Jack Reacher: Kein Weg zurück (2016) Kritik

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Jack Reacher Kein Weg zurück (2016) Filmkritik

Jack Reacher: Never Go Back, USA 2016 • 118 Min • Regie: Edward Zwick • Mit: Tom Cruise, Cobie Smulders, Danika Yarosh, Robert Knepper • FSK: n.n.b. • Kinostart: 10.11.2016 • Deutsche Website

Handlung

Nachdem der ehemalige Militärpolizist und für die Gerechtigkeit kämpfende Vagabund Jack Reacher (Tom Cruise) der Vorgesetzten seiner alten Einheit, Major Susan Turner (Cobie Smulders), aus der Ferne dabei geholfen hat, einen Menschenhändler-Ring zu zerschlagen, macht er sich auf den Weg nach Washington D.C., um sie endlich persönlich kennenzulernen und ein Blind Date abzustauben. Bei seiner Ankunft staunt Reacher nicht schlecht, als er in ihrem Büro stattdessen Colonel Morgan (Holt McCallany) vorfindet, der ihn darüber aufklärt, dass Major Turner wegen Spionageverdachts verhaftet wurde. Da Reacher stets einen sechsten Sinn für die Wahrheit hat, glaubt er keine Sekunde an ihre Schuld und stellt eigene Recherchen an, wodurch auch er ins Kreuzfeuer eines dubiosen privaten Militärunternehmens mit weit reichenden Verbindungen gerät. Zu allem Überfluss soll Reacher auch der Vater der kleinkriminellen Teenagerin Samantha (Danika Yarosh) sein. Schon bald sind Reacher, Turner und Samantha auf der Flucht vor kaltblütigen Killern, während sie versuchen, herauszufinden, weshalb Turner aus dem Weg geräumt werden sollte und wer die beiden Soldaten getötet hat, die sie nur kurze Zeit vor ihrer Verhaftung nach Afghanistan entsandte, um Untersuchungen über das besagte Militärunternehmen anzustellen.

Kritik

Jack Reacher Kein Weg zurück (2016) Filmbild 1Trotz des Zusatztitels Kein Weg zurück findet Tom Cruise als Lee Childs unfehlbarer Romanheld Jack Reacher seinen Weg zurück auf die Leinwände, doch seinem zweiten Auftritt fehlen der Elan, die Rasanz und die auf die Essenz reduzierte Inszenierung des Vorgängers. Bevor Jack Reacher im Januar 2013 das neue Kinojahr einläutete, waren die Erwartungen an den Actionthriller verhältnismäßig niedrig. Davon abgesehen, dass Tom Cruise nicht im Entferntesten der in den Romanen beschriebenen Physis des 1,96 m großen und über 100 Kilo schweren Reacher entsprach, wirkte der Film von seinem nichtssagenden Titel bis zu seiner faden Vermarktung wie ein Actionthriller von der Stange, den man normalerweise in der Videothek (damals gab es noch Videotheken!) unter den Neuerscheinungen von Steven Seagal oder Dolph Lundgren erwarten würde. Umso angenehmer war die spätere Überraschung, dass der so generisch aussehende Film sich als ein grundsolider, geerdeter und von Christopher McQuarrie sehr dicht inszenierter Actionthriller entpuppte. Hochwertige, aber nicht auf Spektakel zugeschnittene Actionfilme wie Jack Reacher sieht man heutzutage nur noch selten im Kino und der Film war eine erfrischende Abwechslung zu den Blockbustern, bei denen jede Actionsequenz die vorherige an Opulenz und Maßstab zu überbieten versucht. Zudem zeigte Cruise in der Rolle wieder einmal, weshalb er einst zum größten Star Hollywoods aufgestiegen ist. Alles, was seinem Reacher an äußerer Ähnlichkeit zur Romanfigur fehlte, machte er mit immenser, körperlicher Ausstrahlung wieder wett. Wenn Jack Reacher im Film gesagt hat, dass man sich lieber nicht mit ihm anlegen sollte, hat man es ihm sofort abgenommen.

Viel häufiger kommt es eigentlich vor, dass ein Film spektakulär vermarktet wird, das Endprodukt sich aber kaum von vergleichbaren Streifen unterscheidet. Jack Reacher bewies, dass einer generischen Werbekampagne ein wirklich guter Film folgen kann. Auch der Filmtitel und die Werbekampagne des Sequels sehen nach Fließbandware aus und leider ist der Film selbst diesmal genau so uninspiriert und schwunglos, wie viele es beim ersten Teil befürchtet haben. Jack Reacher: Kein Weg zurück ist kein schlechter Film. Er ist kurzweilig genug für knapp zwei Stunden anspruchslosen Eskapismus, den man am besten in den eigenen vier Wänden an einem faulen Sonntagabend genießt, langfristig jedoch genau so wenig einprägsam wie die Direct-to-DVD-Produktionen der Herren Lundgren, Cage oder Van Damme.

Jack Reacher Kein Weg zurück (2016) Filmbild 2Regisseur Edward Zwick, der die Zügel von McQuarrie übernahm, hat mit Filmen wie Last Samurai (auch mit Tom Cruise) und Blood Diamond mehr als ausreichend bewiesen, dass er sein Handwerk besteht und die in der Regel komplexen männlichen Hauptfiguren seiner Filme gut in Szene setzen kann. Seiner Regie bei Jack Reacher: Kein Weg sind keine groben Schnitzer vorzuwerfen. Sie ist solide, routiniert, entbehrt jedoch jeglichen individuellen Fingerabdrucks des Regisseurs. Vielleicht ist Jack Reacher als Figur einfach zu makellos und zu eintönig für seine Sensibilitäten, weshalb der Film der Figur quasi eine Familie wider Willen auf den Hals zwingt. Jedoch erweist sich gerade diese Entscheidung als fehlgeleitet, denn die zielgerichtete, brutale Effizienz des Einzelgängers Reacher machte einen Teil seiner Faszination im ersten Film aus. Durch die Bürde von Begleitern, nimmt man der Figur etwas von ihrem Biss. Das liegt nicht an den jeweiligen Darstellern. Als Frau, die sich ihr Leben lang in einer Männerwelt behaupten musste, ist Smulders’ Turner ein gutes Gegenstück zu Reacher und macht sich in den Actionszenen, die ihr in den Marvel-Filmen leider bislang verwehrt geblieben sind, sehr gut. Auch Danika Yarosh ("Heroes: Reborn") als aufmüpfige, unangepasste Teenagerin ist sympathisch. Doch der Film macht wenig aus den beiden Rollen, sodass sie letztlich nur davon ablenken, was man eigentlich sehen möchte: Jack Reacher, der die bösen Jungs aufmischt.

Leider gibt es an der Schurkenfront noch weniger Positives zu berichten. Jack Reacher verkloppt viele austauschbare Söldner, von denen einer ganz besonders stark, fies und unsympathisch ist (Patrick Heusinger), doch weder er noch die von Robert Knepper gespielte Karikatur des bösen Big Boss können mit der exzentrischen, aber gelungenen Besetzung von Werner Herzog im Originalfilm oder sogar mit Jai Courteneys eiskaltem Killer mithalten. Ich hätte nicht gedacht, dass eines Tages der Moment kommen würde, in dem ich Jai Courteney vermissen würde, aber man wird immer wieder eines Besseren belehrt. Was dem Film im Gegensatz zum Vorgänger auch fehlt, sind schauspielerische Schwergewichte wie Robert Duvall und Richard Jenkins, die ihm mehr Gravitas verliehen.

Jack Reacher Kein Weg zurück (2016) Filmbild 3Abgerundet wird dieses mittelmäßige Erlebnis durch ein Drehbuch, das den Anschein erweckt, Mitte der Neunziger geschrieben worden zu sein. Von einem Film wie diesen erwartet man kein oscarreifes Drehbuch, aber wenn man die meisten Dialogzeilen der in Plattitüden und One-Linern sprechenden Charaktere immer wieder vorausahnen kann, bevor sie überhaupt ausgesprochen werden, dann merkt man, dass der Film drumherum einen einfach nicht genug in seinen Bann zieht, dass einem solche Mängel auffallen. Gleiches gilt auch für die zahlreichen, zum Teil gravierenden Logikbrüche. Viele der besten Blockbuster der letzten Jahre (wie Skyfall oder The Dark Knight) haben auch solche Momente; der Unterschied ist, dass die Inszenierung so gut ist, dass einem die Ungereimtheiten häufig erst hinterher auffallen. Wenn man sich bereits während des Films damit ablenkt, darüber nachzudenken, weshalb Smulders’ Charakter aus bester Schussposition den Bösewicht nicht tötet, der kurz davor ist, Reacher den Garaus zu machen, dann hat der Film ein Problem.

Jack Reacher Kein Weg zurück (2016) Filmbild 4Fans von kompetenter Actionunterhaltung oder von Lee Childs Romanen (die für sich akzeptieren konnten, dass Cruise optisch der Vorlage nicht entspricht) sollten bei Jack Reacher: Kein Weg zurück dennoch auf ihre Kosten kommen. Es gibt zwar keine so einprägsamen Momente wie den Scharfschützenangriff aus der Eröffnungssequenz des ersten Films oder dessen rasante Autoverfolgungsjagd, doch die virtuos inszenierte Verfolgungsjagd durch die Halloween-Parade in New Orleans versprüht die Energie, die sich in dem Film sonst häufig vermissen lässt, und die Nahkampfszenen mit Tom Cruise haben die gleiche brutale Effizienz und Präzision wie im Vorgänger. Der stets zuverlässige Cruise ist der Rettungsring des Films. Er knurrt, rennt, springt, stürzt, teilt aus und steckt ein, was das Zeug hält, und seine sehr souveräne, subtil bedrohliche Ausstrahlung ("You are very intense", stellt seine Vielleicht-Filmtochter in einer Szene treffend fest)  macht ihn wieder einmal zur überraschend perfekten Besetzung für Reacher. Es ist nur schade, dass Cruise als Produzent des Films für seine allererste Fortsetzung außerhalb der Mission: Impossible-Reihe einen so durchschnittlichen, anonymen Film abgenickt hat. Wenn Jack Reacher nach seinem zweiten Film keinen Weg mehr zurück in die Kinos findet, könnte ich damit gut leben. Auf die neue Mission von Ethan Hunt freue ich mich hingegen sehr.

Fazit

Jack Reacher: Kein Weg zurück ist ein routiniert, aber auch ausdruckslos inszenierter Actionthriller vom Fließband, den auch die souverän agierenden Tom Cruise und Cobie Smulders kaum über den Durchschnitt heben können. Mit seiner simplen Verschwörungsgeschichte, austauschbaren, fies dreinblickenden Schurken und Dialogen, die zur Hälfte aus Plattitüden bestehen, wirkt der Film wie ein Relikt aus den Neunzigern: kurzweilig genug, um keine Zeitverschwendung zu sein, jedoch ohne jegliche Alleinstellungsmerkmale, die ihn aus der grauen Masse ähnlicher Streifen herausragen lassen.

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