Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger (2012)

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Life of Pi, USA/RC 2012 • 127 Min • Regie: Ang Lee • Mit: Suraj Sharma, Irrfan Khan, Rafe Spall, Gérard Depardieu • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 26.12.2012 • Deutsche Website

Handlung

Piscine Molitor Patel (Irrfan Khan), von allen nur Pi genannt, ist ein Mann Mitte 40, der ein ruhiges und unauffälliges Leben in Montreal führt. Einem Autor, der auf der Suche nach einer guten Geschichte auf Pi stößt, erzählt er eine schier unglaubliche Begebenheit aus seiner Jugend. Nach einer glücklichen Kindheit in Pondicherry in Französisch-Indien, in der er mit verschiedenen Religionen in Berührung kommt, beschließt seine Familie nach Kanada umzusiedeln. Der familienbetriebene Zoo wird aufgelöst und die Familie begibt sich samt Tieren, die später verkauft werden sollen,  auf einem japanischen Frachter gen Nordamerika. Doch bei einem heftigen Sturm passiert das Unfassbare. Der Frachter kentert, alle an Bord werden von der Tiefe des Ozeans verschlungen. Nur der 16-jährige Pi (Suraj Sharma) kann sich in letzter Sekunde in ein Rettungsboot retten. Kaum wird ihm der Verlust seiner ganzen Familie bewusst, merkt er auch, dass er in seinem Rettungsboot nicht alleine ist. Neben einem verletzten Zebra und einem Orang-Utan hat es auch der bengalische Tiger Richard Parker ins Boot geschafft. Nachdem die ersten beiden Tiere schnell zum Futter für den Tiger werden, beginnt für Pi eine unglaubliche Odyssee mit einem gefährlichen und ständig hungrigen Gefährten.

Kritik

LoP1Die Zeiten, in denen nahezu jeder Film mit dem 3D-Siegel das Publikum faszinieren konnte, sind vorbei. Da heutzutage scheinbar jeder zweite größere Film stereoskopisch daherkommt, aber nur ein Bruchteil davon den Aufpreis wirklich wert ist und die Technik sinnbringend einsetzt, ist es kein Wunder, dass viele dem 3D vorwerfen, lediglich ein nutzloses Gimmick zu sein. Auch wenn das häufig stimmt, beweist Ang Lee mit Life of Pi – Schiffbruch des Tigers eindrucksvoll, dass es nicht grundsätzlich der Fall sein muss. Wie schon Martin Scorsese in Hugo Cabret, bindet er von der ersten Filmminute an  das 3D  gekonnt in den Film und seine Geschichte hinein. Sind die Szenen auf dem Land in 3D bereits schön anzusehen, so nimmt das ganze völlig andere Ausmaße an, wenn Pi und Richard Parker auf hoher See festsitzen. Im Zusammenspiel der 3D-Magie, der wundervollen Kameraarbeit von Claudio  Mirando und dem für die visuellen Effekte verantwortlichen Team (welches jetzt schon die Oscar-Reden vorbereiten sollte) entstehen hier Bilder, die man sonst in keinem anderen Film dieses Jahr gesehen hat. Mal furios und wild während des Schiffuntergangs, der den Untergang der Titanic in James Camerons Film wie einen erholsamen Spaziergang aussehen lässt, mal aber auch verträumt poetisch, wenn Ang Lee im stillen Wasser des Ozeans ein exaktes Spiegelbild des Himmels entstehen lässt – hier wird keine Gelegenheit ausgelassen, um den Zuschauer immer wieder aufs Neue über die Entwicklungen der Technik in den letzten Jahren staunen zu lassen. Fest steht, dass Life of Pi neben Hugo Cabret und Avatar zu den besten Vertretern der neuen 3D-Generation gehört. Die Verfilmung dieses Bestsellers von Yann Martel ist bereits seit 2003 in Planung, doch zu der Zeit wäre ein solcher Film einfach technisch nicht zu bewerkstelligen gewesen. Dazu gehört auch die Erschaffung von Richard Parker. Der Tiger sieht so lebensecht aus, dass es schier unmöglich ist zu sagen, in welchen Szenen man mit einem echten Tier gearbeitet hat (was tatsächlich zum Teil der Fall war) und wann wir lediglich ein digitales Abbild sehen.

LoP2Das visuelle Feuerwerk dient hier allerdings auch nicht dem Selbstzweck, sondern fügt sich in die mit Symbolen und Metaphern gespickte Geschichte organisch ein. Hier steht die Technik im Dienste der Geschichte und nicht andersherum. Diese ist aber leider nicht so stark, wie die Aspekte, die sie umgeben. Wie schon die Vorlage von Martel, ist Life of Pi eine religiöse Allegorie und eine Fabel über die Kraft des Erzählens. Dies wird durch die Rahmengeschichte des älteren Pi gekonnt auf den Punkt gebracht, doch die Rahmengeschichte unterbricht leider auch zuweilen unangenehm das Hauptgeschehen und zieht einen aus der Abenteuergeschichte heraus. Das größte Problem des Films liegt aber wohl darin, dass bei all der Symbolik und der an sich kraftvollen Erzählung, der Film es nicht schafft, eine emotionale Beziehung zum Zuschauer aufzubauen. Man staunt über die Bilder und ist immer gespannt, wie Pi es schafft, den Zähnen des Tigers zu entgehen. Doch man fühlt mit Pi nicht mit, nicht einmal, nachdem ihn eine so große Tragödie überkommt, bei der seine geliebte Familie stirbt, ohne dass er sich gar von ihr verabschieden konnte. Diese emotionale Distanz bei einer Geschichte, die mit Emotionen geladen sein sollte, führt letztlich auch dazu, dass man den Film weniger als eine involvierende Geschichte sieht, sondern es eher als ein objektiv schönes Kunstwerk betrachtet, zu dem man aber keinen Bezug hat.

Es hilft auch nicht, dass Suraj Sharma zwar für jemanden in seiner allerersten Filmrolle seine Aufgabe ganz gut macht, dabei aber auch eindeutig an seine Grenzen stößt. Während Tom Hanks es in Cast Away – Verschollen über Längen vermochte, die Aufmerksamkeit des Zuschauers mit seinem Charme und seinem intensiven Spiel an sich zu fesseln, gelingt es Sharma leider nicht. Denn wie Hanks muss auch er den Großteil des Films auf seinen Schultern tragen. Da er das nicht durchgehend schafft, entstehen (wie übrigens bei fast allen Filmen von Ang Lee) die eine oder andere Länge. Zum Glück lassen die visuellen Schauwerte das einen kaum merken.

Das Ende des Films (welches dem des Romans treu bleibt) wird mit Sicherheit einige Zuschauer spalten oder gar verwirren. Es ist ein sehr interessanter Ansatz, doch seine Erklärung und die Einbindung in die Allegorie des Films wirkt dann vielleicht doch ein bisschen zu dick aufgetragen. Lobenswert ist aber, dass der Film sicherlich viel Stoff für Diskussion liefern wird und sowohl als ein philosophisch anregender Film aber auch als eine gut gemachte Abenteuergeschichte genossen werden kann.

Fazit

Life of Pi leidet an einigen Längen und kann den Zuschauer nicht über seine gesamte Laufzeit emotional fesseln, doch atemberaubende Bildkompositionen und der geniale Einsatz von 3D-Effekten sind definitiv einen Kinobesuch wert.

Trailer