Zehn Horrorfilme seit 2000, die Du verpasst haben könntest

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6.

Kill List (Großbritannien/ 2011)

Zu Beginn dieses britischen Horrorfilms mag man sich angesichts des Familiendramas zurückversetzt fühlen in ein Bergmansches Familiendrama. Jay streitet heftig mit seiner Frau Shel, Geldprobleme plagen die Familie, doch da kommt ihm das Angebot seines besten Freundes  Gal gerade recht. Sie beide sind ehemalige Soldaten der britischen Armee, die danach als Auftragsmörder ihr Geld verdienten, doch seit seiner letzten Mission hat Jay das Geschäft an den Nagel gehängt. Das Angebot, das Gal und sein Auftragsgeber ihm unterbreiten, sind drei Morde, die sehr großzügig honoriert werden. Jay willigt ein und so zieht er mit seinem besten Freund erneut los, um ihr erstes Ziel, einen Priester, auszuschalten.

Kill List ist einer dieser Filme, die man ruiniert, wenn man mehr von der Handlung preisgeben würde. Nach seiner Veröffentlichung regte Ben Wheatleys Horrorfilm Diskussionen um das Ende an und, so viel sei gesagt, das auch völlig zu recht. Wieder einmal darf man bei Kill List keine Form von traditionellem Horror erwarten, sondern muss sich auf eine gewisse Subtilität einstellen.

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Obwohl der Film in einigen Szenen nicht vor expliziter Gewalt zurückschreckt, ist es nicht das, was ihn als Horrorfilm qualifiziert. Das charakteristische unangenehme Gefühl der Bedrohlichkeit und des Ekels findet man in Kill List während die beiden Protagonisten Jay und Shel ihre „Arbeit“ verrichten. Die unterschiedlichen Charaktere, auf die sie währenddessen treffen, und ihre Taten sind das, was verstört und schockiert.

Hinzu kommt, dass sich durch den gesamten Film eine Mystik hindurch zieht, die sich erst gegen Ende mit einem Paukenschlag entfaltet. Nach dem Abspann von Kill List wird man verblüfft zurückgelassen und ich für meinen Teil weiß bis heute nicht, wie ich das Finale zu interpretieren habe. Nichtsdestotrotz kann ich diesem Film nur jedem ans Herz legen, der sich auch abseits des Mainstreams nach Horrorfilmen umsieht, die nicht den gängigen Konventionen folgen und sich trauen, neue Pfade einzuschlagen.

 

7.

Durst (Südkorea/ 2009)

Regisseur Chan-wook Park ist zweifelsohne einer der größten Filmemacher der letzten Jahrzehnte. Mit seiner Vengeance-Trilogie, bestehend aus Sympathy for Mr. Vengeance (2002), Lady Vengeance (2005)und Oldboy (2003), machte sich der Südkoreaner einen Namen in der internationalen Filmlandschaft und auch sein neuster Film Die Taschendiebin (2016) war bei den Kritikern erneut ein herausragender Erfolg. Doch sein Film Durst wird bei einer solch eindrucksvollen Filmographie nicht selten unterschlagen, obwohl gerade dieser Film eine solche Behandlung nicht verdient hat.

Einer der frühen Titel auf dieser Liste war So finster die Nacht, ein schwedischer Vampirfilm, und auch Durst schlägt wieder in dieselbe Genrekerbe hinein. Wir folgen Sang-hyeon, einem katholischen Priester, der sich zwar nach außen hin sicher und gläubig gibt, jedoch innerlich von Zweifel und Depressionen geplagt wird. Er meldet sich für ein Experiment an, in welchem nach Möglichkeiten zur Behandlung des Emmanuel-Virus geforscht wird.  Dabei geschieht jedoch ein Unfall und der Priester infiziert sich mit einer der ihm verabreichten Blutkonserven, doch allmählich merkt er, dass es sich dabei um ein Vampirvirus gehandelt haben muss.

Die Prämisse von Durst mag recht plump klingen, doch im weiteren Verlauf breitet Chan-wook Parks Horrorfilm eine Handlung aus, die eine epische Bandbreite hat. Es werden sowohl religiöse Themen abgehandelt, als auch Thematiken wie bspw. Liebe und, für den Vampirfilm typisch, das ewige Leben.

Wie bei So finster die Nacht ist auch dieser Film fernab von den Konventionen, die die meisten Horrorfilme Vampire betreffend nach sich ziehen. Durst behandelt nicht nur zahlreiche Thematiken, sondern ist auch optisch eine Augenweide, wie nahezu jedes Werk von Chan-wook Park.

Durst ist der wohl originellste Horrorfilm mit einer Vampirkomponente seit So finster die Nacht. Beide Filme unterscheiden sich zwar grundlegend, sind qualitativ jedoch ebenbürtig. Nicht, dass ein südkoreanischer Vampirfilm schon ungewöhnlich genug ist, auch die Inszenierung ist erfrischend innovativ und kann nur jedem empfohlen sein, der sich für die uralte Figur des Vampirs interessiert und sie gerne in einem neuen Gewand sehen möchte.

 

8.

The Witch (Vereinigte Staaten & Kanada/ 2015)

Eine gräuliche Hexe, tief in einem düsteren Wald, die sich an Kinder heranschleicht, um sie zu entführen. Genau diese kindliche Angst greift der Debütfilm von Robert Eggers auf, doch anstatt sie zu kurieren, verstärkt er sie noch. The Witch präsentiert dem Zuschauer das, was bereits der Titel verspricht. Eine Hexengeschichte, doch nicht etwa um die Zeit von Grimms Märchen um ca. 1800, sondern deutlich früher im 16. Jahrhundert. Angesiedelt ist die Handlung auch nicht im mitteleuropäischen Raum, sondern im frühen Amerika, ein paar Jahre nachdem die ersten Siedler ihren Fuß auf die neue Welt setzten.

Der Film beginnt mit einem Verstoß des Siedlers William und seiner Familie aus der puritanischen Gesellschaft, da er eine andere Auslegung des Neuen Testaments hat wie die Gemeinde. Fortan muss er mit seiner Frau und den fünf Kindern außerhalb der Gemeinde leben und die Familie zieht in ein ruhiges Haus nahe einem Waldrand. Der Alltag der Familie besteht darin, Mais anzupflanzen, auf der kleinen Farm zu arbeiten und treu nach den Worten der Bibel zu leben, was tägliches Beten miteinschließt. Als die Ernte jedoch von einer Krankheit zerstört wird und das jüngste Kind der Familie, Samuel, entführt wird, obwohl die Tochter Thomasin auf ihn aufpassen sollte, droht die Familie auseinander zu brechen.

Dem Leser wird aufgefallen sein, dass in der kurzen Inhaltsangabe nicht die titelgebende Hexe erwähnt ist, doch ich kann versichern, dass sie mehrfache Auftritte hat, die allesamt unter die Haut gehen. Sollte man The Witch im Originalton sehen, muss man sich auf ein altertümliches English einstellen, welches zu der Zeit gesprochen wurde, was selbst für ein englischsprechendes Publikum nur schwer zu verstehen ist. Auch die deutsche Synchronisation ist darum bemüht, die Sprache der Charaktere möglichst zeitgenössisch klingen zu lassen.

Die religiöse Thematik des Films liegt auf der Hand und während viele Horrorfilme wie bspw. Das Omen (1976) oder Rosemaries Baby (1968) ebenfalls religiöse Elemente verwenden, sind sie jedoch nie dermaßen darauf konzentriert wie es The Witch ist. Man könnte Roggers Film durchaus als einen religiösen Horrorfilm bezeichnen, doch darüber hinaus ist er ein Film, der noch weitere Qualitäten zu bieten hat.

Das Schauspiel des Films ist durchweg hervorragend, besonders die Kinderdarsteller liefern eine schauspielerische Leistung ab, die Ihresgleichen sucht. Und auch wenn sich diese Lobpreisung nach einer gewissen Subjektivität anhört, entspricht es der Realität. Zudem sind die Bilder des Films befreit von grellen Farbfiltern oder schnellen Schnitten. Fast jedes Bild ist statisch, der Bildausschnitt ist kein klassisches 16:9 und auch die Inszenierung mag teilweise surreal oder sogar psychedelisch anmuten, was aber zugleich den Charme von The Witch ausmacht.

Auch dieser Horrorfilm ist etwas, worauf man sich von vornherein einlassen muss. Der Plot entfaltet sich sehr gemächlich, fast schon schleppend und auch der Horror mag sicherlich nicht jedem Zuschauer zusagen, ebenso wie das weitläufig interpretierbare Ende. Dennoch ist The Witch einer der innovativsten Horrorfilme dieser Filmepoche und eines der bis dato besten Filmdebüts.

 

9.

Dead End (Frankreich & Vereinigte Staaten/ 2003)

Jean-Baptiste Andreas kleiner Horrorfilm Dead End ist mit Sicherheit der konventionellste Film dieser Liste, was selbstverständlich nicht negativ klingen soll. Mit gerade einmal 85 Minuten ist der Film recht temporeich und auch die Handlung ist nichts, was mit Innovation oder Facettenreichtum glänzt. Nichtsdestotrotz hat sich Dead End durch seine hohen DVD Verkäufe als Geheimtipp in der Horrorfilmszene etabliert und das auch vollkommen zu Recht.

Der Film verliert keine Zeit und führt seine Charaktere dementsprechend schnell ein. Wir lernen Frank und seine Familie kennen, bestehend aus seiner Frau Laura, seiner Tochter Marion mitsamt Freund Brad und seinem Sohn Richard. Sie möchten zum Weihnachtsessen zu Lauras Mutter, doch zum ersten Mal seit zwanzig Jahren entscheidet sich Frank dazu, eine Abkürzung durch einen dunklen Wald zu nehmen. Horrorfilmfans wissen, dass Abkürzungen stets der Beginn von etwas Unheilvollem ist, und so verhält es sich auch in Dead End. Nach der vermeidlichen Abkürzung trifft man schnell auf eine ominöse Frau, die in weißen Kleidern auf der Strecke umherirrt und auch ein Leichenwagen fährt auf der Waldstrecke auf und ab, die kein Ende zu nehmen scheint.

Dead End ist im wahrsten Sinne des Wortes ein absoluter Oldschool Horrorfilm. Er kommt schnell zur Sache, hat mit einem tiefen, düsteren Wald ein klassisches Setting und auch mit solchen Komponenten wie einem Leichenwagen oder einer nicht enden wollenden Straße feiert der Horrorfilm beliebte Genreelemente ab.

Doch der Film hat nicht nur gute Ansätze, auch die jeweiligen Schauspieler verstehen allesamt ihr Handwerk, der Darsteller von Frank, Ray Wise, allen voran. Dead End ist eine kleine Horrorperle, die es schafft, ihre Spannung über die gesamte, zugegebenermaßen kurze Lauflänge aufrecht zu halten. Ab und zu schleicht sich auch die ein oder andere dezent humorvolle Szene in das Geschehen ein, nichtsdestotrotz bleibt Jean-Baptiste Andreas Horrorfilm ein optimaler Vertreter für solche Filme, die als „Geheimtipp“ gehandelt werden.

 

10.

It Follows (Vereinigte Staaten/ 2014)

In nahezu jedem Horrorfilm gibt es  eine oder gar mehrere Sequenzen, in denen das panische Opfer vor seinem Mörder zu fliehen versucht. Filme wie Freitag, der 13. (1980) oder Halloween – Die Nacht des Grauens (1978) sind Paradebeispiele dafür, doch was passiert, wenn das Opfer von vornherein nicht entkommen kann? It Follows setzt genau  bei dieser Prämisse an und entwickelt sie im Verlaufe seiner 100 Minuten fortgehend weiter.

Ein Horrorfilmantagonist wie Freddy Krueger aus Nightmare – Mörderische Träume (1984) kann seine Opfer nur im Traum töten und ist in diesem auch noch selbst bezwingbar. Und auch den Geistern aus Poltergeist (1982) und The Conjuring (2013) kann man mit Priestern und Exorzismen an den untoten Leib rücken. In It Follows verhält es sich von Grund auf anders. Das, was die 19-jährige Jay heimsucht, ist nicht so simpel zu umschreiben wie ein verrückter Psychopath oder ein Serienmörder. Ursprünglich wollte sie mit ihrem Date Hugh nur näher kommen, der sie eines Nachts in seinem Auto entjungfert, doch stattdessen betäubt er sie und Jay wacht an einen Rollstuhl gefesselt in einem verlassenen Gebäude auf. Hugh erklärt ihr, was sie nun zu erwarten habe und beschreibt es als einen Fluch. Übertragen wird dieser durch Geschlechtsverkehr und fortan wird man verfolgt, wo auch immer man auf dieser Welt sein mag. Der Verfolger ist jedoch kein blutrünstiger Mann mit Machete oder ein schreiender Geist, sondern etwas, das undefiniert bleibt, denn das, was den Träger des Fluchs tötet, kann alles sein. Es kann die Gestalt eines Freundes sein, eines Familienangehörigen, des Nachbars von nebenan oder die eines völlig Fremden. Das Wesen läuft dem verfluchten Ziel nicht lauthals nach, sondern kann sich nur in einem normalen Schritttempo seinem Opfer nähern und das ist es, was die Prämisse von It Follows so außergewöhnlich macht.

In David Robert Mitchells Horrorfilm gibt es keine Möglichkeit der Atempause, des Innehaltens oder gar der Katharsis, schließlich kann jede Person im Bild das Wesen sein, das sich offenbart. Sowohl die Charaktere im Hintergrund des Bildes, als auch jene, die nur flüchtig vorbeigehen, werden zu einer potentiellen Bedrohung, sodass man als Zuschauer den Eindruck bekommt, ein lebendiges Gemälde zu sehen, in welchem man einen kleinen Punkt ausmachen muss. Eine einfache Kameradrehung oder ein simpler Schnitt führt dazu, dass man jedem neu erscheinenden Charakter aufs Neue misstraut und erst dessen Verhalten, Gestik und Mimik studiert, bevor man sich dazu entscheidet, der jeweiligen Person zu vertrauen.

Doch It Follows sollte nicht nur auf seine innovative Ausgangsidee reduziert werden, denn auch die Bilder, die der Film kreiert, bleiben im Gedächtnis. Kameramann Mike Gioulakis, der jüngst wieder in Split (2016) die Kamera zu verantworten hatte, schafft Bilder, die zum einen ein lebendiges Suchbild sind und auf der anderen Seite ebenso schocken, wie auch verstören können. Hinzu kommt, dass die kühle Farbgebung des Films eine ganz eigene Atmosphäre erzeugt, die It Follows ein Gefühl der Melancholie verleiht.

Doch auch die schauspielerischen Leistungen, allen voran Maika Monroe als Jay, tragen zu dem dichten Erlebnis, welches It Follows ist, maßgeblich bei. Alle Charaktere verhalten sich rational und nachvollziehbar, selbst im Angesichte eines unnatürlichen Fluchs.

Ich muss als Autor dieses Artikels zugeben, dass es mir bei It Follows persönlich schwer fällt, vollkommen objektiv zu bleiben. Ich habe mich in diesen Film regelrecht verliebt und zusammen mit Dario Argentos Suspiria – In den Krallen des Bösen (1977) zählt er zu den besten Horrorfilmen, die ich bis dato gesehen habe. Ich halte diesen Film wahrhaft für ein Meisterwerk, sowohl von der erzählerischen Seite, als auch vom technischen Aspekt. Man bekommt einen Horrorfilm, der sich  an schleichender und zugleich grauenhafter Subtilität nicht vor Genregrößen wie The Shining (1980) verstecken muss und qualitativ ausnahmslos jeden Horrorfilm der letzten Jahrzehnte mühelos in die Tasche steckt.

Ich hoffe sehr, den Lesern dieses Artikels gute Anreize gegeben zu haben, sich meine aufgeführten Filme anzusehen. Über Diskussionen jene Filme betreffend und weitere Geheimtipps freue ich mich sehr.