfüttert, bezieht er sich auf eine Menge Erklärbär-Videos, die sich Maureen mal zu Hause, mal in der Bahn ansieht, wenn sie nicht gerade mal im Café, mal über das Telefon aufklärende Gespräche führt. 2/5
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