
Nach einem nur bedingt erfolgreichen Einstieg, ging es gestern für mich weiter mit sechs Filmen, wobei ich nur fünf davon auf dem Fantasy Filmfest selbst gesehen habe. Der sechste war nämlich Riddick, der zwar thematisch zum FFF wie die Faust aufs Auge passt, dennoch aber außerhalb des Fests von mir gesehen wurde (ein guter Film, doch dazu ein anderes Mal mehr). Es war erst das zweite Mal in meinem Leben, dass ich sechs Filme an einem Tag im Kino gesehen habe (das erste Mal war ebenfalls im Zusammenhang mit dem Fantasy Filmfest) und nach fünf Filmen am Vortag (zwei davon auf dem FFF) stellte sich das doch als eine eher anstrengende Angelegenheit heraus. Belohnt wurde ich aber dafür mit einem filmisch ziemlich guten Tag. Dass es unten sechs und nicht nur fünf Kurzkritiken zu lesen gibt, liegt daran, dass ich Miserere – Choral des Todes bereits vor einiger Zeit gesehen habe und es sich nun anbietet, auf ihn auch einzugehen. Ein wenig getrickst – aber was soll’s.
TAG 2

The Banshee Chapter ist ein Horrorfilm, wie es sie jedes Jahr au dem Fantasy Filmfest anzutreffen gibt – doch das soll in diesem Film keine Negativwertung sein. Geheime Experimente, eine neugierige Journalistin, zwielichtige Charaktere – das alles sind Elemente, die man in Horrorfilmen abertausende Male gesehen hat. Es ist der inszenatorischen Stärke des Regisseurs Blair Erickson zu verdanken, dass die Redundanz dem Zuschauer nur selten auffällt. Ohne sich für die "Found Footage"-Herangehensweise oder einen "normalen" Film, eindeutig zu entscheiden, setzt er bei The Banshee Chapter beide Methoden ein, je nachdem, was in den Szenen gerade wirkungsvoller ist und dem Vorankommen der Geschichte dient. Der Film befolgt das Motto, dass das Unsichtbare häufig gruseliger ist als das Sichtbare, bietet aber dennoch genug visuellen Horror. Vor allem ist aber lobenswert, dass der Film sich die Zeit nimmt, die Spannung aufzubauen und zu einem Höhepunkt zu bringen, der sich meist in einem gelungenen Schockmoment entlädt, anstatt nur auf laute Soundeffekte und billige Jump-Scares zu setzen. Zudem wartet der Film mit einigen interessanten (wenn auch teilweise vorhersehbaren) Wendungen auf und hat mit Ted Levine als Hunter S. Thompson-Verschnitt einen Schauspielveteran an Bord, den man immer gerne sieht. Als Randnotiz: der Film wurde in 3D gedreht, wird aber auf dem Fantasy Filmfest nicht in dieser Fassung präsentiert – und ich kann mir nicht vorstellen, dass dabei etwas verloren ging. 3,5/5

Was ab da folgt ist eine Comedy-Version von "Herr der Fliegen" mit Erwachsenen, bei der Adam Brodys Chris beweisen kann, was in ihm steckt und am Ende über sich hinaus wachsen muss. Dass dabei auch ein Mädchen im Spiel ist, ist selbstverständlich. Nach Fantasy-Filmfest-Maßstäben ist Welcome to the Jungle eine sehr zahme Komödie nach dem üblichen "smarter-Loser-zeigt’s-seinem-Unterdrücker"-Strickmuster, von dem er keine Sekunde lang abweicht. Nette Unterhaltung ist es schon und Van Damme stiehlt als muskelbepackte Dumpfbacke eindeutig die Show, doch die komödiantischen Höhen eines anderen Teambuilding-Hits vom Fantasy Filmfest, Severance, erreicht er nie. 3/5

Fresh Meat ist respektlos, frech, flott und geizt nicht mit bizarren Einfällen. Temuera Morrison ist als durchgeknallter pater familias ein früher Anwärter auf die männliche Performance des Jahres beim diesjährigen Fantasy Filmfest, doch die Newcomerin Hanna Tevita trägt als Rina den Film mindestens genau so gekonnt auf ihren Schultern. Wirkt der Einstieg noch etwas zu gewollt cool und scheint nach gewohntem Muster abzulaufen, steigert sich der Film immer weiter bis zu seinem fulminanten Finale. In der Zwischenzeit wird in einen Penis gebissen, ein Zeigefinger wird gegessen, ein armes Opfer wird mehrmals überfahren (und bleibt immer am Leben) und Morrison darf einen Chinesen imitieren (mehrmals!). Der Humor ist nicht für Jedermann, doch wer die Geschmacklosigkeit einer Kannibalen-Komödie schätzt, wird voll und ganz auf seine Kosten kommen. 4/5

Europa Report ist der neuste Beitrag zu "Found Footage"-im-Weltraum. Die gute Nachricht: Es ist besser als Apollo 18. Die schlechte: nicht viel besser. Man merkt, dass aus wissenschaftlicher Sicht der Film gut recherchiert ist und statt auf billige Schockeffekte (meistens) auf realistische Gefahren setzt, die eine Weltraumreise von solcher Tragweite mit sich bringt. Der Nachteil dabei – es ist zäh. Man verbringt viel Zeit mit den Charakteren, doch durch das ständige Springen in der Zeit, kommt man ihnen nicht näher. Als die von Anamaria Marinca gespielte Pilotin über eine haarige Situation in die Kamera erzählt, dass sich jede Sekunde so lang wie noch nie angefühlt hat, so war das der einzige Moment, bei dem ich mit einem Charakter mitfühlen konnte – wenn auch anders als beabsichtigt. Zudem ärgert es schon, dass bei einem Film, der so sehr aus Realismus setzt, die angeblichen Super-Spezialisten mitunter einfach nur dämliche Fehler machen. Visuell bietet der Film einige interessante Ansätze, auch wenn der Großteil sich in der engen Kabine abspielt. Vor allem hat der Film bei mir die Sehnsucht nach Alfonso Cuaróns Gravity noch weiter erhöht. 2,5/5

Depardieu und Starr haben gute Chemie miteinander und beide auch eine starke filmische Präsenz. Auch atmospährisch wird der Film in der ersten halben Stunde sehr gut aufgebaut und erinnert in bester Art und Weise an Die puprurnen Flüsse. Doch dann hat er ein ähnliches Problem wie der ebenfalls auf Grangés Werk basierende Das Imperium der Wölfe. Je näher der Zuschauer den zahlreichen Enthüllungen und Wendungen kommt, desto haarstäubender und, schlicht gesagt, blöder wird das Ganze – bis man beim Finale anstatt die Spannung zu erleben, die der Film mit seinem Lauf gegen die Zeit gerne vermitteln möchte, nur noch die Augenbrauen hochzieht und sich fragt, wie jemand auf eine solche Auflösung kommen konnte und diese dann auch noch für gut hielt. 2/5

Zwar versucht der Film auch eine Message von Emanzipation und Frauen-Power an den Zuschauer zu bringen, doch diese geht schnell in dem Strudel aus unmenschlicher Gewalt unter. Oh ja, der Film wird viele provozieren und einige werden ihn schnell als frauenverachtend und gewaltverherrlichend abstempeln, wobei hier von Verherrlichung meiner Meinung nach nicht die Rede sein kann. Ich denke jedoch, dass bei Raze erst gar nicht so viel nachgedacht wurde, wie ihm vorgeworfen wird. Der Gedanke ist immer nur beim Konzept geblieben, Frau gegen Frau kämpfen zu lassen. Dem Zuschauer werden Sympathieträger geboten (wobei die von Bell sehr intensiv gespielte Sabrina nicht zwingend dazu gehört) und natürlich auch eine fiese Psychopathin, der das Ganze einfach nur verdammt viel Spaß macht. In dieser Rolle stiehlt Rebecca Marshall allen anderen die Show. In einem überraschenden Kurzauftritt ist auch Rosario Dawson (!) zu sehen, die mit Bell bereits in Death Proof mitgespielt hat. Auch Rachel Nichols lässt sich in einer Rolle blicken, die vermuten lässt, sie sei die Protagonistin des Films, bis die Karten umgedreht werden. Besondere Erwähnung gilt Doug Jones, der als Organisator der "Spiele" widerwärtiger kaum sein könnte.
Ja, der Sinn des Ganzen ist fraglich bis nicht existent, doch der Film schafft es sehr schnell, die Aufmerksamkeit des Zuschauers aus seine Seite zu ziehen und nicht mehr loszulassen. Ein Plus sind die knallharten und gut choreografierten Kampfsequenzen, in denen Zoe Bell mal wieder ihr Können unter Beweis stellen darf. 3,5/5
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