Die irre Heldentour des Billy Lynn (2016) Kritik

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Billy Lynn’s Long Halftime Walk, USA/GB/CN 2016 • 112 Min • Regie: Ang Lee • Drehbuch: Jean-Christophe Castelli • Mit: Joe Alwyn, Kristen Stewart, Chris Tucker, Garrett Hedlund, Vin Diesel, Steve Martin • Kamera: John Toll • Musik: Mychael Danna, Jeff Danna • FSK: ab 12 Jahren • Verleih: Sony Pictures • Kinostart: 2.02.2017 • Deutsche Website

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die-irre-heldentour-des-billy-lynn-8Der deutsche Titel von Ang Lees neuester Regiearbeit „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ lässt eine schlechte Actionkomödie aus den Achtzigern erwarten. Tatsächlich aber schildert der auf dem gleichnamigen Roman von Ben Fountain basierende Film die Erlebnisse eines jungen Soldaten nach seiner Rückkehr aus dem Irak. Begrenzt auf einen kurzen Handlungszeitraum und ständig fragmentiert durch Rückblenden, konzentriert sich der zweifache Oscar-Preisträger Lee („Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger“) einerseits auf die psychischen Schäden, die der Krieg bei den Überlebenden verursacht, und nimmt andererseits genüsslich – aber leider nicht sonderlich subtil – den American Way of Life aufs Korn: Während die Kompanie in der sandigen Hölle blutige Gefechte überstehen musste, findet in der Heimat anschließend ein auf andere Weise grausiger Vermarktungskampf statt.

die-irre-heldentour-des-billy-lynn-4So lernen wir den neunzehnjährigen Titel- und auch Kriegshelden Billy Lynn (Newcomer Joe Alwyn erinnert in seiner ersten Spielfilmrolle angenehm an die ersten Schritte von Tobey Maguire oder Jake Gyllenhaal) kennen, als er sich mit seinem Sergeant Dime (Garrett Hedlund), dem Medienprofi Albert (Chris Tucker) und seiner Kompanie auf dem Weg zu einem großen Football-Spiel befindet. Die Heimreise ist nur eine Zäsur, eine Halbzeit, denn nach einem mutigen Einsatz als Helden gefeiert, sollen die Schicksale der Männer in den USA vor laufenden Kameras zelebriert – und ausgeschlachtet – werden. Über Rechte für eine Kinoadaption wird diskutiert, und während Feuerwerke abgefackelt werden und Cheerleaderinnen sowie Popacts eine heitere Show für das Publikum versprechen, bricht in Billy und seinen Kameraden der vergangene Schrecken vor dem geistigen Auge erneut durch …

die-irre-heldentour-des-billy-lynn-7„Die irre Heldentour des Billy Lynn“ ist ein seltsamer, aber auch bemerkenswerter Film. Zwischen existenziellem Drama und offensichtlicher Satire pendelnd, verliert das Werk im Verlauf immer wieder den Fokus. So geht es schließlich nicht mehr nur um das Innenleben des – beziehungsweise der – Protagonisten, sondern am Rande auch um religiöse bis esoterische Fragen oder eine kritische Perspektive auf den Irakkrieg. In den Mittelpunkt rückt immer mehr die Diskrepanz zwischen der fragwürdigen Sicht der Zivilbevölkerung auf die fernen Kämpfe und den tatsächlichen Schicksalen der unmittelbar Beteiligten. Während der Verlust ihres gefallenen Vorgesetzten Shroom (Vin Diesel) der Gruppe noch tief zusetzt, wird sie wie ein Haufen Kinder respektlos durch das Medienspektakel gescheucht. Hier kommt es schließlich zu gefährlichen Eskalationen, wenn die Grenze zwischen unverarbeiteten Traumata und der Realität verwischt und sich die Soldaten blitzartig erneut im Gefecht wähnen. Das Thema des posttraumatischen Stresssyndroms wird vehement von Billys fürsorglicher Schwester Kathryn (Kristen Stewart) hervorgebracht, die ihren Bruder dringend von der Rückkehr in den Irak abbringen will. Ang Lee gelingt es zwar, die einzelnen Kernpunkte seines Films deutlich zu vermitteln, aber der Wechsel zwischen tragischen und komischen Momenten ist teils so abrupt, dass dem Publikum eine fast schon stakkatoartige emotionale Flexibilität abverlangt wird. Wenn der Abspann läuft, bleibt ein interessantes Mosaik, aber kein homogenes Gesamtbild. Es bleibt die Entscheidung Billys über seine Zukunft und ein stechender Blick auf eine aalglatte Oberfläche.

die-irre-heldentour-des-billy-lynn-1Der für mich spannendste Aspekt von „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ ist übrigens der Blickwinkel von der Filmindustrie, die ja schließlich tatsächlich jedes spektakuläre Ereignis und jede herausragende Persönlichkeit so schnell wie möglich und egal mit welchen Mitteln am liebsten direkt in einen oscarträchtigen Heuler umwandeln will. Solch ein polierter Schmachtfetzen ist Ang Lees Arbeit zum Glück nicht. Und auch wenn der renommierte Regisseur schon weit involvierendere Resultate abgeliefert hat, ist seine eigenwillige Vision durchaus erfrischend.

Technische Anmerkung: Obwohl der Film in 3D mit einer Frequenzrate von 120 Bildern pro Sekunde aufgenommen worden ist, verfügen weltweit kaum Kinos über eine Möglichkeit dieser Wiedergabe. Die aufgeführte 2D-Standardversion fällt in wenigen Szenen, vor allem während schneller Schwenks, unangenehm auf, ist aber ansonsten gut ansehbar.


Trailer