Die Piraten! – Ein Haufen merkwürdiger Typen (2012)

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Die Piraten! - Ein Haufen merkwürdiger Typen Kritik

The Pirates! In an Adventure with Scientists!, UK/USA 2012 • 88 Min • Regie: Peter Lord, Jeff Newitt • Mit Originalstimmen von: Hugh Grant, Martin Freeman, Imelda Stanton, David Tennant, Russell Tovey, Salma Hayek • FSK: ohne Altersbeschränkung • Kinostart: 29.03.2012Deutsche Website

Werbe-Platzhalter. Von irgendwas müssen wir auch leben ;-)

Handlung

Die Verfilmung des ersten Buches aus Gideon Dafoes Piraten!-Reihe dreht sich um den namenlosen und vom Glück verlassenen Piratenkapitän (Hugh Grant) und seine Bemühungen nach vielen erfolglosen Jahren endlich den heißbegehrten Pokal als „Pirat des Jahres“ zu gewinnen. Für seine Rivalen Entermesser-Liz (Salma Hayek), Holzbein-Hastings (Lenny Henry) und Black Bellamy (Jeremy Piven) ist der Piratenkapitän nur eine Witzfigur. Lediglich seine bunt gemischte Piratencrew hält treu zu ihm. Beleidigt durch seine Konkurrenten und nicht willens ein weiteres Jahr ohne die Trophäe verstreichen zu lassen, sind  der Piratenkapitän und seine Truppe liebenswerter Sonderlinge (darunter der Albino-Pirat, der Pirat mit dem Schal, der Pirat mit erstaunlichen Rundungen u. ä.) wild entschlossen, genug Gold zu plündern, um die Rivalen zu überbieten. Die von ihnen gekaperten Schiffe rangieren aber leider von einem Lepra-Schiff über ein Nudisten-Schiff bis hin zu einem Geisterschiff. Der desillusionierte Piratenkapitän steht kurz davor, das Unterfangen aufzugeben, als sie auf Charles Darwins Schiff, die HMS Beagle, stoßen. Obwohl es auch auf diesem Schiff keine Schätze zu finden gibt, erkennt Darwin (David Tennant) in Polly, dem „fetten Papagei“ des Piratenkapitäns, einen waschechten Dodo, den alle für ausgestorben halten. Schnell entwirft der Piratenkapitän gemeinsam mit Darwin (der dabei eigene Ziele verfolgt) einen Plan. Gemeinsam mit seiner Crew sollen sie noch London reisen und Polly beim Wissenschaftswettbewerb der Royal Society vorstellen. Als Hauptpreis (den Darwin ihm zusichert) erwartet der Piratenkapitän törichterweise unvorstellbare Mengen an Gold. Der Nachteil des Plans – London ist der Sitz der Queen Victoria, der Todfeindin aller Piraten. Das Abenteuer kann beginnen!

Kritik

Auch wenn bei der letzten Oscarverleihung ganze drei Stop-Motion-Filme in der Kategorie „Bester Animationsfilm“ nominiert waren, darunter auch Die Piraten!, sind Genrevertreter, die nicht von Computerprozessoren erschaffen wurden, heutzutage wahrlich selten. Während 3D der neuste Trend insbesondere im Bereich der Animationsfilme ist, hat CG („computer generated“)-Animation die Vorherrschaft bereits vor etwas acht Jahren an sich gerissen. Nur wenige nicht-computeranimierte Animationsfilme schaffen es noch, breit in die Kinos zu kommen. Vielleicht ist das auch einer der (vielen) Gründe, warum sich das neuste Knetabenteuer aus dem Hause Aardman so erfrischend anfühlt.

Die Piraten! - Ein merkwürdiger Haufen Kritik 1Es ist schon eine Weile her, dass die britische Animationsschmiede Aardman Animations einen Knetanimationsfilm auf die große Leinwand gebracht hat. Zuletzt war es der oscarprämierte Wallace & Gromit – Auf der Jagd nach einem Riesenkaninchen. Obwohl ich ein großer Fan der Wallace & Gromit-Kurzfilme bin, war ich von der Kinoversion nicht so begeistert wie viele andere. Liebevoll umgesetzt und amüsant, konnte der Langfilm den Humor, der in den Kurzfilmen bestens zum Tragen kam, nicht über die gesamte Laufzeit aufrecht erhalten. In den folgenden Jahren brachte Aardman die ersten beiden computeranimierten Arbeiten des Studios in die Kinos: Flutsch und weg und Arthur Weihnachtsmann. Beide waren urkomisch, zeichneten sich durch typischen schrägen Aardman-Humor aus und bekamen vom Massenpublikum leider die kalte Schulter. Dennoch vermisste man doch deren charmante Knetfilme. Eine Freude also, dass man bei dieser Animationsart nichts verlernt hat!

Der geniale Schachzug hier war, Alt und Neu zu kombinieren und Die Piraten! zum allerersten 3D-Knetfilm zu machen. Die Mischung aus Stop-Motion und computergenerierten Hintergründen ist makellos und bietet tolle visuelle Reize. Wie alle anderen Werke von Aardman, beeindruckt auch Die Piraten! durch unglaublichen Detailreichtum (haltet Ausschau nach den diversen Schildern auf Blood Island!). Die Figuren, mit großer Liebe zum Detail und jeder Menge netten Unvollkommenheiten von Hand kreiert, sind sehr charmant und das 3D trägt hier tatsächlich zu einer Verbesserung des Erlebnisses bei. Es entsteht einfach etwas Wunderschönes, wenn die altmodische Herangehensweise der Animation hier auf den neusten Trend des Filmemachens trifft. Was sich seltsam anhört, funktioniert blendend.

Aber natürlich auch die tollsten Visuals hätten aus Die Piraten! keinen sehr guten Film gemacht, wenn nicht auch die Charaktere, die Story und, vor allen Dingen, der Humor gestimmt hätten. Zum Glück funktioniert hier beinahe alles und macht den Film zu einer der besten Komödien des letzten Jahres – animiert oder nicht.. Der Plot klingt verrückt und das ist der der Streifen auch. In bester anarchistischer Aardman-Manier übertrift hier eine versponnene Idee die nächste. Peter Lord, der sich auch für den Aardman-Hit Chicken Run – Hennen rennen verantwortlich zeichnete, trifft hier alle richtigen Noten. Die Charaktere sind alle mit ihren eigenen Macken ausgestattet, einer schrulliger als der andere und die Synchronisation im Original ist einfach klasse, wobei hier der Bärenanteil des Lobs Hugh Grant gehört, der seinen Piratenkapitän trotz aller Dummheiten, Fehler und seines Größenwahns sehr sympathisch gestaltet und dem Film somit sein Herz und seine Seele gibt.

Die Piraten! - Ein merkwürdiger Haufen Kritik 2Es mangelt auch nicht an Anachronismen. Hier treffen eine junge, kokette Jane Austen (die in Wahrheit noch vor Queen Victorias Geburt starb) und der Elefantenmensch aufeinander und Charles Darwin verliebt sich Hals über Kopf in Queen Victoria. Das unumstrittene komödiantische Highlight des Films ist aber Darwins stummer Diener, ein mit Frack und Monokel bekleideter Schimpanse namens Mr. Bobo – oder wie Darwin ihn nennt, „ein Mannpanse“. Dieser kommuniziert mittels witziger Karteikaten. Der Film spielt die Idee gut aus, denn der Zuschauer wird im Prinzip dazu gebracht, die besten Witze buchstäblich selbst abzulesen. Die Beziehung zwischen Darwin und Mr. Bobo ist eine klare Anspielung auf Aardmans populäres Duo Wallace & Gromit. In der Tat, aberwitzige Szenarien kommen hier nicht zu kurz. Sogar die nicht wenigen Actionszenen strotzen nur so vor Einfallsreichtum und chaotischem Wahnsinn (Euch erwartet die tollste Badewannen-Verfolgungsjagd der Filmgeschichte!). Man muss sich schon auf diese spezielle Art von trockenem Humor, britischem Sarkasmus und fröhlichem Irrsinn einlassen, um den Film genießen zu können. Auch wenn hier viele Witze auch bei den jungen Zuschauern gut ankommen werden, bestehen keine Zweifel, dass hier ebenso sehr (wenn nicht gar mehr) an deren Eltern gedacht wurde.

Die Piraten! – Ein merkwürdiger Haufen reicht nicht ganz an die hoch gelegte Latte der frühen Werke von Aardman heran, doch er bietet trotzdem tonnenweise unverschämten Spaß, welcher sich nicht auf heutzutage beliebte Popkultur-Witze oder Fäkalhumor verlässt. Man kann nur hoffen, dass es nicht bei einem Film bleibt, denn es warten noch vier weitere Bücher über den Piratenkapitän und seine bunt gemischte Mannschaft, um verfilmt zu werden.

Fazit

Frech, respektlos und zuweilen schlicht verrückt – die gelungene Mischung aus britischem Humor und detailreicher Animation mit einer Prise abgefahrener Action macht Die Piraten! zu einem Aardman-Film der Extraklasse.

Trailer