Fast & Furious 8 (2017) Kritik

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Fast and Furious 8 (2017) Filmkritik

The Fate of the Furious, USA 2017 • 136 Min • Regie: F. Gary Gray • Mit: Vin Diesel, Dwayne Johnson, Charlize Theron, Michelle Rodriguez, Tyrese Gibson, Ludacris, Kurt Russell, Nathalie Emmanuel • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 12.04.2017 • Deutsche Website

Handlung

Es ist etwas Ruhe in die Leben von Dominic Toretto (Vin Diesel) und seiner Crew von gutherzigen (Ex-)Kriminellen eingekehrt. Ihr Erzfeind Deckard Shaw (Jason Statham) sitzt hinter Gittern, ihre Vorstrafenregister wurden als Gegenleistung für ihre Dienste für die Regierung gelöscht und Brian und Mia haben sich vom Draufgänger-Leben in den wohlverdienten Ruhestand zurückgezogen. Endlich kann Dom seine Flitterwochen mit Letty (Michelle Rodriguez) auf Kuba nachzuholen, wo er auch die Gelegenheit nutzt, wieder mal an einem Straßenrennen teilzunehmen. Sogar über Nachwuchs wird nachgedacht. Doch die romantische Idylle währt nicht lange. Die mysteriöse Cyber-Kriminelle Cipher (Charlize Theron) tritt in Doms Leben und hat dabei etwas gegen ihn in der Hand, das ihn zu ihrer Marionette werden lässt. Als Luke Hobbs (Dwayne Johnson) Doms Team für eine neue Top-Secret-Mission zusammentrommelt, bei der eine mächtige Waffe sichergestellt werden soll, fällt Dom seiner Familie in den Rücken und macht sich mit der besagten Waffe aus dem Staub. Fortan muss er für Cipher widerwillig ihre Drecksarbeit erledigen. Doms Team hat keine andere Wahl, als gemeinsam mit Hobbs und Mr. Nobody (Kurt Russell) gegen ihren ehemaligen Anführer anzutreten, doch Cipher und Dom scheinen ihnen stets zwei Schritte voraus zu sein. Um Dom aus den Fängen der skrupellosen Verbrecherin zu befreien, muss sich die Outlaw-Familie mit Deckard verbünden, der eine eigene Rechnung mit Cipher offen hat.

Kritik

Fast and Furious 8 (2017) Filmbild 1Die meisten Fans des Neunziger-Actionkinos oder von Edgar Wrights Hot Fuzz (wobei es vermutlich große Überschneidungen zwischen beiden Gruppen gibt) kennen das Ende von Kathryn Bigelows Surfer-Actionfilm Gefährliche Brandung: anstatt ihn festzunehmen, lässt Johnny Utah (Keanu Reeves) Patrick Swayzes Bankräuber Bodhi in seinen Tod surfen. Doch was wäre, wenn Bodhi überlebt hätte und untergetaucht wäre? Was wäre, wenn er einige Jahre später gemeinsam mit Utah und einer Truppe von leidenschaftlichen Surfern um die Welt reisen und im Mission: Impossible-Stil die Pläne von gefährlichen Verbrechern durchkreuzen würde? Das klingt vielleicht zunächst einmal nach der bescheuertsten Filmidee seit die Trash-Schmiede The Asylum Hai-Tornados auf die Menschheit losgelassen hat und doch wirkte genau diese seltsame Entwicklung für die Fast-&-Furious-Reihe wahre Wunder. Diese begann vor 16 Jahren als ein schamloser Verschnitt von Bigelows Kultfilm mit Paul Walker in Reeves’ Rolle und Vin Diesel als Adrenalinjunkie Dom in Swayzes Part. Für "Pimp My Ride"-Begeisterte und Fans von illegalen Straßenrennen sind die ersten drei Filme der Reihe vermutlich die klaren Favoriten, doch seien wir mal ehrlich – dieses begrenzte Thema fährt sich schnell tot.

Fast and Furious 8 (2017) Filmbild 2So schien die Reihe mit Tokyo Drift kurz vor ihrem Ende oder dem Abdriften in den Direct-to-DVD-Markt zu stehen. Zum Glück sahen Regisseur Justin Lin und Drehbuchautor Chris Morgan das schnell ein und legten eine Kehrtwende ein, die bei einem fortlaufenden Blockbuster-Franchise möglicherweise einzigartig ist. Zunächst einmal wurde im (ansonsten weitgehend öden) vierten Film das Fundament für eine Wiedergeburt gelegt, indem die Stars des ersten Films endlich wieder versammelt wurden. Mit Fast and Furious Five wurde dann die Formel gänzlich neu erfunden. Straßenrennen sind bestenfalls zur Nebensache verkommen und wurden durch waghalsige Missionen in Teamarbeit ersetzt. Die Krönung war dabei Franchise-Neuzugang Dwayne Johnson, der aus der Reihe mittlerweile genau so wenig wegzudenken ist wie Vin Diesel. Wer auf heiße Schlitten, fette Beats, scharfe Chicas und harte Kerle steht, wurde weiterhin gut bedient, doch die Reihe befreite sich aus der Nische des Underground-Racings und machte aus ihrem übertriebenen Machismo und der Over-the-Top-Action eine Tugend. Autos rasen nicht mehr einfach um die Wette gegeneinander, sondern werden von Flugzeugen mit Fallschirmen abgeworfen, jagen in schwindelerregender Höhe von Wolkenkratzer zu Wolkenkratzer oder liefern sich Rennen mit einem Panzer oder einem atomaren U-Boot. Fast & Furious 8 beantwortet effektiv die Frage, wie ein Film wie Sharknado aussehen könnte, wenn er bessere Schauspieler, einen kompetenten Regisseur und ein Budget von mehr als $200 Millionen gehabt hätte. Wie bei der Sichtung von Sharknado haben auch hier drei Bier (die bereits zur Filmmitte leer waren) meinen Filmgenuss erheblich gesteigert. Und das meinte ich als ein großes Kompliment.

Fast and Furious 8 (2017) Filmbild 3F. Gary Gray (Straight Outta Compton) übernahm bei Fast & Furious 8 die Regie von James Wan, doch wie sein Vorgänger änderte auch er zum Glück nichts am Erfolgsrezept von Lin und Morgan. Wer die letzten Filme aus der Reihe gesehen hat, weiß, worauf er sich einlässt. Bereits in der Eröffnungssequenz, in der Dom eine schrottreife Karre u. a. unter Zuhilfenahme eines Cola-Dosen-Verschlusses (MacGyver wäre stolz auf ihn) zu einem schnellen Flitzer umrüstet und sich damit ein buchstäblich feuriges Rennen durch die Straßen von Havanna liefert, wird man daran erinnert, dass diese Filme nicht in unserer Realität spielen, sondern in einer parallelen Fantasiewelt. In dieser ist die Polizei gegen illegale Raser ohnmächtig, alle Frauen haben Modelmaße und legen bei ihrer Kleiderwahl nicht viel Wert auf Stoff, es gibt noch echte Gangster-Ehre und gutmütige Kriminelle in schnellen Autos sind der letzte Schutzwall der Menschheit gegen wahnsinnige Verbrecher. Im Prinzip erfordert der Film eine ähnliche Aussetzung des Realitätschecks und des gesunden Menschenverstands wie die John-Wick-Actiongranaten. Es wird Zuschauer geben, die die Abgedrehtheit des Films als völligen Quark abtun werden, und wiederum andere, die seine comichafte Actionsequenzen völlig ernst für den coolsten Shit überhaupt halten werden. Dabei ist das Augenzwinkern im nahezu gesamten Film bereits so präsent, dass er endgültig die Grenze zu einer waschechten, um ihrer eigenen Albernheit bewussten und deshalb auch verdammt unterhaltsamen Actionkomödie überschreitet, und zwar so sehr, dass sich die wenigen ernüchternd düsteren Momente (hauptsächlich rund um Vin Diesels Dom) wie unangenehme Fremdkörper anfühlen. Am besten bleibt der Film eben, wenn er seiner eigenen Absurdität frönt und das tut er zum Glück die meiste Zeit über.

Fast and Furious 8 (2017) Filmbild 4Auch wenn man irrwitzige Stunts und Actioneinlagen aus den Vorgängern gewohnt ist, bringt Fast & Furious 8 sein Actionspektakel auf ein neues Level, sei es in der oben erwähnten U-Boot-gegen-Autos-Sequenz oder aber auch in Szenen, in denen eine riesige Abrissbirne durch deutsche Polizeiautos fegt oder eine Armada aus ferngesteuerten Autos die Straßen von Manhattan in Schutt und Asche legt und dabei das Ende von Blues Brothers wie eine Szene aus Ein toller Käfer (OT: Herbie) aussehen lässt. Hier werden keine kleinen Brötchen gebacken. Mit Kleinigkeiten wie Kollateralschäden hält sich Fast & Furious 8 natürlich nicht auf, denn wo wäre der Spaß, wenn man darüber nachdenken müsste, wie viele Menschenleben Doms Crew mittlerweile auf dem Gewissen hat? Da hier sowieso nicht nach unseren Gesetzen der Physik gespielt wird, überleben vielleicht auch Unbeteiligte die schlimmsten Karambolagen. Weil….warum nicht?!

Fast and Furious 8 (2017) Filmbild 5Doch über all der Action, den Stunts und der Coolness, wurde ein weiterer Aspekt der Reihe immer wichtiger und essentiell für ihre große Fangemeinde: Familienzusammenhalt. Gerade der tragische Tod von Paul Walker während der Dreharbeiten zum siebten Film hat diesen verdeutlicht und bestärkt. Thema Familie spielt in Fast & Furious 8 eine noch größere Rolle als je zuvor, und zwar in vielfacher (teilweise überraschender) Hinsicht. Mehr darüber zu verraten, würde einen direkt ins Spoiler-Territorium bringen, doch es sei an dieser Stelle gesagt, dass der Film gutes Vorwissen, zumindest was die letzten beiden Teile betrifft, voraussetzt, weil diverse Handlungsfäden wieder aufgegriffen werden. Das gilt bis zu einem gewissen Grad auch für Charlize Therons neue Schurkin. Leider wird das Talent der Oscarpreisträgerin im Film nicht ausreichend angezapft und sie tut wenig mehr, als Vin Diesel Befehle zu erteilen, ihm zu drohen oder Knöpfe zu drücken. Ebenso verschwendet ist leider (wieder einmal) der Auftritt von Kurt Russell, der bis auf wenige coole Sprüche nichts zu tun hat. Hoffentlich weiß Guardians of the Galaxy Vol. 2 mehr mit ihm anzufangen. Sein neuer Assistent, gespielt von Scott Eastwood, soll hier möglicherweise auf lange Sicht die von Paul Walker hinterlassene Lücke als anfangs vorschriftentreuer, weißer Sonnyboy der Truppe füllen, bleibt aber leider sehr blass. Sogar Helen Mirren kann in ihrem kurzen Cameo mehr reißen und lässt sehr auf einen längeren Auftritt im neunten Film hoffen. Vielleicht wird dieser dann auch Lucas Black zurückbringen, der diesmal wieder aussitzen durfte, vermutlich weil die Macher immer noch nicht wissen, wie zu erklären ist, dass sein 17-jähriger Charakter aus Tokyo Drift kurze Zeit nach den Ereignissen von jenem Film plötzlich 20 Jahre älter aussieht.

Fast and Furious 8 (2017) Filmbild 6Da auf Vin Diesels Dom diesmal die meisten dramatischen Momente des Films entfallen und er über die meiste Laufzeit von seinem Team getrennt ist, bleibt der größte Spaß-Anteil hauptsächlich bei Dwayne Johnson und Jason Statham hängen, die in jeder Szene zu begeistern wissen. Wenn die beiden gemeinsam zu sehen sind, könnte man meinen, dass sich das Testosteron förmlich auf der Leinwand kondensiert. Das bringt mich jedoch auch zum vermutlich größten Problem des Films. Die Fast-&-Furious-Reihe legt zwar keinen großen Wert auf Logik oder Realismus, jedoch auf interne Konsistenz. Und innerhalb dieser fällt es schwer, darüber hinwegzusehen, dass Jason Stathams Deckard mit Han (Sung Kang) ein Mitglied von Doms Familie getötet hat (ganz zu schweigen von seinem Krankenhaus-Massaker zu Beginn von Fast & Furious 7). So schnell wie Deckard jedoch in Doms Team integriert wird und aus dem Schwanzvergleich zwischen Hobbs und ihm eine Bromance aufflammt, wird dieser Umstand in Fast & Furious 8 geflissentlich ignoriert, als hätte es Han nie gegeben. Aus einem Oberbösewicht wird ein sympathischer, charismatischer Antiheld. Das stört etwas, aber wenn das der Preis ist für Stathams dauerhafte Präsenz in der Reihe und für den verbalen Schlagabtausch zwischen Johnson und ihm, dann nehme ich ihn in Kauf.

Fazit

"Es ist der beste achte Film einer Reihe, den ich kenne", meinte ein Freund nach der Vorführung, woraufhin ich ihn prompt an Star Trek: Der erste Kontakt erinnerte. Es ist dennoch mehr als beachtlich, dass eine Reihe, die viele vor zehn Jahren bereits abgeschrieben haben und die sich dann entgegen allen Erwartungen erfolgreich neu erfinden konnte, ihre Formel mit dem achten und bislang besten Teil perfektioniert.

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