Die Mumie (2017) Kritik

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Die Mumie (2017) Filmkritik

The Mummy, USA 2017 • 110 Min • Regie: Alex Kurtzman • Mit: Tom Cruise, Sofia Boutella, Annabelle Wallis, Russell Crowe, Courtney B. Vance, Jake Johnson • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 8.06.2017 • Deutsche Website

Handlung

Nick (Tom Cruise) und Chris (Jake Johnson) dienen als Späher der US-Armee in Irak, betreiben jedoch nebenbei ein lukratives Nebengeschäft, indem sie nach wertvollen Antiquitäten suchen und sie auf dem Schwarzmarkt an Höchstbietende verticken. Ihr neuester Raubzug führt die Glücksritter zu einem abgelegenen Dorf, wo Nick einen großen Schatz vermutet, nachdem er einige Tage zuvor der hübschen Archäologin Jenny (Annabelle Wallis) nach einem Schäferstündchen eine Karte stibitzte. Vor Ort geraten die beiden in ein heftiges Feuergefecht mit Aufständischen und nur ein von Chris angeforderter Luftschlag rettet den beiden das Leben, macht aber deren Vorgesetzten (Courtney B. Vance) auf sie aufmerksam. Dieser taucht daraufhin mit der besagten Archäologin im Schlepptau am Ort des Geschehens auf. Doch Jennys Wut auf Nick weicht schnell der Begeisterung, denn die Rakete hat ein riesiges, uraltes, ägyptisches Grab freigelegt. In einem Becken aus Quecksilber finden Jenny, Nick und Chris einen Sarkophag, der zur weiteren Untersuchung nach England ausgeflogen werden soll. Nick ist bereits von Anfang an mulmig bei der Sache und seine ungute Vorahnung bestätigt sich, als im Flug die Hölle losbricht. Erst dreht Chris durch, dann fallen die Triebwerke aus und ein riesiger Vogelschwarm attackiert das Flugzeug. Es kommt zum Absturz. Nick kann lediglich Jenny mit einem Fallschirm retten und sieht machtlos den Boden auf sich zurasen. Doch dann wacht er ohne einen einzigen Kratzer (jedoch offensichtlich zuvor für tot erklärt) in einem Leichensack auf, wird von seltsamen Visionen geplagt und versteht generell die Welt nicht mehr. Jennys geheimnisvoller Auftraggeber Dr. Henry Jekyll (Russell Crowe) klärt ihn darüber auf, dass der Sarkophag die Mumie der rachsüchtigen ägyptischen Prinzessin Ahmanet (Sofia Boutella) beherbergte, die zum neuen "Leben" erwacht ist und Nick zur körperlichen Hülle für den Todesgott Seth auserkoren hat, mit dem sie gemeinsam die Welt beherrschen möchte.

Kritik

Die Mumie (2017) Filmbild 1

Wenn nach knapp über 100 Minuten Laufzeit beim neuesten Reboot von Die Mumie der Abspann über die Leinwand läuft und die Zuschauer nicht unbedingt noch mehr von Brian Tylers solidem, jedoch generischem Abenteuerfilm-Score hören wollen, können sie guten Gewissens den Kinosaal verlassen, denn trotz großer Ambitionen für das Monsterfilm-Universum Dark Universe (dessen eigenes Logo zu Filmbeginn ganz mutig direkt nach dem Studiologo eingeblendet wird), hat Universal auf eine Abspannszene à la Marvel verzichtet. Das ist jedoch nur angemessen, denn der gesamte Film ist bereits eine einzige Abspannszene, die mehr um das Fundament für die Zukunft des Filmuniversums besorgt ist, als um die eigentliche Geschichte, die er erzählt. Diese verkommt nach einer kurzweiligen ersten Hälfte zu einem Mittel zum Zweck, bei dem Easter Eggs auf Easter Eggs (ein Vampirschädel hier, eine Hand mit Schwimmhäuten da) gestapelt werden und Jekylls Expositionen auch als "Demnächst im Dark Universe" betitelt werden könnten. Durch diese Verschiebung des Fokus wird die Rahmenhandlung um das titelgebende Monster zur Nebensache, die Einsätze wirken klein, die große Gefahr, die von der Mumie ausgeht, bleibt diffus.

Die Mumie (2017) Filmbild 2Was Disney mit dem Marvel Cinematic Universe bewerkstelligt hat, ist in einem solchen Umfang einzigartig und wird lange als das Musterbeispiel eines erfolgreichen, gut durchdachten Film- und Serienuniversums gelten. Doch sie waren nicht die ersten. Bereits in den Vierzigern ließ Universal Frankensteins Monster, Dracula, den Wolfmenschen und andere Kreaturen aufeinander treffen. Der Vorwurf, Universal würde Marvels Strategie kopieren, ist daher unberechtigt, auch wenn Marvels Erfolg mit dem Konzept den Stein vermutlich ins Rollen gebracht hat. Für den Erfolg eines solchen Universums ist ein gelungener erster Film enorm wichtig und wäre Dracula Untold vor drei Jahren nicht als ein Kritiker- und Zuschauerflop untergegangen, wäre er vermutlich nicht von Universals Monsterfilm-Universum nachträglich verbannt worden. Bei Die Mumie gibt es nun keinen Weg zurück, denn wie der Film selbst, so konzentriert sich auch das Marketing mindestens genau so sehr auf das Filmuniversum wie auf den eigentlichen Plot des Streifens. Was Regisseur Alex Kurtzman und das Komitee von Autoren, durch deren Laptops und Schreibmaschinen das Skript zu Die Mumie über die letzten Jahren wanderte – darunter Christopher McQuarrie (Mission: Impossible – Rogue Nation), Jon Spaihts (Passengers) und David Koepp (Inferno) – scheinbar nicht begriffen haben, ist, dass ein solcher Auftaktfilm für sich selbst stehen muss, bevor man ein ganzes Franchise auf dessen Schultern aufbauen kann. Ansonsten ist es so, als würde man eine luxuriöse Hotelanlage auf einem sumpfigen Gelände erbauen, ohne dieses vorher trockenzulegen. Wie man diesen Spagat richtig bewältigt, zeigte 2008 der erste Iron Man. Der Film war ein immens unterhaltsames Spektakel und ohne den mittlerweile legendären Auftritt von Samuel L. Jackson als Nick Fury im Abspann, hätte man auch nichts vermisst, denn der Film konnte auf eigenen Beinen stehen. Iron Man wäre ein ganz anderer Film geworden, wenn Fury mittendrin aufgetaucht wäre, ausführlich von seinen Plänen für die Avengers-Initiative erzählt und das Geschehen des Films daraufhin gelenkt hätte. Genau solche Vorwürfe eines Avengers-Set-Ups wurden gegenüber Iron Man 2 erhoben, doch nach dem starken Vorgänger konnte man einen "Platzhalterfilm" verzeihen.

Die Mumie (2017) Filmbild 3Dabei hätte Die Mumie eigentlich genug zu bieten gehabt, wenn die Geschichte etwas fokussierter erzählt gewesen wäre und die Macher sich auf die Stärken des Films verlassen hätten. Zu diesen gehört zweifelsohne Tom Cruise, dessen Charakter hier nicht wie ein makelloser Held aus Jack Reacher oder Mission: Impossible beginnt, sondern eher an seine Figur aus Edge of Tomorrow erinnert. Zunächst auf das eigene Wohl bedacht, wird er widerwillig zum Helden in einer für ihn absurden Situation. Ansonsten ist Cruise jedoch im Ethan-Hunt-Modus, springt, rennt, schießt, kämpft und stürzt sich von einem spektakulären Stunt zum nächsten. Auch mit 54 versprüht der Schauspieler unwiderstehlichen jugendlichen Charme und Schlagfertigkeit, und ist auch selbstironischen Einlagen nicht abgeneigt. Dass Die Mumie ihr Potenzial letztlich nicht erfüllt, liegt nicht am Star des Films. Auch Sofia Boutella, die mit ihrer exotischen Ausstrahlung und grazilen Bewegungen bereits in Kingsman: The Secret Service und Star Trek Beyond die Aufmerksamkeit erfolgreich auf sich lenkte, ist gut besetzt und eine Mumie, wie wir sie noch nicht gesehen haben: bedrohlich, machtbesessen, aber auch verführerisch und gar verletzlich. Tatsächlich nimmt ihre Jagd auf Nick irgendwann leichte Stalker-Züge einer verschmähten Liebhaberin an. Doch leider hat Boutella im Film nicht so viel Screentime wie Annabelle Wallis' Archäologin, die zwar irgendwann zur Hauptmotivation von Nicks Handlungen wird, jedoch zu keinem Augenblick spürbare Chemie mit ihm entwickelt, womit das gesamte Finale des Films in sich zusammenfällt. Für mehr (Buddy-)Humor soll im Film "New Girl"-Star Jake Johnson sorgen, dessen Rolle nicht einmal als eine Hommage an American Werewolf in London bezeichnet werden kann, sondern als reine Kopie, doch die Gags zünden nur sporadisch. Und dann gibt es natürlich noch Russell Crowe, der in seiner Rolle als Dreh- und Angelpunkt des Dark Universe zunächst eher gelangweilt wirkt und erst durch die Verwandlung in Mr. Hyde (nicht so spektakulär, wie man meinen würde) wirklich Spaß zu haben scheint. Gerade wegen dieser Szene und Crowes leicht absurdem Akzentwechsel ist die Sichtung der Originalfassung empfehlenswert.

An der Actionfront gibt es Versatzstücke aus Mission: Impossible-esken Stunts (der Flugzeugabsturz raubt einem wirklich den Atem), X-Men: Apocalypse-mäßiger Massenzerstörung im kleineren Format (London muss in letzter Zeit in Filmen immer wieder dran glauben, New York hat wohl eine Atempause verdient) und Kanonenfutter-Mumien-Action, wie man sie schon im endlos charmanteren und unterhaltsameren Film mit Brendan Fraser vor 18 Jahren gesehen hat. Die Action ist spaßig genug, dass man als Zuschauer nicht von Gähnanfällen überwältigt wird, doch die Trailer verraten nahezu alle ihre Höhepunkte. Doch auch das ist irgendwie passend, denn schließlich ist Die Mumie selbst ein überlanger Trailer dafür, was noch kommen wird. Oder vielleicht auch nicht.

Fazit

Tom Cruise spielt mit Charme, Humor und vollem Körpereinsatz, die Stunts sind spektakulär und Sofia Boutella strahlt in ihrer zu kurzen Screentime ausreichend Bedrohlichkeit, Exotik, Sex-Appeal und Wut aus, doch Die Mumie kommt nie als ein eigenständiger Film zusammen. Die Rahmenhandlung um Ahmanet und ihren generischen Apokalypse-Plan wirkt spätestens nach Russell Crowes großem Auftritt als Dr. Jekyll nebensächlich und als Mittel zum Zweck, um den Weg für Universals ambitioniertes Universum von Göttern und Monstern zu bereiten. Eine verpasste Gelegenheit.

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