X-Men – Zukunft ist Vergangenheit (2014)

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X-Men - Zukunft ist Vergangenheit (2014) Filmkritik

X-Men: Days of Future Past, USA/GB 2014 • 131 Min • Regie: Bryan Singer • Mit: Hugh Jackman, Jennifer Lawrence, Michael Fassbender, James McAvoy, Nicholas Hoult, Ian McKellen, Patrick Stewart, Ellen Page, Peter Dinklage • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 22.05.2014 • Deutsche Website

Handlung

Einige Jahre nach Wolverine – Weg des Kriegers ist die Welt nicht mehr wiederzuerkennen. Sentinels, extrem anpassungsfähige und unaufhaltsame Roboter, machen Jagd auf die Mutanten, aber auch auf alle, die Mutanten beschützen. Die Welt steht am Rande der Vernichtung. Die Situation ist so düster, dass sogar die einstigen Freunde und späteren Erzfeinde Magneto (Ian McKellen) und Professor X (Patrick Stewart) ihre Differenzen beiseite gelegt haben und gemeinsam mit Wolverine (Hugh Jackman) ihre Art und die Menschheit zu retten versuchen. Die Gegenwart bietet keinen Ausweg mehr, die Lösung liegt in der Vergangenheit. Die letzte Hoffnung besteht darin, mit Hilfe von Kitty Prydes Kräften (Ellen Page), Wolverines Verstand in seinen Körper in den Siebzigern zurückzuschicken, wo er gemeinsam mit den jungen Ausgaben von Professor X und Magneto die Bedrohung durch die Sentinels verhindern soll, noch bevor sie entsteht. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die junge Mystique (Jennifer Lawrence). In der Vergangenheit ist die Lage aber alles andere als einfach. Der junge Charles Xavier (James McAvoy) ist ein gebrochener Mann, der seine Kräfte nicht mehr kontrollieren kann und Erik Lensherr alias Magneto (Michael Fassbender) sitzt als Staatsfeind Nummer 1 im sichersten Gefängnis der Welt. Können Charles und Erik überhaupt die Vergangenheit hinter sich lassen und zusammenarbeiten, um die Zukunft zu retten?

Kritik

X-Men - Zukunft ist Vergangenheit (2014) Filmbild 1Die X-Men sind wieder da und es hat 11 Jahre gedauert bis sie ihre einstige Leinwand-Form wieder erreicht haben. Als X-Men im Jahre 2000 in die Kinos kam, gab es nichts Vergleichbares. Es gab natürlich in Vergangenheit schon zahlreiche erfolgreiche Comicbuchverfilmungen, wie die Superman– und die Batman-Reihen, doch nie zuvor wurde der Geist der Comicvorlage so gut eingefangen, wie in Bryan Singers Film. Auch wenn das Gelb der Latex-Kostüme der Mutanten der seriöseren schwarzen Farbe weichen musste und nicht alle Charaktere so aussahen, wie im Comic, war es die damals beste Verfilmung, auf die die Fans überhaupt hoffen konnten und stellte dazu noch der Welt mit Hugh Jackman einen künftigen Superstar vor. X-Men läutete eine neue Ära für die Comicfilme ein und Spider-Man, Fantastic Four und zahllose andere folgten. Dass ausgerechnet Bryan Singer zum Vorreiter der Welle werden würde, hätte sich im Vorfeld angesichts seiner doch deutlich bodenständigeren Arbeiten wie Die üblichen Verdächtigen und Der Musterschüler kaum jemand vorgestellt. Als X-Men 2 drei Jahre später seinen Vorgänger in jeder Hinsicht toppte, waren die Weichen für einen krönenden Abschluss der damals besten Superhelden-Reihe gelegt. Doch Singer verließ die X-Men zugunsten von Superman Returns und Brett Ratner übernahm X-Men – Der letzte Widerstand. Der Rest ist traurige Geschichte. Erst Matthew Vaughn brachte mit dem wider alle Erwartungen äußerst gelungenen X-Men – Erste Entscheidung die Serie auf Kurs und das Vertrauen der Fans wieder zurück. Jetzt ist die Reihe aber endlich wieder dort angelangt, wo sie hingehört – in die Hände von Bryan Singer.

X-Men - Zukunft ist Vergangenheit (2014) Filmbild 3Singers X-Men – Zukunft ist Vergangenheit, der mittlerweile siebte Film aus dem X-Men-Universum (wenn man die beiden Wolverine-Filme mitzählt), ist ein ehrgeiziges und monumentales Unterfangen. Der Film bringt nahezu die gesamte Besetzung der ursprünglichen Trilogie mit einer Reihe junger Akteure aus Erste Entscheidung zusammen und würzt die Mischung mit einigen neuen Gesichtern. Der Schuss hätte ebenso gut nach hinten losgehen können. Manch ein anderer Regisseur hätte sich leicht dazu verleiten lassen können, bei einem solchen Ensemble einen aufgeblähten, schwerfälligen und in die Länge gezogenen Film zu inszenieren. Jedoch nicht Singer, der nach 11 Jahren Franchise-Abwesenheit virtuos das Ruder an sich reißt und die Zuschauer daran erinnert, weshalb man ihn einst als einen der vielversprechendsten Blockbuster-Regisseure der Moderne sah. Mit knackigen 130 Minuten fühlt sich der Film keine Sekunde zu lang an und unterwirft sich nicht dem Trend, dass alle großen Blockbuster-Sequels von heute deutlich länger werden müssen als ihre Vorgänger.

X-Men - Zukunft ist Vergangenheit (2014) Filmbild 6Der Nebeneffekt ist dabei, dass die Fans sich mit Kurzauftritten einiger ihrer Lieblingscharaktere begnügen müssen Auftritten, wobei fast allen mindestens eine Szene gewährt wird, in der sie ihre Kräfte eindrucksvoll unter Beweis stellen können. Die willkommenen Rückkehrer Ian McKellen und Patrick Stewart haben deutlich weniger Screentime, als das Marketing des Films einen vielleicht glauben lässt. X-Men – Zukunft ist Vergangenheit schließt gekonnt die Lücke zwischen der alten Trilogie und dem Prequel von 2011 (und erkennt nebenbei auch gekonnt an, dass Ratners Der letzte Widerstand besser nie existiert hätte). Jedoch wirkt der Film vor allem mehr wie eine Fortsetzung zu Erste Entscheidung mit Wolverine als neuem Hauptcharakter. Die jüngeren Versionen von Magneto und Professor X runden gemeinsam mit Nicholas Hoults Beast und Jennifer Lawrence als Mystique den Haupt-Cast des Films ab, während die o. g. Stewart, McKellen, Helly Berry, Ellen Page, Shawn Ashmore und diverse Newcomer (von denen v. a. Fan Bingbing als teleportierende Blick in Erinnerung bleibt) den Rahmen der Geschichte bilden.

BL5U3708.X-Men - Zukunft ist Vergangenheit (2014) Filmbild 2Wie nahezu alle Filme mit der Zeitreise-Thematik, hat auch X-Men – Zukunft ist Vergangenheit mit diversen Logiklöchern zu kämpfen. Wer zu viel darüber nachdenkt wird (um sich der Worte von Bruce Willis aus Looper zu besinnen) bald nur noch Diagramme und Graphen malen, nur um noch verwirrter und frustrierter zu werden. Daher funktioniert der Film am besten, wenn man die Zeitreisen und die Fähigkeit Geschehenes zu verändern einfach als gegeben annimmt. Auch darüber hinaus bleiben einige Fragen ungeklärt, wie beispielsweise die Frage, wie der Zukunfts-Wolverine wieder Adamantium über seine Klauen bekam. Doch das sind Nebensächlichkeiten, die man beim ersten Anschauen des Films schnell vergisst, während man mit den Charakteren mitfiebert und über das Spektakel staunt, das Singer hier auf die Leinwand gezaubert hat. Und was für ein Spektakel es ist!

Zukunft ist Vergangenheit ist vielleicht nicht der beste der X-Men-Filme, doch seine Action und seine Effekte sind es zweifelsohne – seien es die atemberaubenden Kämpfe der X-Men gegen die Sentinels oder eine Szene in der Magneto ein ganzes Football-Stadium in die Lüfte hebt. Der herausragendste Moment des Films gehört aber einem brandneuen Charakter, dem man es im Vorfeld kaum nicht zugetraut hätte. Evan Peters ist als wahrlich blitzschneller Quicksilver ein frecher und gewitzter Neuzugang, der eine Küchenszene zum ewigen Klassiker der X-Men-Reihe erhoben hat. Wer als Comic-Fan genau aufpasst, bekommt auch einen Verweis auf die väterliche Abstammung des Charakters.

X-Men - Zukunft ist Vergangenheit (2014) Filmbild 5Doch obwohl Singer und sein Effekte-Team hier alle Register eines erstklassigen Blockbusters ziehen, reichen tolle Effekte und gute Action in unserer Zeit nicht mehr aus, um das Publikum hinzureißen. Zum Glück beweist der Regisseur auch wieder ein gutes Händchen mit seinen Charakteren und die grandiose Besetzung macht es ihm noch einfacher. Hugh Jackman zieht zum siebtan mal als Wolverine sein routiniertes Ding durch (und sein kurzer Gastauftritt in Erste Entscheidung wird sogar angesprochen). Vielleicht sind wir auch an den Charakter mittlerweile so gewohnt, dass Jackmans Performance weniger Wertschätzung zuteil wird als sie verdient. Jennifer Lawrence, deren Rolle aufgrund ihrer kometenhaft gestiegenen Popularität zwischen den beiden Filmen deutlich größer wurde, ist noch verletzlicher und zugleich abgebrühter als im ersten Film. Michael Fassbender und James McAvoy haben leider weniger Gelegenheiten, die Hassliebe der verfeindeten Freunde auszuleben als im letzten Film, doch die beiden haben immer noch eine tolle Chemie miteinander. Sie bestehen problemlos neben Stewart und McKellen, auch wenn gerade die sicherlich sehr interessante Szene zwischen McKellen und Fassbender leider nie zustande kommt. Noch deutlich wichtiger als die Einzelleistungen im Film ist aber, dass die Charaktere als ein richtiges Ensemble wirklich gut funktionieren. Leicht enttäuschend ist dafür Peter Dinklage als Bolivar Trask, der Erfinder der Sentinels. Wer "Game of Thrones" kennt, weiß um seine schauspielerischen Fähigkeiten, doch sein Charakter wird schnell zur Nebensache. Andererseits ist es sehr erfrischend, dass der Film ohne einen eindeutigen Bösewicht auskommt. Hier gibt es keinen William Stryker oder Sebastian Shaw, der als ultimativer Gegner der X-Men in einem Showdown antritt. Stattdessen wechseln die Bedrohungen des Films ständig und der Zuschauer weiß nie genau, wohin die Geschichte als nächstes hinführt.

Zu guter Letzt freute es mich auch festzustellen, dass Singer den Humor nicht vergessen hat, der die X-Men-Filme ausmacht. Obwohl der post-apokalyptische Anfang mit seinen nach Terminator anmutenden Knochenbergen und der Endzeitstimmung eine sehr düstere Ausgangslage für den Film bietet, wird es zurück in den Siebzigern deutlich heiterer, wobei Jackman wieder einen trockenen Sprich nach dem anderen reißen darf.

Mit Zukunft ist Vergangenheit hat Bryan Singer sich viel vorgenommen und viel geschafft. Der größte Verdienst ist, dass er gezeigt hat, wie viel Energie und Frische in dem vor fünf Jahren noch qualitativ totgeglaubtem Franchise noch steckt. Die obligatorische Szene nach dem Abspann macht jedenfalls sehr heiß auf die Fortsetzung, die im Mai 2016 in die Kinos kommen wird.

Fazit

X-Men – Zukunft ist Vergangenheit ist der Film, auf den die Fans der Reihe seit X-Men 2 gewartet haben. Groß in seinen Ambitionen und in seiner Umsetzung, zeigt das Sequel, dass Bryan Singer sein feines Gespür für die X-Men nicht verloren hat. Im Gegenteil erscheint er vertrauter und sicherer denn je mit der Welt, in die er im Kino erschaffen hat. Trotz einer kaum überschaubaren Besetzung und der stets problematischen Zeitreise-Thematik verliert der Film nie seinen Fokus und vermittelt das Gefühl eines Spektakels, das sich zwar ernst, aber nie zu ernst nimmt und angenehme humoristische Momente inmitten der drohenden Apokalypse bietet. Mit geringen Abzügen in der B-Note ist das ein Sommer-Blockbuster sondergleichen.

Trailer