The Witch (2015) Kritik

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The Witch (2015) Filmkritik

The Witch: A New-England Folktale, USA/GB/CA/BR 2015 • 92 Min • Regie & Drehbuch: Robert Eggers • Mit: Anya Taylor-Joy, Ralph Ineson, Kate Dickie, Harvey Scrimshaw, Ellie Grainger, Lucas Dawson • Kamera: Jarin Blaschke • Musik: Mark Korven • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 19.05.2016 • Deutsche Facebook-Seite

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The Witch (2015) Filmbild 1Ein rabenschwarzes und überaus böses Stück Genrekino serviert uns der junge Robert Eggers mit „The Witch“. Der erst 32-jährige Regisseur und Drehbuchautor hat mit seinem Erstling bereits auf dem Sundance Filmfestival 2015 den Preis für die "Beste Regie" in Empfang nehmen dürfen, während die internationale Presse sein Werk frenetisch feiert. Zu Recht. Nach all den „besten Horrorfilmen seit Jahren“, die in Wahrheit doch nur ausgelutschte Ideen ein wenig variieren und modern aufpeppen, schlägt Eggers einen anderen Weg ein: Er konzentriert sich zunächst voll auf seine Figuren und das Drama, lässt dabei nur sehr langsam und subtil das Grauen in die im Zentrum stehende Familie schleichen und beschwört letztlich dann mit aller Konsequenz die Hölle auf der Leinwand herauf. Billige Schocks und literweise Blut sind seine Sache nicht – eine erstickend dichte Atmosphäre und ein symbollastiges, intelligentes Konzept dafür umso mehr. In der versierten Ausarbeitung lassen sich hier gar Vergleiche mit großen Meistern wie Stanley Kubrick („Shining“), Nicolas Roeg („Wenn die Gondeln Trauer tragen“) oder William Friedkin („Der Exorzist“) ziehen, doch tatsächlich erinnert „The Witch“ am ehesten an einen finsteren Albtraum, den Ingmar Bergman nie geträumt hat.

The Witch (2015) Filmbild 2Im Neuengland des Jahres 1630 hat religiöser Stolz zum Ausschluss von William (Ralph Ineson) und dessen Familie aus der Kolonie-Gemeinde geführt. Isoliert am Rande der riesigen Wälder sucht der Siedler mit seiner Frau Katherine (Kate Dickie) und ihren fünf Kindern nach einem Neuanfang. Doch dieser entpuppt sich als äußerst schwer: Das Getreide auf dem Feld verdirbt und der Hunger zerrt an ihnen. Als das Baby Samuel unter der Aufsicht der Ältesten Thomasin (eine echte Entdeckung: Anya Taylor-Joy) spurlos verschwindet und die Kinder Mercy (Ellie Grainger) und Jonas (Lucas Dawson) ein seltsames Spiel mit dem Ziegenbock Black Phillip treiben, beginnen die fundamentalistischen Eltern an der Reinheit der Familie zu zweifeln. Etwas Teuflisches scheint ihren innersten Kreis durchbrochen zu haben und nährt sich nun an den entstehenden Konflikten …

The Witch (2015) Filmbild 3Wie beim Häuten einer Zwiebel gelangt man stetig näher an den morbiden Kern der Geschichte. Vielschichtig und hintergründig verpackt Eggers seinen Albtraum aus der Vergangenheit – aus einer Zeit, in der Hexen und der Beelzebub noch ernsthaft Angst und Schrecken unter den Menschen verbreitet haben. So wirken die wohldosierten übersinnlichen Elemente des Films (dass das Fantastische hier mitwirkt, wird schon früh im Verlauf herausgestellt) im Kontext der bitteren Familientragödie besonders verstörend und nachhaltig. Wer das Übel in sich trägt, oder ob dieses vielleicht von außen zugeführt worden ist, wird sich erst am Gänsehaut erzeugenden Ende herauskristallisieren. Wenn man die Charaktere genau studiert, wird man schnell zu dem Schluss kommen, dass hier niemand wirklich ohne Sünde verbleibt – sei es der ignorante Hochmut des Vaters, das sexuelle Verlangen des heranwachsenden Caleb (Harvey Scrimshaw) nach der verbotenen Frucht oder das gehässige Spiel der Kinder. Und immer wieder: Lügen. Am eindringlichsten führt das Werk dann auch vor Augen, dass erst das Auseinanderrücken einer Einheit den Platz für das wachsende Unheil bereitet. Im flackernden Kerzenlicht verdrängt die Angst langsam alle Hoffnungen und der starre Glaube wirkt als ein Werkzeug der Zerstörung. Durch das triste Familienporträt bricht eine Kraft, die zugleich verführerisch Freiheit verheißt und mit hinterhältiger Grausamkeit die heiligen Grundfesten erschüttert.

The Witch (2015) Filmbild 4Ob „The Witch“ mit seinem durchaus gehobenen Anspruch auch gewöhnliche Kinogänger oder Fans beinharter Horrorkost in seinen diabolischen Bann zu ziehen vermag, darf allerdings angezweifelt werden. Der Regisseur nähert sich dem Genre von der Arthouse-Flanke und präsentiert einen naturalistischen Film, der dem heutigen Publikum vermutlich zu sehr zwischen den Stühlen sitzt: Zu ungemütlich für die einen, zu zahm für die anderen. Wer nicht bereit ist, sich auf eine in der modernen Kinolandschaft einzigartige Arbeit einzulassen, die tatsächlich allen gängigen, plump erfolgsorientierten Konventionen trotzt, wird sich zwischen den hypnotisch-ruhigen Kameraeinstellungen, dem authentischen Altenglisch im O-Ton und den grotesken Ausbrüchen eher ungeduldig im Sessel hin- und herdrehen. Und dass man nach dem Abspann noch zur Interpretation der Geschehnisse eingeladen ist, macht es für manche auch nicht einfacher.

Aufgeschlossene Filmfreunde finden hier jedoch ein kleines Meisterwerk vor, das sich mit seinen herausragenden Darstellern und der liebevollen Ausstattung sogar der in der Regel horrorscheuen Academy empfehlen könnte. „The Witch“ ist für mich die beste und intensivste US-Horrorproduktion seit dem enorm einflussreichen „Blair Witch Project“ (ja, auch mit Hexen) von 1999 – ein Schaudermärchen mit Nachwirkung. Und Robert Eggers gehört nach diesem geschmackvollen und selbstbewussten Debüt jetzt schon zu den vielversprechendsten Regie-Newcomern der Gegenwart.


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