Voll abgezockt (2013)

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Voll abgezockt Kritik

Identity Thief, USA 2013 • 111 Min • Regie: Seth Gordon • Mit: Jason Bateman, Melissa McCarthy, Robert Patrick, Amanda Peet, John Cho, Eric Stonestreet, Genesis Rodriguez, Jon Favreau • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 28.03.2013Deutsche Website

Werbe-Platzhalter. Von irgendwas müssen wir auch leben ;-)

Handlung

Diana (Melissa McCarthy) ist eine abgebrühte Betrügerin aus Florida, die sich nicht einmal davor scheut, einen Gangster-Boss mit schlecht gefälschten Kreditkarten aufs Kreuz zu legen. Ihr neustes Opfer: der Büromensch Sandy Patterson (Jason Bateman), der ein ruhiges und geregeltes Leben führt. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder, ein drittes ist unterwegs und er hat soeben das Angebot erhalten, die Stelle eines Vice President in der neuen Finanzberatungsfirma seines ehemaligen Kollegen anzutreten. Dinge laufen komplett nach Plan, als Sandy plötzlich Opfer eines Identitätsdiebstahls wird. Ausgerechnet Diana bringt Sandy (der sich aufgrund seines „weiblichen“ Vornamens bestens geeignet ist) in seiner Naivität dazu, ihr all seine persönlichen Daten zu verraten. Bevor er sich versieht sind nicht nur alle seine Bankkonten leer, seine Kreditkarten überzogen und sein Kabelfernsehen abgeschaltet, sondern auch die Polizei ist hinter ihm her wegen eines angeblich verpassten Gerichtstermins und Verdachts auf Drogen- und Waffenbesitz. Obwohl der Fall schnell geklärt ist und der Betrug erkannt wird, werfen diese ganzen Probleme kein gutes Licht auf Sandy und somit seine noch junge Firma. Von seinem neuen Chef (John Cho) bekommt er das Ultimatum, die Sache innerhalb einer Woche ins Reine zu bringen. Da der Film scheinbar in einer Welt spielt, in der das FBI nicht existiert, muss sich Sandy selbst nach Florida begeben, die Betrügerin zu stellen, sie zurück nach Denver zu transportieren und dort aus ihr ein Geständnis herauszulocken. Der erste Teil der Aufgabe fällt ihm nicht schwer und schon bald sind er und Diana auf einem Road Trip nach Denver. Jedoch sind hinter den beiden ein verrückter Kopfgeldjäger (Robert Patrick) und zwei betrogene Gangster (Genesis Rodriguez und T.I.) her und auch Diana macht es Sandy nicht gerade leicht.

Kritik

Voll abgezockt Kritik 1Wie auch Paul Rudd (Our Idiot Brother) hat Jason Bateman seine Karriere darauf gebaut, nette Durchschnittskerle von Nebenan in Komödien zu spielen. Von Ausgequetscht und All Inclusive über Kill the Boss bis hin zu Wie ausgewechselt – seit seinem großen Durchbruch mit der Kultserie „Arrested Development“ hat er meistens nur Variationen dieses Charakters gespielt und wie auch Rudd, hat er das dank seiner Jedermann-Ausstrahlung eben sehr gut drauf. Am besten funktioniert Batemans ausdrucksloser, trockener Humor, wenn ihm er ein ausgefallener, überlebensgroßer Co-Star zur Seite gestellt wird (wie in Kill the Boss oder „Arrested Development“). Schließlich wirkt das Normale umso lustiger, wenn das Verrückte als Kontrast geboten wird. Bühne frei für Melissa McCarthy.  Seit ihrem Durchbruch mit Brautalarm, für den sie eine Oscarnominierung erhielt, gilt die ehemalige Stand-Up Comedian als einer der größten neuen Comedy-Stars in Hollywood. Es war also nur eine Frage der Zeit bis die „weibliche Version von Zach Galfianakis“, wie sie nicht wenige in den letzten Jahren bezeichnet haben, eine Hauptrolle in einer großen Komödie bekommen würde. Dabei fiel den Produzenten scheinbar ein altes Konzept ein – ein einfacher Mann begibt sich mehr oder minder unfreiwillig auf einen Road Trip mit einer tollpatschigen aber irgendwo auch sympathischen Nervensäge. Das hat John Hughes mit Ein Ticket für Zwei (OT: Planes, Train and Automobiles) vorgemacht und Todd Phillips mit Stichtag ziemlich genau kopiert. Noch ein Schuss von Midnight Run und voilà – Voll abgezockt ist da.

Voll abgezockt Kritik 2Das Konzept an sich  bietet ja auch sehr viele Gelegenheiten für humorvolle Situationen. Nur leider ist das fertige Produkt weniger witzig als Hughes‘ großartiger Film und sogar als Todd Phillips‘ Abklatsch. Die Filmemacher haben sich hier so sehr auf die Filmidee alleine verlassen, dass dabei das Drehbuch völlig vernachlässigt wurde. Dabei ist das Konzept alleine, dass das Opfer eines Betrugs den Täter selbst stellen muss, schon weit hergeholt genug, doch mit einem guten Drehbuch und herzlichem Humor hätte man es dem Film noch verzeihen können. Es ist also ob der primäre Gedanke war, dass sobald man Jason Bateman und Melissa McCarthy (beide gute Improvisationskünstler, keine Zweifel) zusammenbringt, die Komödie sich von alleine ergibt. Doch nichts dergleichen. So sehr sich auch die beiden gegen das Drehbuch ankämpfen, so wenig gelingt es ihnen. Ein gutes Konzept und eine passende Besetzung machen eben noch lange keinen guten Film. Was Ein Ticket für Zwei so großartig gemacht hat, war nicht nur die Chemie zwischen Steve Martin (hier durch Jason Bateman „verkörpert“) und John Candy (Melissa McCarthy), sondern auch deren Charaktere, die sich nicht jedem Klischee im Buche beugten. Vor allen Dingen war es aber auch die sehr gelungene Mischung aus toller Situationskomik und viel Herz, die den Film von John Hughes zu einem Comedy-Juwel gemacht hat. Das verfehlt Voll abgezockt, indem seine Gag-Parade zu großen Teilen aus Witzen bezogen auf Frau McCarthys körperliches Erscheinungsbild, ihre Fitness und Sandys Vornamen besteht. Auch wenn der Film einem die Gags regelmüßig um die Ohren haut, zünden nur sehr wenige davon, was die überzogene Laufzeit von etwa 110 Minuten noch länger vorkommen lässt.

Voll abgezockt Kritik 3Sogar das komödiantische Spiel zwischen den beiden Hauptdarstellern stimmt nicht immer, wobei die Grenzen zwischen deren Leistung und dem grausigen Drehbuch manchmal schwer zu erkennen sind. Jason Bateman tut routiniert das, was er immer tut. Melissa McCarthys Humor funktioniert allerdings deutlich besser in kleinen Dosen (wie eben in Brautalarm). Ihre überbordende und unausstehliche Persönlichkeit in der ersten Filmhälfte, macht es dem Zuschauer ungemein schwer, mit ihr in der zweiten Hälfte zu sympathisieren, wie es von den Machern beabsichtigt wurde. Während in Ein Ticket für Zwei man anfangs Steve Martins Seite verstand und dann langsam aber sicher die Sichtweise von John Candys Charakter annahm, fühlt man hier vom Anfang bis zum Ende nur mit Batemans Sandy mit. Dianas „Läuterung“ und ihre traurigen Enthüllungen fühlen sich nicht echt an, sondern vom Drehbuch konstruiert, um dem Zuschauer zu gefallen.

Auch die illustre Nebenbesetzung kommt hier leider viel zu kurz. John Cho, selbst ein begnadeter Komiker, wirkt besonders verschwendet in seiner kurzen humorlosen Rolle. Robert Patricks durchgeknallter Kopfgeldjäger bekommt noch den besten Part auf den Leib geschrieben und wird ganz groß und vielversprechend eingeführt, nur um später nur noch sträflich wenig Screentime zu bekommen. Der Handlungsstrang um die beiden Gangster auf den Fersen unserer Hauptcharaktere hätte man komplett herausschneiden können (und Straffung hätte dem Film gut getan), ohne dass es ins Gewicht gefallen wäre.

Es mag zunächst verwundern, dass der Regisseur Seth Gordon nach dem urkomischen Kill the Boss einen solchen Langweiler abliefert. Schaut man jedoch etwas weiter zurück, so findet sich mit Mein Schatz, unsere Familien und ich eine vergleichbare verpasste Gelegenheit in seiner Filmografie. Auch jener Streifen war ein reiner „Konzeptfilm“ mit einer hochkarätigen Besetzung (Vince Vaughn, Reese Witherspoon, Jon Voight, Robert Duvall), aber einer miserablen Humorquote. Noch deutlich mehr als bei Gordon ist die Schuld bei Craig Mazin zu suchen, dem Drehbuchautor, aus dessen Feder auch Scary Movie 3, Scary Movie 4 und Superhero Movie stammen, Filme, die allesamt nicht gerade mit viel Witz und Scharfsinn glänzten. Was Voll abgezockt letztendlich im Gegensatz zu Filmen wie Ghost Movie halbwegs erträglich macht, sind eben die beiden Hauptdarsteller. Während sich die Aufmerksamkeit der meisten aber auf McCarthy konzentriert, ist es Bateman, dessen gewohnt sympathische Darbietung und die Fähigkeit auch den bescheuertsten Momenten etwas Komik abzugewinnen, Anerkennung verdient.  Wer jedoch auf eine Lachgranate wie Kill the Boss hofft, wird bitter enttäuscht sein.

Fazit

Voll abgezockt verlässt sich zu sehr auf die (wackelige) Chemie seiner beiden Hauptdarsteller und vergisst im Zuge dessen, den beiden ein gutes Drehbuch zu geben.

Trailer