Red State (2011)

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Red State, USA 2011 • 88 Min • Regie & Drehbuch: Kevin Smith • Mit: Michael Angarano, Kerry Bishé, Nicholas Braun, Kyle Gallner, John Goodman, Melissa Leo, Michael Parks, Kevin Pollak, Stephen Root • Kamera: David Klein • FSK: ab 18 Jahren • Verleih: Planet Media/Ascot Elite Home Entertainment • DVD-Start: 06.12.2011

 

„I fear God. You better believe I fear God.“

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Knatter. Knatter. Peng. Peng.

 

Kevin Smith steht gern im Rampenlicht und hört sich selbst reden. Und Smith redet richtig viel. Zuletzt ist sein neues Werk, der zuerst als Politischer Horrorfilm angekündigte „Red State“, das große Thema seiner berüchtigten Ansprachen gewesen. Nun ist „Red State“ eigentlich gar kein richtiger Horrorfilm, und als politischstes Element darf man hier wohl den Titel nennen, der sich natürlich auf die farbliche Kodierung der US-Bundesstaaten nach der Präsidentschaftswahl in Rot (Mehrheit für die Republikanische Partei) und Blau (Mehrheit für die Demokratische Partei) bezieht. Smiths Arbeit ist eher ein kruder Genre-Mix, dem der Absprung zur Homogenität nicht so recht geglückt ist. Wie uns spätestens die strenge Zuordnung der Charaktere zu Oberbegriffen im Abspann verdeutlicht, wollte uns der Regisseur hier etwas über Sex, Religion und Politik erzählen. Und da sich die Figuren im weiteren Verlauf bemerkenswert beiläufig mit allerhand schwerer Schusswaffen gegenseitig über den Haufen ballern, geht uns irgendwo auch auf, dass diese Themen in einer ungünstigen Konstellation dem friedlichen Miteinander im Weg stehen könnten. Natürlich pilgern nun die Smith-Fans in Scharen ins Kino, um das neue Output ihres Lieblings tatkräftig zu unterstützen – und Fan-nah, wie dieser halt ist, hat er seinen (lauthals betonten) Independent-Film nach dessen Premiere auf dem Sundance Film Festival zunächst im Rahmen einer traveling roadshow im Eigenvertrieb unter die Leute gebracht…für schlappe 54 US-$ bis über 100 US-$ pro Karte! Man muss Smith schon sehr gern haben, um so viel von seinem sauer verdienten Geld für einen Kinoeintritt mit anschließender Q&A-Runde auf den Tisch zu legen…

Selbst Quentin Tarantino „fucking love[s] this movie“, so erfahren wir von dem im Internet extrem aktiven „Clerks“-Schöpfer stolz. Die Euphorie des Rezensenten dagegen hält sich bezüglich „Red State“ arg in Grenzen. Der Film verfügt über zwei erstklassige Performances – die eine stammt von Michael Parks als fundamentalistischer Psycho-Priester, die andere von John Goodman, der einen von Gewissensbissen geplagten ATF-Agenten mimt – und schafft es, trotz narrativer Zerfahrenheit und aufgesetzter Kontroversität, in seinen 90 Minuten zumindest keine Langeweile aufkommen zu lassen. Zum Ende hin lässt Kevin Smith den gesamten Plot (oder besser: das Szenario) durch einen vielleicht interessanten, aber längst nicht so clever wie gedachten, Gag implodieren. Davor gibt es drei Highschool-Schüler, die im Internet auf ein gefaketes Sex-Date reinfallen und sich schließlich gefesselt und geknebelt in den Fängen der gefährlichen Mitglieder der Five Points Trinity Church, welche im Staat ungestraft ihr Unwesen treiben und eine offensichtliche Anspielung auf die Anhänger des ultrakonservativen US-Baptisten Fred Phelps darstellen, wiederfinden. Diese extremste Ausgabe einer christlichen Sekte hasst vor allem Schwule und hemmungslosen Sex, weshalb die vermeintlichen Sünder dann auch während einer ausführlichen Predigt des Oberhauptes Abin Cooper (Michael Parks, „From Dusk Till Dawn“) an den Pranger gestellt und anschließend exekutiert werden. Dass überhaupt mal jemand Wind von dem finsteren Treiben im Gotteshaus bekommt, ist einem kleinen Blechschaden zu verdanken, den die notgeilen Kids am Wagen des Sheriffs Wynan (Stephen Root) verursachen, welcher eigentlich nur am Straßenrand seiner homosexuellen Affäre nachkommen wollte. Natürlich begehen die Heranwachsenden Fahrerflucht und natürlich lässt das der Gesetzeshüter nicht auf sich sitzen und schickt seinen Deputy auf die Suche nach dem Wagen, welcher inzwischen bereits hinter den Mauern der Kirche abgestellt ist. Nun ein Zeitsprung: Der Deputy ist tot, der abendliche „Gottesdienst“ verläuft keineswegs reibungslos und ein Sondereinsatzkommando unter der Leitung von Agent Keenan (John Goodman, „Arachnophobia“) will die Hütte stürmen. Die Hölle bricht los und der Rest ist Schall und Rauch. Knatter. Knatter. Peng. Peng.

Ein großes Problem von „Red State“ besteht darin, dass sich fast ein Drittel der Handlung auf die vorherige Lautmalerei reduzieren lässt. In dem Film geht es ohne Zweifel ordentlich zur Sache. Nur hinterlässt die ganze laute Knallerei keinen besonders schockierenden Eindruck bei den Zuschauern – eben weil einem eigentlich sämtliche Figuren herzlich egal sind. Da kippen im Kugelhagel haufenweise Menschen um, aber wirklich berühren wird das wohl niemanden. Es stellt sich überhaupt die Frage, aus welcher Perspektive man „Red State“ verfolgen soll. Eine richtige Identifikationsfigur fehlt nämlich schmerzlich. Gerne orientiert man sich als Zuschauer ja sonst an der schillerndsten Gestalt, die einem angeboten wird – und das wäre hier nunmal eindeutig der ständig böse witzelnde Priester! Möchte Smith, dass wir mit einem diabolischen Schwulenhasser sympathisieren, oder möchte er womöglich, dass wir letztlich mit keinem der Protagonisten mitfiebern? Was möchte Smith überhaupt? Hat er uns etwas Wichtiges mitzuteilen – vielleicht über Sex, Religion, Politik? Ja, der Regisseur teilt uns zwischen wildem Geballer, Predigten und witzlosen Späßchen (die aber vermutlich witzig gemeint waren) etwas mit. Bestimmt ist das auch irgendwo wichtig. Nur „Red State“ ist nicht so wichtig, als dass man ihn für die Vermittlung dieser Botschaft unbedingt bräuchte.

Wer kennt das nicht: Ein kleines Kind kommt von der Schule nach Hause und hat dort gerade etwas Interessantes gelernt. Sagen wir, über Elefanten: „Mama! Papa! Elefanten sind voll groß! Und die können ungefähr so alt werden wie wir! Außerdem sind das Landtiere! Und fressen tun die nur Pflanzen!“ Obwohl Mama und Papa das zwar alles schon wissen und eigentlich etwas anderes zu tun hätten, hören sie dem – sagen wir – kleinen Kevin aufmerksam zu. Sie wollen ja, dass aus ihm irgendwann mal ein smarter junger Mann wird. Dieser Kevin könnte gut mit Nachnamen Smith heissen und aus Red Bank, New Jersey, stammen. Nur, dass er inzwischen ein erfolgreicher Filmregisseur ist, der sich seine kindliche Begeisterung für einfache Dinge bewahrt hat und diese nun mit Hilfe seiner Arbeit geschickt auf seine gewillten Jünger überträgt – nicht ganz unähnlich, wie sein Abin Cooper seine Anhänger durch großmäulige Predigten bei der Stange hält. Smith hat sich zuvor stets in seinem ureigenen Komödien/Dramen-Garten herumgetrieben und sollte in Zukunft besser die Finger von den Früchten seiner Nachbarn Horror und Politthriller lassen. „Red State“ ist als homogenes Gesamtwerk eine echte Enttäuschung, die sich fast wie ein Unfall anfühlt. Unterhaltsam ist er dennoch. Nur nicht witzig…aber das hatten wir ja schon.

 

Kritik im Original erschienen bei mannbeisstfilm.de


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