Ruby Sparks – Meine fabelhafte Freundin (2012)

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Ruby Sparks Kritik

Ruby Sparks, USA 2012 • 104 Min • Regie: Jonathan Dayton, Valerie Faris • Mit: Paul Dano, Zoe Kazan, Chris Messina, Annette Bening, Antonio Banderas, Elliott Gould • FSK: ab 6 Jahren • Kinostart: 29.11.2012 • Deutsche Website

Werbe-Platzhalter. Von irgendwas müssen wir auch leben ;-)

Handlung

Calvin Weir-Fields (Paul Dano) gilt als ein literarisches Wunderkind. Mit 19 hat er seinen ersten umjubelten Roman verfasst, der prompt zu einem Bestseller wurde. Auch Jahre später sind seine Lesungen ausverkauft und weibliche Fans stecken ihm gerne ihre Telefonnummern zu. Doch seit seinem ersten Werk leidet der junge Mann an einer schier unüberwindbaren Schreibblockade, teils bedingt durch den unglücklichen Ausgang seiner letzten Beziehung. Auch die Therapiesitzungen mit Dr. Rosenthal (Elliott Gould) schaffen anfangs wenig Abhilfe. Als jedoch Calvin eines Nachts von einem süßen Mädchen träumt, motiviert der Psychoanalytiker ihn dazu, darüber zu schreiben. So erschafft Calvin Ruby Sparks, seine absolute Traumfrau. Zu schade, dass sie nur auf Papier existiert. Oder doch nicht? Calvin staunt nicht schlecht, als er eines Morgens in seiner Luxusvilla aufwacht und Ruby (Zoe Kazan) leibhaftig in seiner Küche vorfindet, während sie ihm Frühstück zubereitet. Calvin ist zunächst fest davon überzeugt, den Verstand endgültig verloren zu haben. Nach einer längeren Akzeptanzphase stellt er jedoch fest, dass Ruby tatsächlich existiert und in jeder Einzelheit der von ihm geschriebenen Figur entspricht. Außerdem merkt er, dass er ihren Charakter und ihre Gedanken durchs Schreiben nach Belieben verändern kann. Doch was will er auch bei einer Frau verändern, die bereits perfekt für ihn ist? So schließt Calvin das Manuskript weg. Als Ruby jedoch immer eigenständiger wird und die Realität sich immer mehr von seiner Phantasievorstellung entfernt, gerät er in Versuchung weiterzuschreiben.

Kritik

Der Filmkritiker Nathan Rabin prägte 2005 den Begriff „Manic Pixie Dream Girl“. Diesen definierte er als „jene temperamentvollen, oberflächlichen, cinematischen Kreaturen, die lediglich in der fieberhaften Vorstellung von sensiblen Autoren/Regisseuren existieren, um grüblerischen schwermütigen jungen Männern nahezubringen, das Leben und all seine endlosen Mysterien und Abenteuer mit offenen Armen zu begrüßen“. Es handelt sich in der Regel um leicht verrückte, schrullige und durchweg liebenswerte Frauen, die das Leben des meist stagnierenden Protagonisten zunächst durcheinander bringen, damit er es endlich selbst ordnen und fortführen kann. Rabin bezog sich damit im Speziellen auf Kirsten Dunsts Charakter in Cameron Crowes Elizabethtown, doch der Manic Pixie Dream Girl-Archetyp erstreckt sich weit darüber hinaus. Prominente Beispiele sind Natalie Portman als die The Shins-vergötternde, epileptische, zwanghaft lügende Quasselstrippe in Garden State und Zooey Deschanel, die das Manic Pixie Dream Girl (MPDG) zu ihrem eigenen Markenzeichen gemacht hat, von Der Ja-Sager über (500) Days of Summer bis zu ihrer neuen Serie „New Girl“, die bewusst eben diese Karikatur verkauft. Natürlich entstehen solche Charaktertypen nicht von heute auf morgen und bereits Audrey Hepburns Holly Golightly (Frühstück bei Tiffany) und Diane Keatons Annie Hall (Der Stadtneurotiker) wiesen Anzeichen eines MPDG auf. Dennoch waren es zugleich auch mehr als nur bloße Karikaturen, sondern gut ausgearbeitete Charaktere aus Fleisch und Blut. Doch in den letzten Jahren wurde der Tropus vor allem in Indie-Komödien sehr zweckmäßig eingesetzt. Das MPDG sollte als Katalysator für die Veränderung des männlichen Hauptcharakters dienen, während die eigentliche Persönlichkeit des MPDG unverändert blieb und in der Tiefe ihres Innenlebens selten über eine Regenpfütze hinausging. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Film versuchen würde, mit diesem so beliebten filmischen Archetyp aufzuräumen. Wir bitten auf die Bühne – Ruby Sparks.

Ruby Sparks Kritik 4Der Charakter von Ruby Sparks entstammt der Feder (bzw. der Schreibmaschine) der fieberhaften Vorstellung eben eines dieser sensiblen Autoren. Calvin erschafft somit vor unseren Augen das Manic Pixie Dream Girl in seiner reinsten Form. Ruby ist die Essenz des Archetyps und entspricht so prompt jeder Wunschvorstellung von Calvin, der zugleich auch der schwermütige junge Mann ist, dessen Leben einen neuen Schub benötigt. So weit so gut. Schon früh im Film bringt Calvins bodenständiger Bruder Harry (Chris Messina) die ganze Sache auf den Punkt, wenn er sagt: „Schrullige, chaotische Frauen, deren Probleme sie liebenswert machen, sind nicht real“. Er spricht zu Calvin, doch zugleich auch, die vierte Wand durchbrechend, zu den Zuschauern, die diesen Frauenstereotyp häufig genug in Filmen gesehen haben. Dies ist einer der weniger Momente des Films, in dem die Drehbuchautorin Kazan, die sich die Titelrolle auf den Leib schrieb, so direkt ihre Unzufriedenheit mit der ganzen MPDG-Idee ausdrückt. Zum großen Teil wird es dem Zuschauer überlassen, eben die von Harry vorhergesagte Entwicklung mit zu verfolgen und zu beurteilen. Denn je länger Ruby in Calvins Welt existiert, desto mehr wenden sich gerade diese Eigenschaften, die er als Idee und Wunschvorstellung an ihr schätzte, gegen ihn. Er wollte eine freigeistige, lebensfrohe und eigenständige Frau, doch ebendies stört ihn nach einiger Zeit. Alle Versuche sie seinen modifizierten Vorstellungen anzupassen, gehen nach hinten los.

Ruby Sparks Kritik 2Auf diese Weise geht Ruby Sparks über eine bloße Kritik des simplifizierten Frauenbildes in solchen Filmen hinaus und widmet sich auch einfühlsam dem Thema der Beziehungen und der Partnerschaft. Die häufigen Diskrepanzen zwischen dem Idealbild einer Person und der Realität, sowie die Bereitschaft die andere Person in der Beziehung so wie sie ist zu akzeptieren, spielt hier eine große Rolle. Wie gut dieser Aspekt der Geschichte für die Zuschauer funktionieren wird, wird unter anderem davon abhängen, wie sehr sie sich in diesen Figuren, aber auch in bestimmten Situationen in diesem Film wiederfinden können. Den meisten sollte dies allerdings nicht schwerfallen. Der Film scheut sich auch nicht davor, einige dunkle, unangenehme Seiten zum Vorschein zu bringen. Es wäre zu einfach, Paul Danos Calvin als einen sympathischen und im Leben verlorenen jungen Mann darzustellen, doch sein Charakter hat auch andere Facetten. Gerade diese dunkle, egozentrische Seite, die im letzten Akt des Films zum Vorschein kommt und gekonnt durch das plötzliche Auftreten von Calvins Ex-Freundin, gespielt vom „True Blood“-Star Deborah Ann Woll akzentuiert wird, scheint eine Abrechnung mit all den Autoren des MPDG-Stereotyps zu sein.

Ruby Sparks Kritik 1Zoe Kazans Drehbuchdebüt wirkt reifer und erfahrener, als ihre jungen Jahre vermuten lassen würden. Doch die Geschichte hätte nicht soviel Kraft dahinter, wenn die Hauptdarsteller nicht gepasst hätten. Zum Glück tun sie das. Kazan, für die das ihre bis dato größte Rolle und ihr Durchbruch sein sollte, hat spürbare Chemie mit Dano, der hier nach Little Miss Sunshine (auch unter der Regie von Faris und Dayton) und There Will Be Blood erneut beweist, dass er zu den talentiertesten Jungschauspielern Hollywoods gehört. Kein Wunder eigentlich, die beiden sind ja auch im wahren Leben ein Paar und haben sicherlich die eine oder andere Situation im Film aus ihrer Beziehung abgeschaut. Auch die Regisseure sind sei langer Zeit verheiratet, was mit Sicherheit zum Erfolg des Films beigetragen hat. Bei all den durchaus ernsten Themen, hat der Film aber auch eine ganze Reihe humorvoller Momente, bevor er ins düstere Territorium abdriftet. Dazu gehört insbesondere die Phase, in der Dano nicht wahrhaben will, dass Ruby tatsächlich existiert.

Leider weist der Film aber auch zum Teil die typische Symptomatik moderner Indie-Komödien vom Fließband auf, auch wenn zumindest mit einem Stereotyp wirkungsvoll abgerechnet wird. So sind es zum Beispiel die Obsession mit französischer Musik und französischer Sprache, Annette Benings verschwendeter Kurzauftritt als Calvins New Age-Mutter oder bestimmte Eigenarten von Calvin, die doch einen Tick übertrieben erscheinen (musste sein Charakter wirklich ein Kuscheltier bei seinen Therapiesitzungen haben?). Da der Film seinen Fokus voll und ganz auf Dano und Kazan legt, bleiben alle Figuren um sie herum oberflächlich und wenig entwickelt, was vor allem bei Chris Messinas Harry schade ist, da er als Gegenstück zu Calvin deutlich mehr Potenzial hätte, als ihm zugestanden wird.

Insgesamt ist Ruby Sparks aber als eine amüsante Beziehungsstudie und clevere Abrechnung mit einem großen Filmklischee durchaus zu empfehlen.

Fazit

Auch wenn Ruby Sparks manchmal selbst in die gewohnten Muster einer typischen Indie-Komödie verfällt, so ist der Film im Großen und Ganzen eine gelungene Dekonstruktion eines bestimmtem weiblichen Stereotyps und eine einfühlsame Darstellung von Diskrepanzen zwischen Wunschvorstellungen und Realität in einer Beziehung.

Trailer