
Marvel’s Iron Fist, USA 2018 • Laufzeit: 10 Folgen à 49-55 Min • Regie: David Bobkin, Toa Fraser, Mairzee Almas, Philip John u. a. • Mit: Finn Jones, Jessica Henwick, Alice Eve, Sacha Dhawan, Jessica Strup, Tom Pelphrey, Simone Missick • Anbieter: Netflix • Veröffentlichungstermin: 7.09.2018
Diese Rezension basiert auf den ersten sechs Folgen der 2. "Iron Fist"-Staffel und enthält leichte Spoiler!
Der unbeliebteste Held des Netflix-Universums von Marvel ist zurück und macht bei seinem zweiten Solo-Auftritt eine marginal bessere Figur als beim ersten. Leider kann man das von seiner Serie nicht behaupten. Die zweite Staffel von "Marvel’s Iron Fist" stellt die Geduld der Zuschauer auf eine noch härtere Probe als alle bisherigen Marvel-Beiträge von Netflix.
Nachdem die Defenders die Hand in New York endgültig bezwungen haben, entbrennt durch das entstandene Machtvakuum in Chinatown ein blutiger Krieg zwischen rivalisierenden Triaden, den Danny Rand (Finn Jones) aufzuhalten versucht. Motiviert wird er dabei von seinem Versprechen an den vermeintlich toten Matt Murdock, an seiner Stelle für Frieden in den Straßen New Yorks zu sorgen. Dass sich seine Vorstellung von New York augenscheinlich auf Chinatown beschränkt, lassen wir mal außen vor. Der milliardenschwere Erbe von Rand Enterprises kehrte seinem Vermögen den Rücken und führt ein bescheidenes Leben als Umzugshelfer. Seine beschauliche Zweisamkeit mit Colleen (Jessica Henwick), die ihr Katana wortwörtlich an den Nagel gehängt und der Gewalt abgeschworen hat, balanciert er mit seinen nächtlichen Einsätzen als Iron Fist. Währenddessen schmieden Dannys Kindheitsfreundin Joy (Jessica Stroup) und Davos (Sacha Dhawan), sein Adoptivbruder aus K’un-Lun, Rachepläne. Aus unterschiedlichen Motiven, jedoch verbunden durch ein gemeinsames Ziel, wollen sie Danny zur Rechenschaft ziehen. Noch komplizierter wird die Situation für alle Beteiligten durch das Auftauchen von Mary (Alice Eve), einer jungen Künstlerin, die frisch in New York angekommen ist und deren Weg sich mit Dannys kreuzt. Doch hinter ihrer sehr liebenswürdigen Fassade steckt eine ungeahnte Seite.
Eins vorweg: Im Gegensatz zu den meisten Kritikern fand ich die erste "Iron Fist"-Staffel nicht furchtbar. Es war sicherlich keine tolle Serie, doch sie hatte auch das Pech, zu einem ungünstigen Zeitpunkt veröffentlicht worden zu sein. Nach dem grandiosen Auftakt mit den ersten "Daredevil"– und "Jessica Jones"-Seasons, zeigte das Marvel/Netflix-Universum mit "Luke Cage" und der zweiten "Daredevil"-Staffel bereits erste Schwächen und vor allem Längen. Sie zehrten vom zuvor aufgebauten guten Willen gegenüber den neuen Marvel-Serien. Als "Iron Fist" herauskam, war dieser weitgehend aufgebraucht und auf der Serie lastete die Hoffnung, das Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Diese konnte die bis dato charakterloseste Marvel-Serie von Netflix nicht erfüllen und bekam dafür die volle Wucht des Frusts zu spüren, einschließlich einiger fehlgeleiteter Rassismus-Vorwürfe. In der Tat war die erste "Iron Fist"-Staffel aus technischer Sicht die schwächste der vier Serien aus der Zusammenarbeit von Marvel und Netflix, und hatte dazu auch noch den uninteressantesten Protagonisten. Doch gerade nach der schweren Kost durch die sehr stylische, aber auch ultrazähe "Luke Cage"-Serie, war "Iron Fist" kurzweiliges Superhelden-Fast-Food, dessen größtes Manko die unerträglich kindische Titelfigur war, die eine strunzdumme Entscheidung nach der nächsten traf und deren Hauptmerkmal darin bestand, sich jedem als "die unsterbliche Iron Fist" vorzustellen. Das ist vielleicht gut für ein Trinkspiel, aber nervig für die Zuschauer.

Die erste positive Entwicklung ist, dass die zweite Staffel von "Iron Fist" mit Raven Metzner ("Sleepy Hollow") einen neuen Showrunner bekommen hat. Außerdem haben alle Beteiligten an der Serie mehrfach betont, dass sie die Kritik an der ersten Season sehr ernst genommen und entsprechende Anpassungen vorgenommen haben. Könnte "Iron Fist" eine ähnlich eindrucksvolle Steigerung gegenüber der ersten Staffel hinlegen, wie es kürzlich "Luke Cage" mit ihrer zweiten Season gelungen ist? Leider kann ich diese Frage anhand der ersten sechs Folgen nicht pauschal bejahen.
Dass sich die Serienmacher die Kritik zu Herzen genommen haben, ist den neuen Folgen anzumerken. Das betrifft im Besonderen die zahlreichen Kampfszenen. Es ist immer noch ein wenig enttäuschend, dass eine Serie, in der Kung-Fu ein zentrales Element darstellt, dennoch nicht an die grandiosen Actionsequenzen aus den ersten zwei "Daredevil"-Staffeln heranreicht. Doch immerhin ist es erfreulich, dass die Kampfszenen sowohl in ihrer Frequenz als auch in der Ausführung zugelegt haben. Dass Danny in der zweiten Staffel häufig eine Maske trägt, ist sowohl für die Comicfans eine Freude als auch nützlich für die Actionszenen, in denen sich Finn Jones häufiger durch erfahrene Stuntleute vertreten lassen kann.


Ein starker Neuzugang ist auch Alice Eve als Comic-Schurkin Typhoid Mary (der Name wird so allerdings nicht erwähnt). Die gespaltene Persönlichkeit ihrer Figur gibt Eve die Gelegenheit, eine große Bandbreite an Emotionen auszuspielen. Mühelos wechselt sie zwischen verletzlich und gnadenlos, lieb und knallhart. Leider erfährt man, abgesehen von ihrem ganz besonderen Zustand, recht wenig über die an sich faszinierende Figur. Es bleibt zu hoffen, dass die letzten vier Folgen ihr noch mehr Raum zur Entfaltung gewähren werden.

Es ist schon lange bekannt, dass Leerlauf ein großes Problem der meisten Marvel-Serien von Netflix ist. Als verkündet wurde, dass die zweite Season von "Iron Fist" nur 10 anstelle der üblichen 13 Folgen umfassen würde, sahen das viele als ein vielversprechendes Zeichen, dass das Problem endlich als solches wahrgenommen wurde. Jedoch plätschert die Handlung auch hier äußerst schleppend vor sich hin. Während sich viele Rädchen drehen, um den Racheplot von Joy und Davos voranzutreiben, und Danny und Colleen mit kleinen Fischen hier und da beschäftigt sind, haben die ersten sechs Folgen der Staffel gerade mal genug Plot für eine Filmstunde. Andere Serien wie "Luke Cage" oder "Jessica Jones" haben es geschafft, durch deutlich interessantere Hauptfiguren und vor allem durch stilsichere Inszenierung den Leerlauf zu kaschieren. In Ermangelung einer eigenen, hervorstechenden Identität und eines interessanten Hauptcharakters, fällt das Schneckentempo bei "Iron Fist" noch mehr ins Gewicht. Dass Wards (Tom Pelphrey) Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe für Süchtige und seine Affäre mit seiner Sponsorin einen Teil der Handlung einnehmen, spricht dafür, wie wenig die Macher in der Staffel eigentlich zu erzählen haben. Natürlich steht der Gesamteindruck von der Staffel aus, da die letzten vier Episoden noch fehlen. Doch obwohl die ersten sechs Folgen diverse Fragen offen lassen, wecken sie nicht ausreichendes Interesse an den dazugehörigen Antworten.









