Fantasy Filmfest Nights 2015 – Tag 1

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Fantasy Filmfest Nights 2015 Tag 1

Liebe Filmfutter-Fans,

es geht los! Wir beginnen abermals mit unserem alljährlichen Tagebuch zu den Fantasy Filmfest Nights, dem Frühjahr-Ableger des großen Festivals im Sommer. Haben wir letzten Sommer noch 12 Tage lang vom Festival berichtet, wird’s diesmal kurz und knackig. Auf dem 2-Tages-Programm stehen neun Filme. Die Eindrücke am ersten Tag: gemischt. Es fing überraschend stark an, doch es war auch der frühe Höhepunkt des Tages, nach dem es unaufhaltsam nach unten ging, bis der Tag mit einem (wenig überraschenden) Reinfall beendet wurde. Unten stelle ich die vier gesehenen Filme mit Kurzkritiken im Einzelnen vor.

TAG 1

Cub

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Fantasy Filmfest Nights 2015 Tag 1 Cub KurzkritikDie Franzosen haben es mit ihrer Horrorwelle im letzten Jahrzehnt eindrucksvoll vorgemacht und nun zeigen auch die Belgier, dass sie ihren gallischen Nachbarn in nichts nachstehen. Cub machte mich ein wenig traurig. Nicht weil er enttäuschend oder gar schlecht war. Im Gegenteil, er war die vielleicht positivste Überraschung der diesjährigen Fantasy Filmfest Nights. Nein, der Film machte mich ein traurig, weil während ich ihn genoss, mir bewusst wurde, dass ein solcher Film nie aus Deutschland kommen würde. Dabei gibt es eigentlich nichts, was dies verhindern sollte. Horrorfans gibt es bei uns zuhauf, besonders üppig dürfte das Budget das Films nicht gewesen sein und es gibt darin nichts, aber auch rein gar nichts, was nicht theoretisch auch bei uns hätte gemacht werden können. Dennoch ist mir bewusst, dass ein so unterhaltsamer und durchaus auf dem Niveau seiner englischsprachigen Vorbilder inszenierter Streifen einfach keine deutsche Produktion sein könnte. Aber vielleicht ist es auch einfach ein Teufelskreis und es sind Gedanken wie die meinen, die Filmemacher davon abhalten, ein Projekt wie dieses zu wagen.

Cub ist beileibe nicht originell, was seine Handlung betrifft und das will er auch nicht sein. Ein wenig High Tension hier, ein wenig Wilderness da – die Vorbilder waren bei der Zutatensuche klar, doch das fertige Gericht hat trotzdem eine eigene Geschmacksnote. Die Handlung ist schnell erzählt. Eine Pfadfindertruppe fährt in den Wald, die nicht sonderlich verantwortungsbewussten erwachsenen Leiter erzählen die Lagerfeuer-Legende vom Werwolfjungen Kai und schon bald fließt Blut. Doch lasst Euch vom Titel nicht in die Irre führen – Werwölfe gibt es in Cub nicht. Der Horror ist real und macht weder vor Kindern noch vor Tieren halt. Freunde von ausgeklügelten Todesfallen à la Final Destination kommen hier auf ihre Kosten. Erfrischend ist auch, dass bei einem Horrorfilm wie diesem der Fokus voll und ganz auf den Kindern liegt. Bei Kinderdarstellern ist es ein Risiko und tatsächlich sind die meisten kindlichen Figuren lediglich eindimensionale Abziehbilder (mobbende Kids, ein nerdiger, netter Brillenträger). Doch zum Glück überzeugt Maurice Luijtens als Sonderling Sam sogar in etwas psychologisch fragwürdigen Momenten des Films. Beim letzten Fantasy Filmfest hat Among the Living sich als eine Hommage an Stephen King und die Mystery- und Gruselfilme der Achtziger versucht, in denen Kinder stets im Mittelpunkt standen. Gelang das dem französischen Film lediglich in seiner ersten Hälfte, funktioniert Cub wunderbar über seine gesamte Laufzeit, bei der die Spannung langsam, aber sicher aufgebaut wird und bis zum Ende nicht nachlässt.

Darüber hinaus lässt sich aber auch eine ganz besondere länderspezifische Komponente dem Film abgewinnen, die einen daran erinnert, dass Belgien ein zweigeteiltes Land ist. Dass die Filmemacher nicht gerade frankophil sind, lässt sich nämlich schwer leugnen. Es gibt insgesamt vier Frankobelgier in Cub: zwei Jogginganzug-tragende Assis, einen pummeligen, unfähigen Polizisten und, ähm, den Killer. Ob das eine Aussage in sich trägt, könnt Ihr selbst entscheiden. 4/5

Automata

Fantasy Filmfest Nights 2015 Tag 1 Automata KurzkritikRoboter und künstliche Intelligenz faszinieren Filmemacher und Kinogänger seit den Anfängen des Kinos. Von Maria aus Fritz Langs Metropolis über den Terminator und die Replikanten von Blade Runner bis zu den Hubots aus der schwedischen Serie "Real Humans" oder Chappie aus dem gleichnamigen Film von Neill Blomkamp, der aktuell in unseren Kinos läuft, hat die Vorstellung einer Maschine mit eigenem Bewusstsein die Menschen seit jeher gleichermaßen fasziniert und beängstigt. Entgegen den Vorhersagen von Sci-Fi-Filmen der Siebziger und Achtziger leben wir immer noch nicht in einer Gesellschaft, in der Roboter im Alltag gang und gäbe sind, obgleich künstliche Intelligenz und Computer enorme Fortschritte gemacht haben. Vielleicht ist das gerade der Grund, weshalb diese Faszination noch immer existiert und es aktuell eine neue Welle an Roboter-Filmen gibt. Da ist neben Chappie auch Alex Garlands Ex Machina, der noch dieses Jahr in die Kinos kommt. Steven Spielberg arbeitet immer noch an Robopocalypse und auch der Terminator kündigt seinen fünften Kinobesuch an. In die gleiche Kerbe schlägt auch Automata, ein Film des Spaniers Gabe Ibáñez (Hierro – Insel der Angst), doch leider fügt er diesem Subgenre auch rein gar nichts Neues hinzu und wandelt auf ausgetretenen Pfaden, ohne dabei besonders aufregend oder spannend zu sein.

Im Jahre 2044 ist die Erde eine radioaktive Wüste, nachdem Sonneneruptionen sie verbrannt und 99,7% der Menschheit dahingerafft haben. Der Rest lebt in deprimierenden, von der Sonnenstrahlung kläglich geschützten Städten, dessen Design durchaus an Blade Runner erinnert. Die alltäglichen Dinge und stumpfe Arbeiten werden von den Automatas verrichtet, Robotern, die von der ROC Corporation erstellt werden. Damit diese nicht auf die Idee kommen, die Weltherrschaft zu übernehmen, schnitt man sich eine Scheibe von Asimov ab und stattete die Maschinenmenschen mit zwei unveränderlichen Sicherheitsprotokollen aus: sie dürfen keinem Lebewesen Schaden zufügen (bzw. müssen Schaden an Lebewesen aktiv verhindern) und sie dürfen keine Änderungen an sich vornehmen (also auch keine Reparaturen). Würden diese Protokolle immer funktionieren, hätten wir natürlich keinen Film, doch das tun sie nicht und so stürzt sich der Versicherungsagent Jacq Vaucan (Antonio Banderas) widerwillig in ein Abenteuer, das den Lauf der Menschheit verändern könnte.  Jedenfalls lässt der Film uns das glauben, doch die Konsequenzen werden einem nie wirklich bewusst und so erscheinen die Handlungen diverser Charaktere, insbesondere derer, die die intelligenten Roboter und Jacq schon bald jagen, als schlicht irrational.

Der Film beschäftigt sich mit den großen Fragen: Was ist das Leben? Ist der Tod wirklich schlimm? Wohin führt uns der Weg auf dieser Erde? Was ist Bewusstsein? Dabei hält er sich sicherlich für außerordentlich intelligent, doch es gibt keine Ansätze hier, mit denen sich nicht bereits andere, bessere Filme ausführlich beschäftigt hätten. So ahnt man eigentlich die ganze Zeit, wohin die Reise führt und die angeblichen Wendungen überraschen wohl nur absolute Genre-Neulinge. Belohnt wird man dafür mit der besten Banderas-Performance seit langer Zeit und einer sehr starken Filmoptik. Bedenkt man, dass hier nur ein Bruchteil des Budgets von Filmen wie Chappie u. ä. zur Verfügung stand, muss man den Hut vor dem Regisseur und dem Effekte-Team ziehen, jedoch nicht vor den Drehbuchautoren, die Tiefe und Charakterentwicklung durch Plattitüden abgedeckt haben wollen.  3/5

A Girl Walks Home Alone at Night

Fantasy Filmfest Nights 2015 Tag 1 A Girl Walks Home KurzkritikBad City ist der bezeichnendste Städtename seit Sin City. Es ist eine gottverlassene iranische Geisterstadt (gedreht wurde in Kalifornien!) mitten im Nirgendwo. Hier lebt Arash (Arash Marandi). Arash hat Träume, doch seine Träume haben in Bad City keine Zukunft. Sein Vater ist heroinsüchtig und beim lokalen Dealer (Dominic Rains), der das Gesetz von Bad City repräsentiert, hoch verschuldet, weshalb Arash kurzerhand seinen geliebten 56er Ford Thunderbird an ihn verliert. Für die junge reiche Frau, in deren Haus der schüchterne und fromme Arash arbeitet, ist er nicht mehr als ein Spielzeug. Doch Arashs Leben wird sich schon bald ändern, denn er trifft ein mysteriöses Mädchen mit Kopftuch (Sheila Vand), das nachts durch die Straßen von Bad City streift und ein neues Gesetz in die Stadt bringt.

Ana Lily Amirpurs Regiedebüt erinnert stark an die Werke von Jim Jarmusch (der sich selbst mit Only Lovers Left Alive kürzlich an Arthouse-Vampiren versucht hat), mit leichten Anflügen von David Lynch. Es ist ein Film, der durch seine einprägsamen, traumähnlichen Schwarzweiß-Bilder und seinen eigenwilligen, aber sehr passenden Soundtrack lebt, doch ähnlich wie bei Jarmuschs letztem Film und im Kontrast zu So finster die Nacht mangelt es hier an der emotionalen Komponente, sodass ich mich als Zuschauer nie wirklich auf die Beziehung zwischen Arash und dem Vampirmädchen einlassen konnte. Da aber abgesehen von dieser Beziehung in dem Film sonst nicht viel passiert, wirkt er trotz der 99-minütigen Laufzeit streckenweise recht zäh. Letzten Endes bleibt der Film für mich ein interessantes Experiment, das mit Sicherheit einige große Anhänger haben wird, doch in den Annalen der Vampirfilm-Geschichte wird er nur eine Fußnote bleiben. Ein Lob geht allerdings an die Filmkatze, den besten Stubentiger in einem Film seit Odysseus in Inside Llewyn Davis3/5

The Lazarus Effect

Eins, zwei, Olivia Wilde kommt vorbei…

Fantasy Filmfest Nights 2015 Tag 1 The Lazarus Effect KurzkritikWissenschaftler sollten nicht Gott spielen und Tote sollte man im Totenreich lassen. Diese bittere Lektion musste bereits Viktor Frankenstein lernen und zahllose Horrorfilme haben sie über die Jahre wiederholt. Die Protagonisten von The Lazarus Effect haben diese Filme scheinbar nicht gesehen, als sie ihr Serum entwickelt haben, mit dessen Hilfe (und einem starken Stromschlag, weil das immer gut ist) Verstorbene zurückgebracht werden können. Hingegen haben Regisseur David Gelb und die Autoren Jeremy Slater und Luke Dawson sehr viele dieser Horrorfilme gesehen, haben sie sich doch scheinbar bei jedem einzelnen davon bedient, als sie The Lazarus Effect zusammengestellt haben. Um ehrlich zu sein, gibt es kaum eine Szene aus dem Film, kaum eine Plotwendung, die nicht einem anderen Genrefilm entrissen scheint. Über eine Hommage geht das weit hinaus, denn hier wird nicht mit den Augen gezwinkert und es wird auch keinem Vorbild gehuldigt. Nein, hier wird schamlos geklaut, was das Zeug hält. Die größte Ironie ist hier unfreiwilliger Natur: The Lazarus Effect entspricht seiner Thematik und ist selbst ein filmisches Frankensteins Monster, das aus Versatzstücken anderer Filme zusammengesetzt wurde. Doch davon funktioniert leider wenig so recht…

Nachdem das Projekt der eingangs genannten Wissenschaftler von der Uni auf Eis gelegt wird und ein Pharmakonzern alle Daten konfisziert, startet die Truppe einen verzweifelten Versuch, das Experiment, mit dessen Hilfe sie einen Hund erfolgreich wiederbelebt haben (dass dieser Hund so "normal" wirkt wie die Katze aus Friedhof der Kuscheltiere wird von ihnen bequem außer Acht gelassen), nachzumachen. Es geht schief, Zoe, die Verlobte des leitenden Wissenschaftlers, stirbt und wird natürlich von ihm prompt zurückgeholt. Ihr habt’s erraten – es war keine gute Idee. Die neue Zoe tritt in die Fußstapfen von Scarlett Johanssons Lucy und entwickelt mit 100% ihrer Hirnkapazität ungeahnte und gefährliche Kräfte, die der Film auch noch pseudo-wissenschaftlich zu erklären versucht. Ab diesem Zeitpunkt bedient sich The Lazarus Effect bei anderen Filmen, was das Zeug hält: Flatliners, Lucy, Friedhof der Kuscheltiere, Re-Animator und sogar Nightmare on Elm Street müssen herhalten, wenn Olivia Wilde durchdreht und ihren Kolllegen den Garaus macht.

Die Besetzung des Films, größtenteils bestehend aus bekannten Serienstars wie Wilde ("Dr. House"), Mark Duplass ("Togetherness"), Evan Peters ("American Horror Story"), Donald Glover ("Community") und Sarah Bolger ("Once Upon a Time"), kann sich sehen lassen und Bolger, an die ich mich noch als kleines und überaus talentiertes Mädchen in Jim Sheridans In America erinnere, macht sich gut als Scream Queen. Auch Ray Wise stattet einen kurzen Besuch ab und holt sich den Scheck, um seinen nächsten Ulruab zu bezahlen. Die Inszenierung ist reiner Hochglanz mit ein wenig mehr CGI-Effekten als nötig. Das größte Problem neben dem Ideenklau ist, wie unspannend das Ganze eigentlich ist. Das liegt primär daran, dass man wirklich jeden einzelnen Jump Scare – und der Film setzt ausschließlich auf diese – im Voraus erahnen kann. Das Licht flackert und man weiß, dann irgendwann plötzlich Olivia Wilde hinter einem der Charaktere steht. Jemand schaut unter den Tisch und man weiß, dass sobald er sich wieder hochrappelt, etwas Böses auf ihn wartet. Schwupps und so kommt es auch. Dass generelle Plotstrukturen in Horrorfilmen vorhersehbar sind, finde ich nicht schlimm. Nicht jeder Genrebeitrag kann das Rad neu erfinden und der Weg kann ja auch das Ziel sein. Wenn aber jeder einzelne Meter dieses Weges ebenfalls einem bekannt vorkommt, dann ist es ein Problem und solche Probleme hat The Lazarus Effect in Massen. Eine vertane Chance.  1,5/5

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Am zweiten Tag der Fantasy Filmfest Nights wird es mit fünf Filmen weitergehen. Dabei sind australische Zombies, spanische Seriekiller, Walrossmenschen, ein italienisches Monstermädchen und ein ungebetener Gast. Schaut vorbei und erfahrt, wie ich Marshland, Spring, Wyrmwood, Tusk und The Guest fand. Eins sei an dieser Stelle verraten: einer der fünf ist das unumstrittene Highlight der diesjährigen FFF Nights gewesen.